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„Er steigt herab..

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Rumäniens Dichter haben einen neuen Helden gefunden: er heißt, wie könnte es anders sein, Nicolae Ceausescu. Im Gefolge der verheerenden Überschwemungskatastro-phe des Sommers wird das leuchtende Vorbild des Staats- und Parteichefs, der sich an den Brennpunkten der Katastrophe aufgehalten hat, allen Bürgern vor Augen gehalten. Zahllose Hymnen und Gedichte lobpreisen Ceausecu in einer Art, wie sie zuletzt nur römischen Imperatoren zuteil wurde. Und auch in manch anderer Beziehung drängt sich der Vergleich mit Byzanz zwingend auf.

Staunend erfuhr die Welt vor wenigen Wochen, anläßlich des Besuches Ceausecus in Lissabon, daß dem „Conducator“ das Staatsbesuchsdomizil, das frühere Schloß der portugiesischen Könige nämlich, recht minderwertig vorkam. Trotz dicker Teppiche mußten die zur Bedienung des Potentaten abgeordneten Kellner und Serviermädchen ihre Schuhe ausziehen. Denn das Klappern der Absätze störte den Staatsmann bei der Konzentration auf seine Arbeit. Ebenso exakte Vorschriften erließ Ceausescu in bezug auf die Jubelgarden, die portugiesische Genossen überall dort zu postieren hatten, wo der Führer gerade verweilte. Mehrere Tage vor dem Besuch wurden an Schulklassen rumänische Fahnen ausgegeben, wurden Lastwagen organisiert und wurde „heftiger Applaus“ geübt. Ceausescu überläßt nichts dem Zufall.

Erstmals wurde der Öffentlichkeit im Westen drastisch vorgeführt, wie ein kommunistischer Caudillo aufzutreten pflegt. Man kann sich an Hand dieses Beispieles leicht ausmalen, wie bombastisch Ceausescu in seinem eigenen Machtbereich den Personenkult ausgebaut hat.

Erfahrene Diplomaten in Bukarest haben für derlei Inszenierungen mittlerweile nur noch ein mattes

Lächeln übrig: „Geradezu unerträglich“ nannte es der Vertreter eines neutralen Landes. Ceausescu in allen Schaufenstern (an Stelle der knapp gewordenen Konsumgüter), Bücher des „Conducators“, Fahnen und Wimpel mit seinem Porträt, überdimensional an Straßenkreuzungen, sein Porträt im Kleinformat als Ansichtskarte.

Für jene, die Ceausescu persönlich kennen, ist der Kult um seine Person allerdings ein Rätsel. Denn der stets überanstrengte, sich mühsam artikulierende kleine Mann mit den fahrigen Handbewegungen kann weder äußerlich noch innerlich seine bäuerliche Herkunft verleugnen. Stets von Beratern umgeben und abgeschirmt, macht er auf Journalisten, denen er die Ehre des Interviews gibt, eher den Eindruck eines Mannes, der schriftliche Statements verliest, die offensichtlich nicht aus seiner Feder stammen. Anderseits gibt es aber keine Hinweise auf die Exi-

Stenz eines Ceausescu-Braintrusts, wenn man vom Familienclan absieht.

Das Präsidium, eine Art von Politbüro, dem früher geistig unabhängige Männer wie Maurer, Trofln und Niculescu-Mizil angehörten, verschwand von derfBildfläche. An seine Stelle trat im Vorjahr, nachdem Ceausescu auch Staatschef geworden war, das „permanente Büro“, dessen 15 Mitglieder von Ceausescu ernannt wurden.

Dieses „Büro“, ist nicht dem ZK verantwortlich, sondern dem „Exekutivkomitee“ (einer Institution, die erst von Ceausescu geschaffen wurde). Es besteht aus 23 Mitgliedern und 17 Kandidaten und ist leichter zu kontrollieren als das personell stärkere ZK. Als Staatspräsident kann Ceausescu auch jederzeit den Vorsitz im Ministerrat führen, was eigentlich seinem Schwager, dem Premierminister Manea Manescu, zustünde.

Manescu ist nicht der einzige Verwandte des „Conducators“, der im öffentlichen Leben Rumäniens eine Schlüsselstellung einnimmt. Sein Bruder Hie ist Professor an der Militärakademie, ein anderer Bruder, Ion, Stellvertretender Minister für Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie, ein dritter Bruder, Florea, Redakteur und „graue Eminenz“ des Parteizentralorgans „Scientieia“, ein vierter Bruder, Marin, arbeitet im diplomatischen Dienst und im Außenamt und ein fünfter Bruder, mit dem gleichen Vornamen übrigens, Nicolae IL, ist Chef der Volksmiliz in Bukarest.

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