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Rollentausch zwischen Tito und Ceausescu

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Einen neuen Versuch zur Einflußnahme der blockfreien Staaten auf eine friedliche Lösung des Nahostkonfliktes wollen der jugoslawische und rumänische Staats- und Parteichef, Tito und Ceausescu, starten. Das ist eines der wesentlichsten Ergebnisse ihres Treffens im rumänischen Tumu Severin, aber auch der bescheidenste Nenner, auf den die beiden Staatschefs ihre weit auseinandergehenden Meinungen in dieser Frage bringen konnten. Bekanntlich forderte Nikolae Ceausescu aktiv die Annäherung zwischen Israel und Ägypten, Ministerpräsident Begin war bei ihm ein ebenso gern gesehener Gast, wie der ägyptische Staatschef Sadat.

Daß Anwar-as-Sadat erst Anfang November in der rumänischen Hauptstadt weilte, also nahezu unmittelbar vor seinem historischen Schritt nach Jerusalem, bestätigt die aktive Vermittlerrolle Bukarests. Im übrigen auch die Dankadressen Begins und Sadats an den rumänischen Staatschef, der «1s einziger Ostblockführer diplomatische Beziehungen zu Israel unterhält Josip Broz Tito dagegen brach die völkerrechtlichen Beziehungen Jugoslawiens 1976 während des Sechstagekrieges zu Israel ab und spielt seither die Karte der palästinensischen Befreiungsfront, was die jugoslawische Diplomatie zumindest in der Nahostfrage in die Spuren Moskaus treten läßt.

Der blockfreie Tito und das War- schauer-Pakt-Mitglied Ceausescu scheinen ihre Rollen zeitweilig oder auch geographisch vertauscht zu haben. Daß der jugoslawische Staatschef während einer Tischrede in Turnu Severin wohl mit Blick auf das Treffen radikaler Araberführer in Tripolis vor kriegerischen Abenteuern warnte und die Existenz Israels als unumstößliche Realität bezeichnete, deutet auf das Unbehagen Belgrads, das als blockfreier Staat kaum mehr die Möglichkeit einer direkten Vermittlerfunktion für sich in Anspruch nehmen kann. Ceausescu dagegen, der seine Bindungen zum „Lager“ gerne lockern und zu den Blockfreien enger knüpfen möchte, profitiert vom internationalen Ansehen Titos und sammelt Punkte. Beide Staats- und Parteichefs würdigten die Zusammenarbeit ihrer kommunistischen Parteien und im internationalen Kommunismus. Während der letzten zwei Jahre nahm die Kooperation sichtlich zu, offenbar im Gegenzug auf verstärkten sowjetischen Druck und zunehmende Einmischungsversuche. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, stellte Titos Wochenendbesuch bei Ceausescu die Abrundung seiner Kon- taktrunde mit sogenannten „Eurokommunisten“ und anderen kommunistischen Außenseitern dar, die mit seiner Chinareise im September begann.

Daß die kommunistischen Außenseiter Jugoslawien und Rumänien auf Unabhängigkeit Gleichberechtigung und ebenbürtige Entscheidungsfreiheit auch auf der Belgrader Folgekonferenz für europäische Sicherheit und Zusammenarbeit drängen, ist nur eine logische Konsequenz ihrer ideologischen „Weg von Moskau“-Parole. Beide Staatschefs würdigten die bisher auf der Belgrader KSZE erzielten Erfolge, trotz diverser Schwierigkeiten und sprachen sich für eine geduldige Fortsetzung des aufgenommenen Dialogs aus, um einen positiven Ausgang der Konferenz zu sichern.

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