6871499-1978_26_01.jpg
Digital In Arbeit

Tito geht weiter seinen Weg

Werbung
Werbung
Werbung

Der 11. Parteitag des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens in Belgrad stand völlig im Zeichen des großen alten Mannes Jugoslawiens: Josip Broz Tito. Seine Persönlichkeit prägte dem Kongreß noch einmal seinen Stempel auf, der ansonsten programmgemäß und ohne Sensationen verlief, das Parteiprogramm verabschiedete, die 156 Mitgliederdes neuen Zentralkomitees verifizierte, die wiederum das auf 24 Persönlichkeiten gestraffte Parteipräsidium mit dessen Präsidiumssekretär und neun ZK-Sekretäre bestellte.

Die personalpolitischen Entscheidungen waren bereits auf den Parteitagen in den Teilrepubliken, autonomen Provinzen und der Parteiorganisation der jugoslawischen Volksarmee gefallen, so daß von einem Kompromiß zwischen dem Zentralismus Belgrads und der lebensnotwendigen Fö-deralisierung Jugoslawiens auch im Parteiapparat gesprochen werden kann. Alles war von vornherein programmiert und eine geschickte Regie trug dafür Sorge, die ohnehin latente Besorgnis vor einer ungewissen Zukunft nicht zu schüren.

„Die Partei ist auch revolutionär, da sie ihre Aktionen auf realen Analysen und Abschätzung objektiver Möglichkeiten basiert“, lautete der entschärfte Leitsatz des Parteitages, dessen sachliches Klima sich von der Aktionärsversammlung' eines großen Konzerns nur durch politische Begleitmusik unterschied. Der Parteitag verlief anders als der letzte oder vorletzte, da es galt, dem „Prinzip des demokratischen Zentralismus“ wieder Geltung zu verschaffen und die straffe kommunistische Disziplin um jeden Preis wiederherzustellen, anders auch als der 5. Parteitag vor 30 Jahren, als sich die jugoslawischen Kommunisten gegen das starre ideologische Joch des „internationalen Kommunismus“ aufbäumten. Im Kasino des Garderegiments in Belgrad hatte Tito im Juli 1948 den Bruch mit Stalin durch ein Parteiprogramm untermauert und so den eigenen Weg Jugoslawiens zum Sozialismus eingeschlagen, der dem Balkanland international Anerkennung und vor allem Tito persönlich hohes Ansehen gesichert hat. Der von Tito damals gewagte Schritt ist unterdessen zum Spaltpilz im internationalen Kommunismus geworden, aber noch keineswegs zu einer unter Kommunisten allgemein gültigen Norm.

Auch am 11. Parteitag mußte der nun 86jährige noch einmal den Vorherrschaftsanspruch Moskaus zurückweisen. Wenn er auch keine Namen nannte, war klar, auf wen er zielte, als er die Wiederherstellung eines Befehlszentrums in der internationalen Arbeiterbewegung ablehnte und das Recht jeder Partei auf einen eigenen Weg unterstrich. Tito bezeichnete die eigenen Wege als die aussichtsreichsten, aber ganz möchten es sich die Jugoslawen mit den Sowjets offenbar doch nicht verderben, so daß selbst der Chefideologe Edward Kardelj in den offiziellen Parteidokumenten zensuriert wurde, der zur Eröffnung des Kongresses der jugoslawischen Opfer des Stalinismus gedacht hatte.

Die Reaktion Moskaus und des . Ostens auf Titos Postulate blieb allerdings unverändert ablehnend: In den Massenmedien wurden alle Aussagen des BdKJ eliminiert, die mit den Ansichten des Kreml kollidieren öder nicht konform gehen.

Daß, der jugoslawische Parteichef ein klares Bekenntnis zur eigenen Spielart des Sozialismus ablegte, ist nur logisch. Seine mäßige Kritik, es „ist zwar gut, aber es muß besser werden“, kann |emem Optimismus zugute gehalten werden, seine Feststellung, der Zeitraum seit dem letzten Parteitag sei der ruhigste in Jugoslawien gewesen, das Regime habe sich so als das stabilste in der komplizierten Gegenwart erwiesen, klang doch recht selbstgefällig.

Die gefährliche Wühlarbeit einer organisierten kommunistischen Opposition im Lande, der sich abzeichnende Bruch im blockfreien Lager, die von Belgrad angeheizten Spannungen mit den Nachbarn, die Gefahren des internationalen Terrorismus, das alles wurde möglichst indirekt nur angedeutet oder in der außenpolitischen Resolution formuliert. Innenpolitisch legte der Parteichef in seinen Schluß-

Worten den mehr als 2000 Delegierten im modernen Kongreßzentrum in Neu-Belgrad „die Wirtschaft besonders ans Herz“, nachdem in diversen Debattenbeiträgen und Referaten die nur langsam wachsende Arbeitsproduktivität, die hohe Verschuldung der jugoslawischen Wirtschaft und vor allem die Arbeitslosigkeit auch unter den Jugendlichen beklagt worden waren. Dagegen wurde auf Fortschritte in der Verzahnung des politischen Systems mit der Wirtschaft und dem Alltag verwiesen und eine fortschreitende Demokratisierung des Selbstverwaltungssozialismus angekündigt.

Daß Demokratisierung im Sozialismus nicht unbedingt mit westlichen Vorstellungen übereinstimmt, zeigt die Einschränkung der von Kardelj angekündigten Pluralisierung auf „Pluralisierung der Interessen“. Das Macht- und Meinungsmonopol bleibt unverändert der Partei vorbehalten, auch wenn der Freiraum der Bürger im jugoslawischen Sozialismus weitaus größer ist als in anderen sozialistischen Staaten. Belgrad muß aber offenbar jederzeit in der Lage sein, seine Bürger zur Verteidigung des Selbstverwaltungssozialismus zu mobilisieren: Nicht nur gegen ideologische Gefahren, die von Seiten dogmatisch Orientierter und sogar „Konterrevolutionären“ drohen, wie Kardelj überraschend einräumte.

Gefahren zeichnen sich für die Blockfreiheit Jugoslawiens durch Versuche ab, das Lager der Blockfreien zu spalten. Tito und sein vormaliger Außenminister Minie beschwör-ten die Einheit der Blockfreien sicherlich nicht nur, um das außenpolitische Ansehen Belgrads in der Welt zu wahren. Ein Zerfall der Blockfreien würde vielmehr eine tragende Säule der Politik Jugoslawiens zum Einsturz bringen, das sich außenpolitisch zwischen den Blöcken abstützt.

Um so überraschender wirken die „Ettikettierungen“ der Nachbarn Jugoslawiens im Osten und Westen in der außenpolitischen Resolution, die der „Assimilierung“ bezichtigt werden. Bulgarien hat sich gegen solche „tendenziöse Angriffe“ bereits durch den Leiter der bulgarischen' Parteidelegation, Stanicew, am Belgrader Parteitag verwahrt, nachdem dieser ein Angebot des bulgarischen Staats- und Parteichefs Schiwkoff zur Entschärfung der sogenannten „mazedonischen Frage“ durch die Unterzeichnung eines Vertrages über die Unantastbarkeit der Staatsgrenzen, nicht zur Kenntnis genommen hat. Der griechische Ministerpräsident Karamanlis hat Belgrad im Vorjahr nur unter der Bedingung besucht, daß die „mazedonische Frage“ nicht erwähnt würde. Albanien wurde jetzt zwar ausgespart, aber von mazedonischen Parteiführern schon vordem in ähnlicher Weise attakiert.

Österreich wurde der „Belastung der Beziehungen durch die Assimilations»-Politik, die in Österreich gegenüber der slowenischen und kroatischen nationalen Minderheit betrieben wird“, bezichtigt und diesen „Unterstützung in ihrem Kampf um die Erhaltung der nationalen Identität und freien Entfaltung durch den BdKJ und Jugoslawiens“ zugesagt. Gleichzeitig versichert die Resolution des 11. Kongresses des BdKJ, daß „Jugoslawien weiterhin eine Politik der Entwicklung und Förderung der gutnachbarlichen Beziehungen und Zusammenarbeit verfolgen wird“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung