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Wieder auf dem Pfad des „demokratischen Zentralismus“

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Ein klares Bekenntnis zu dem von Staats- und Parteichef Josip Tito festgelegten politischen Kurs Jugoslawiens, legte die neue jugoslawische Bundesregierung in der Regierungserklärung ihres Ministerpräsidenten ab. Der in seinem Amt wiederbestätigte Premier Veselin Djuranovic, Heß in seiner wohl ausgewogenen Rede vor dem neu konstituierten Bundesparlament keinen Zweifel daran, daß das Programm des 10. Parteitages des BdKJ von 1974 und des im Juni bevorstehenden 11. Parteitages, die Leitlinien der Außen-und Innenpolitik Belgrads festlegen.

Damit würde die Kontinuität der unabhängigen und blockfreien Außenpolitik, sowie die Stabilität Jugoslawiens in allen Belangen gesichert, erklärte Ministerpräsident Duranovic. Die Schwerpunkte seiner Regierungserklärung lagen aber eindeutig auf wirtschaftlichem Gebiet und das nicht nur wegen ihrer besonderen Aktualität. Eher dürfte sich Staats- und Parteichef Tito programmatische Erklärungen für den kommenden Parteitag vorbehalten haben. Aber schon die Liste der 28 Mitglieder der neuen jugoslawischen Bundesregierung ist aufschlußreich genug.

Sie zeigt, daß der 86jährige Marschall Tito die Zügel noch fest in der Hand hält und Einfluß auf personalpolitische Besetzungen nimmt. Die entscheidenden Ämter im Staate verbleiben in alten Händen und auch die 17 Neulinge in der Regierung sind durch die Kaderschule der Partei gegangen. Die Generalobersten Ljubicic und Herljevic behalten das Verteidigungsministerium beziehungsweise Innenministerium, das Justizministerium .übernimmt Luka Banovic, der diesen Posten schon einmal bis 1974 bekleidet hatte, also während einer besonders kritischen innenpolitischen Phase. Die Namen dieser drei Generäle sollten jedenfalls für die Zukunft vorgemerkt werden, da ihre Bestätigung oder Neuberufung einen Trend bestä-

tigt, der sich schon seit längerem in der inneren Entwicklung Jugoslawiens abzeichnet.

Die Wirtschaft im Bundesstaat dagegen behalten sich die Slowenen vor: Marine, bisher Ministerpräsident der Teilrepublik Slowenien, jetzt als stellvertretender Ministerpräsident Jugoslawiens und Metod Rotar, ein Bankfachmann, jetzt als Außenhandelsminister. Der Slowene Boris Schnuderl, bleibt als Minister ohne Portefeuil Vorsitzender des wichtigen Wirtschaftsausschusses der Regierung. Lediglich das Informationsministerium geht an einen gesamtjugoslawisch noch unbekannten Mann: Ismail Baira, Kosovoalbaner, bisher Generaldirektor von Radio Pristina. Möglich, daß seine überraschende Berufung nach Belgrad mit der Übernahme des Postens des stellvertretenden Staatspräsidenten durch seinen Landsmann, Fadil Hodscha, in Zusammenhang steht.

Der stärksten Minderheit. Jugoslawiens, den rund 1,5 Millionen Amselfeldalbanern, die in der autonomen Provinz im Rahmen der Republik Serbien siedeln, wird demonstrativ besonderes politisches Vertrauen entgegengebracht Daß sie stärker in den politischen Vordergrund durch Tito treu ergebene Männer rücken, ist eine optische Konsequenz im Vielvölkerstaat und ohne Zweifel ein sehr geschickter Schachzug Belgrads, das dadurch den Zusammenhalt des Bundes stärkt Von der politischen Bühne tritt der bisherige Präsident des Bundesparlamentes ab, der Mazedonier Kiro Gigo-rov. Daß mit ihm der „letzte Liberale“ eine ohnedies mehr repräsentative Staatsfunktionen verliert, zeigt nur die Konsequenz der Partei- und Staatspolitik auf, die seit den großen Säuberungen um 1971 die jugoslawische Gesellschaft wieder auf den Pfad des „demokratischen Zentralismus“ führte.

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