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Hochseilakrobatik in Temesvar

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Schon nach Titos Rumänienbesuch im April 1966 folgte ein erstes Temesvär-Weekend mit Kollegen Ceausescu im Dezember 1966. Zur selben Zeit fand in Budapest der ungarische Parteikongreß statt, wo alle Parteiechefs Sowjeteuropas, mit Fahnenträger Breschnjew an der Spitze, erschienen waren. Sie berieten über Fragen, die mit der geplanten internationalen kommunistischen Konferenz zusammenhingen.

Wegen der Nahostkrise mußte das folgende Tito-Ceausescu-Meeting 1967 verschoben werden. Sie sahen sich wieder Anfang Jänner 1968 im jugoslawischen Jagdrevier zu Belje. Sie schössen keine Böcke, sondern vertieften sich in die heikle Problematik des kommenden Konsultativtreffens im Februar 1968 in Budapest. Um das internationale, gemeinsame Abschußprogramm auf einander abzustimmen, kamen aus Budapest auch Maurer und Nico-lescu-Mizil dorthin. Ceausescu absolvierte seine offizielle Visite Ende Mai des vorigen Jahres in Belgrad. Drei Tage nach dem Einmarsch in der CSSR trafen sich Tito und Ceausescu im jugoslawischen Banat im Städtchen Vrsac. Die Geschichte und ihre eifrigen Verwalter im Kreml lieferten etliche Apropos zu derartigen „Freundschaftsbesuchen“.

Diesmal kam die Initiative aus Bukarest. Jugoslawiens Ministerpräsident Spiljak konnte seinen Besuch in Budapest nicht mehr absagen, aber das störte gar nicht, da Tito selbst die außenpolitischen Zügel fest in der Hand hält. Die Führungslinie der jugoslawischen Außenpolitik steht für die kommenden Monate fest und davon werden wir voraussichtlich nach dem 1. März 1969 an-läßtlich des Kongresses der Liga der kommunistischen Jugend mehr erfahren. Wichtig ist, daß in vieler Hinsicht die Belgrader und die Bukarester Führung mit denselben internationalen Problemen konfrontiert sind. Im Mittelpunkt stehen zwei Hauptthemen: Die sowjetische osteuropäische Offensive zwecks beschleunigter Wirtschaftsintegration und die sowjetische These der beschränkten Souveränität. Bekanntlich haben Jugoslawien und Rumänien in den zwei Spitzenorganisationen COMECON und Warschauer Militärpakt nicht denselben Status. Was die Pläne des gemeinsamen südosteuropäischen Früh Jahrsmanövers anbelangt, sind sowohl die Jugoslawen als auch die Rumänen gleich hellhörig und reizbar. Daß sie ihre Zukunftsbewegungen zu koordinieren versuchten, ist anzunehmen. Auch die Märzkonferenz, die die Moskauer Mai-Weltgipfeldemonstra-tion vorbereiten soll, steht vor der Tür. Es war also ratsam, den rumänischen Standpunkt mit dem Belgrads rechtzeitig zu vergleichen.

Rumäniens Situation ist derzeit heikler. Es genügt, daran zu erinnern, daß der im vorigen Herbst abgelaufene 20jährige Sowjetisch-Rumänische Freundschaftsvertrag bis heute nicht erneuert wurde. Die Sowjets drängen auf eine baldige Klärung und Erledigung dieser offenen Frage. In allernächster Zukunft soll ein sowjetisch-rumänisches Treffen stattfinden. Dazu die Meinung des „guten Nachbarn“ aus Belgrad einzuholen, dürfte für Ceausescu interessant gewesen sein.

Was praktisch nach Temesvar zu erwarten ist? Koordinierte jugoslawisch-rumänische Aktionen in der UNO und auf Parteiebene sowie bei „progressiven Kräften“, die einer sowjetisch-inspi-rierten Integration gegenüber eine ablehnende Stellung einnehmen. Es gibt Zeichen dafür, daß Jugoslawien eine „Klärung der Ansichten mit Moskau“ anstreben wird. Es ist nicht ausgeschlossen, daß ein jugoslawisch-sowjetisches Regionalgipfeltreffen auf rumänischem Boden stattfinden werde. Ein Modellfall ist ja gegeben: Am 1. und 2. August 1957 versöhnten sich Chruschtschew und Tito in Rumänien. Es deutet nicht darauf hin, daß Tito in dieser Beziehung um eine rumänische Vermittlung gebeten hätte. Bemerkenswert ist dennoch ein Hinweis der „Borba“, in dem hervorgehoben wurde, daß große Anstrengungen zur Beruhigung der internationalen Lage unternommen wurden, unibeachtet der sich vermehrenden Streitpunkte, die die Weltkrise immer mehr vertiefen. Rumänien und Jugoslawien beschränken sich derzeit darauf, daß weitere Aggressionen und Interventionen gegen europäische Staaten unterbunden werden. Dabei hob Radio Zagreb kürzlich hervor, daß sowohl Rumänien als auch Jugoslawien die „Theorie der beschränkten Souveränität als unakzeptebel“ betrachten.

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