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Kein Wort über Stepinac...

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Diese Biographie * hat Vladimir Dedijer, den Herausgeber der Belgrader „Borba“ und geistigen Lenker der jugoslawischen Propaganda, Titos Kampfgefährten seit drei Lustren, zum Verfasser. Der Autor, ein Halbamerikaner von der Mutterseite her und väterlicherseits vermutlich französischer Abkunft, ist seinen Neigungen gemäß „Westler“, doch verbinden ihn mit dem Marxismus, wie er heute durch Tito und dessen Ideologen, vorab Pijade und Kardelj, interpretiert wird, gefühlsstarke Ketten. Dedijer gehört zu jenen Söhnen der gebildeten, wohlhabenden Bourgeoisie, die — wie Koca Popovic, der jetzige Außenstaatssekretär und frühere Generalstabschef, wie Velebit, der geschmeidige Diplomat, wie Ivan Riber, der gewesene Vorsitzende des kollektiven jugoslawischen Staatsrates — sich als junge Menschen, teils aus bloßer romantischer Abenteuerlust, teils aus Widerspruch gegen ihre Umwelt, teils aus Empörung über soziale Ungerechtigkeiten revolutionären Bewegungen anschlössen und die nach der Jahrhundertwende auch in Serbien und Kroatien vom Nationalchauvi-nistischen ins Klassenkämpferische hinüberwechselten.

Die Biographie, die zuerst englisch veröffentlicht wurde und die nun deutsch vorliegt, hat vermutlich den doppelten Zweck: Tito den Amerikanern sympathisch und, im

mannigfachsten Sinne, kreditwürdig erscheinen zu lassen, dann die Londonfahrt des neuen Staatspräsidenten vorzubereiten. Seine Exzellenz, der Herr Marschall, der in seinen vortrefflich geschnittenen Zivilanzügen den Beifall der Schneider und der zur Hofgesellschaft zählenden Gentlemen weckte, der sich freundschaftlich zu Churchills Seiten pboto-graphieren läßt — wie er Good Old Winnie die Zigarrenasche vom Rock putzt: das Oberhaupt der salonfähig, ja buckinghampalast-fähig gewordenen Föderativrepublik Jugoslawien, das in seinen Schlössern distinguierte Fremde mit wahrhaft königlicher Gastlichkeit bewirtet, schließlich der geschätzte militärische Verbündete, wenn auch nicht Partner des Atlantikpakts, sofl vor den Augen des Westens nur in schimmerndem Glanz erstrahlen.

Da er aus dunklen Tiefen so hoch emporgestiegen ist, kann dieser Glanz einzig auf dem Heldentum des Gefeierten gründen. Nun hat es aber damit einige Schwierigkeiten. Josip Broz war ja bis 1941 Heros nur des Klassenkampfes, was weder in den USA noch in Großbritannien besonderen Anklang fände. Erst dann ist er Mitstreiter gegen das Dritte Reich geworden und ab 1948 wandelte er sich

* Tito. Autorisierte Biographie von Vladimir Dedijer. Berlin, im Verlag Ullstein 1953. 8. 440 Seiten. Preis 98 S.

zum Alliierten im kalten Krieg gegen den Kreml. Dedijer trachtet mit sehr viel literarischem Talent, mit nicht wenig publizistischem Geschick, doch ohne den fachkundigen Historiker zu beirren, über alle die Klippen hinwcgzuvoltigieren, die sich bei der Schilderung des Lebenslaufes Titos zeigen. Der Biograph wird schweigsam, einsilbig, sobald wir zu Episoden kommen, die sich nicht gut in die Legenda aurea einfügen; er verweilt dort, wo sich Gelegenheit zur Mythisierung bietet.

Das Schweigen betrifft zum Beispiel den ersten russischen Aufenthalt Titos (1915—20), über welche Periode wir nur Nichtssagendes erfahren, während wir gerne hörten, inwieweit der spätere Kommunistenführer Jugoslawiens schon damals Kontakt mit den Bolschewiken erlangt hatte. Wir läsen ferner gar zu gerne Näheres über Titos Wiener Beschäftigung Anno- 193 4, von denen wir nur die knappen, doch deutlichen Worte ver-

nehmen: „ . . .beauftragte man mich, über verschiedene wichtige Fragen, vor allem Dinge militärischer Natur, zu schreiben“. Aehnliches Halbdunkel herrscht über die Wirksamkeit Titos als Werbeagent der spanischen Kommunisten zur Zeit des Bürgerkrieges. Hier betreten wir ein besonders heikles Terrain. Wie skeptisch man auch über die „Enthüllungen“ im Budapester Rajk-Prozeß urteilen mag, eines scheint festzustehen: daß mehrere der „Inter-nationalcn“, die für die iberischen Roten tätig waren, in Paris — sei es freiwillig, sei es unter Zwang — gleichzeitig Verbindung mit westlichen Geheimdiensten, Deuxieme Bureau und Intelligence Service, aufnahmen. Natürlich dürfen wir von einem offiziellen Biographen nicht erwarten, daß er die eventuellen Berührungen, die Josip Broz schon damals mit britischen Stellen gehabt haben mag, auch nur streife. Der künftige Historiker wird freilich versuchen, darüber, Klarheit zu gewinnen.

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