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Mit Breschnjew reden

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Im dritten Sommer nach der Okkupation der CSSR durch die Armeen der Warschauer-Pakt-Staaten rätselten — und rätseln teilweise noch immer — zahlreiche politische Beobachter, ob der sowjetische Panzerkommunismus im Jahre 1971 wieder aufleben wird. Ja, man rechnete sogar mit einem Doppelschlag der Kremlherrn — dieses Mal gegen ihre ungehorsamen Genossen auf dem Balkan: Gegen Rumänien und Jugoslawien.

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Im dritten Sommer nach der Okkupation der CSSR durch die Armeen der Warschauer-Pakt-Staaten rätselten — und rätseln teilweise noch immer — zahlreiche politische Beobachter, ob der sowjetische Panzerkommunismus im Jahre 1971 wieder aufleben wird. Ja, man rechnete sogar mit einem Doppelschlag der Kremlherrn — dieses Mal gegen ihre ungehorsamen Genossen auf dem Balkan: Gegen Rumänien und Jugoslawien.

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Die Parallelen zwischen den Ereignissen der Sommermonate 1968 und jener dieses Jahres waren auch bemerkenswert genug, um solche Spekulationen aufkommen zu lassen. Manöver unter so bezeichnenden Namen wie „Drava“ (Drau) und „Jug“ (Süd), militärische Übungen auch in Bulgarien, der Besuch des sowjetischen Verteidigungsministers Marschall Gretschko bei der russi schen Mittelmeerflotte, während Rumäniens Staatschef Ceausesou und Jugoslawiens Außenminister Tepa- vac in Peking weilten, aber auch die ungarischen Pressepolemiken, die sich vor allem gegen die angebliche Chinaanfälligkeit der sozialistischen Brüder auf dem Balkan richteten, gaben den Interventionsgerüchten reiche Nahrung.

In Jugoslawien gibt man sich nun wieder optimistisch und meint, daß es in Sachen Okkupation bei den Gerüchten bleiben werde. Man ist sich vor allem in der Meinung einig, daß sich die politische Realität auf dem Balkan offenbar wieder vom Wunschdenken der jugoslawischen Emigranten in der Sowjetunion entfernt, denen eine Besetzung ihrer Heimat nicht unwillkommen gewesen wäre. „Jugoslawien war nicht unmittelbar bedroht, dies trifft nur für Rumänien zu, doch wenn es zu einem Einmarsch der Pakttruppen in Bukarest gekommen wäre, hätten auch wir hier in Belgrad schwerwiegende Konsequenzen ziehen müssen“, so lautete die offizielle Meinung im Belgrader Informatiohs- ministerium.

Der Optimismus der Jugoslawen kommt nicht von ungefähr, er be-

ruht auf der internationalen Entwicklung während der vergangenen Wochen und vor allem auf der Tatsache, daß ein Besuch des sowjetischen Parteichefs Leonid Breschn- jew in Belgrad unmittelbar bevorsteht. Man spricht in diesem Zusammenhang in Belgrad aber auch sehr viel von der neuerdings offensiven Außenpolitik Pekings, die — wie man meint — nicht unwesentlich zur Entwicklung beigetragen haben könnte.

Das große außenpolitische Interesse der Jugoslawen gilt nun jedenfalls dem Breschnjew-Besuch; der zur Erörterung bilateraler Fragen wirtschaftlicher Natur, vor allem aber auch des heiklen Problems der antitltoistisch agierenden stalinistischen Exiljugoslawen in der UdSSR und anderen Ostblockländem dienen soll. Diese Emigranten, die 1948 nach dem Bruch zwischen Stalin und Tito Jugoslawien verließen und nun im Ostblock eine gegen Tito gerichtete Kampagne entfachen — man spricht sogar von Waffenlieferungen in die entlegenen Gebiete Montenegros zur Unterstützung von jugoslawischen Widerstandsgruppen, die Tito stürzen sollen —, werden in Belgrad nicht unterschätzt. Sie macht man auch für die Verhärtung der schon seit Jahrzehnten schwelenden Mazedonienfrage verantwortlich, die immer neuen Konfliktstoff zwischen Jugoslawien und Bulgarien anhäuft. Wenn man sich in Belgrad von der Unterredung zwischen Bresdinjew und Tito auch nicht zuviel erwartet, so dringt doch ein gewisser Optimismus bei offiziellen Stellen durch, der paradoxerweise auf einer in Belgrad gar nicht so unwillkommenen Fehleinschätzung der Jugoslawen durch die Sowjets basiert: „Die Sowjets gehen von einer falschen Prämisse aus, denn sie meinen, der Großteil der Jugoslawen sei prosowjetisch eingestellt, was nicht einmal mehr für die Armee zutrifft.“

Auch die weiteren Schritte der jugoslawischen Außenpolitik, die im Herbst nicht mehr wie in den vergangenen Monaten, die von innenpolitischen Krisen gekennzeichnet waren, bloß reagieren, sondern wieder agieren soll, werden teilweise von den Konsultationen mit Breschn- jew abhängen. Es gilt als sicher, daß Tito im Herbst die USA und vielleicht auch Kanada besuchen wird, ob er auch nach Asien reist und dabei mit Chinas Vorsitzendem Mao zusammentrifft, „kann man wohl erst nach den Gesprächen des Staatspräsidenten mit Bresdinjew sagen“.

Viktor Willi, Rom, über die jüngste Teuerungskrise in Italien

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