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Einzug der Kroaten

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Präsident Tito hat ein neues Machtinstrument geschaffen, genannt „Komitee zur Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung“. Es besteht aus acht Mitgliedern, aus zwei Kroaten, zwei Serben, einem Mazedonier, einem Slowenen und einem Moslem. Vorsitzender ist Vladimir Bakaric, ein Kroate. Seine Bestellung erfolgte überraschend für die politische Szene in Belgrad, denn bisher war er als Sicherheitsfachmann niemals in Erscheinung getreten. Eine andere Überraschung ist die Tatsache, daß diesem Komitee kein Vertreter der albanischen Volksgruppe angehört. Vieles deutet darauf hin, daß Bakaric Titos neuer Kronprinz ist.

Als die „kollektive Präsidentschaft“ Jugoslawiens am 20. Februar 1975 das „Komitee zur Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung“ ins Leben rief, lehnte sie sich in der Nomenklatur an die Französische Revolution an. (Damals nannte man das: „Komitee für öffentliche Sicherheit“). Aber Tito hat sich außer historischen Reminiszenzen zweifellos noch etwas anderes gedacht: Vladimir Bakaric, bisher als führender Landwirtschaftsexperte, Parteiideologe und Wirtschaftsfachmann geltend, bekannt für sein Spe-zialwissen in gewissen Bereichen der Außenpolitik, soll in Fragen der inneren und äußeren Sicherheit des Landes, die immer drängender werden, Erfahrungen gewinnen.

Seiner Bestellung zum obersten Verfassungswächter — einer Art von Super-Innen- und Verteidigungsminister — liegt die Annahme zugrunde, ein Kroate könne am besten mit den vor allem in Kroatien zu erwartenden Schwierigkeiten nach Titos Tod fertig werden. In diesem Zusammenhang darf man nicht vergessen, daß auch Jogoslawiens neuer StaatssicherheitschefGeneral

Franjo Herljevic kroatischer Abstammung ist. Er ist ebenfalls Mitglied des . neuen Komitees, gehört aber als einziger nicht dem Parteipräsidium an.

Weshalb kein Albaner dem Komitee angehört, bleibt vorderhand schleierhaft. Denn gewiß stellt die autonome Provinz Kosovo, wo mehr als eine Million Albaner leben, einen potentiellen ' Krisenherd im NachTito-Jugoslawien dar.

So sieht also die neue Führungsgarnitur Jugoslawiens aus, die sich im „Komitee“ herauskristallisiert hat:

•Nr. l: Dr. Vladimir Bakaric, 63, Kroate, Vorsitzender des Komitees.

•Nr. 2: Lazar Kolisevski, 61, Mazedonier.

•Nr. 3: Vidoje Zarkovic, 48, Montenegriner.

•Nr. 4: Stane Dolanc, 50, Slowene, Sekretär das Exekutivbüros des ZK.

•Ex-officio-Mitglieder sind: Dzemal Bijedic, 58, Moslem, Premierminister.

General Franjo Herljevic, 60, Kroate, Innenminister.

General Nikola Ljubicic, 59, Serbe, Verteidigungsminister.

Milos Minie. 60, Serbe, Außenminister.

Wie aus der Ämter- und Machtverteilung auf dieser Liste hervorgeht, werden acht Leute.nach Titos Abtreten alle wesentlichen Bereiche der Legislative und Exekutive des Staates unter Kontrolle haben. Wo aber bleibt Edward Kardelj, 65, der mächtigste Slowene des Landes, bisher von vielen als Titos künftiger Kronprinz angesehen?

Seit seiner langwährenden Krankheit — Eingeweihte vermuten, er leide an Magenkrebs — sind seine Nachfolgechancen erheblich gesunken. Offenbar glaubt Tito nicht mehr daran, daß Kardelj dem Streß der Führung eines von wirtschaftlichen und ideologischen Krisen geschüttelten Landes gewachsen sei.

Bakaric gilt allgemein — vor allem wegen seines Alters — als Übergangslösung, die den Weg freimachen soll für eine der Lieblingsideen des Marschalls. Ein Slowene an der Spitze des Landes. Dabei fällt immer wieder ein Name: Stane Dolanc.

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