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Undichte Stellen in östlicher Richtun

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Mit „beharrlicher Auffrischung“ des Apparats umschreibt Ceausescu eine Säuberung, mit der er dem Generationswechsel nachhelfen will. Gewisse Typen von Funktionären, denen der Parteichef Lobhudelei, Egoismus, Korruption („ungerechtfertigte Bereicherung“), moralische Kompromisse in Privatleben und Politik, ja sogar „bedenkenlose Preisgabe“ von Staats-, Partei- und Wirtschaftsgeheimnissen vorwirft — sie alle müssen jetzt um ihre Stühle zittern. Unwichtige Personen sind es allem Anschein nach nicht, da sie über innerste Vorgänge Rumäniens Bescheid wissen. Da nirgendwo im Ostblock, ausgenommen in Moskau und Peking, Interna vor westlichen Diplomaten und Journalisten so gut abgeschirmt werden wie in Bukarest, liegt der Schluß nahe, daß es undichte Stellen in östlicher Richtung gibt; Ceausescu deutet es an, wenn er davor warnt, anderen Parteien Informationen zu liefern, und wenn er die Einmischung dieser Parteien — ohne Namen zu nennen — als „Aktion zur Sprengung der Einheit“ verurteilt.

An diesem Punkt kreuzen sich innen- und außenpolitische Motive Ceausescus: „Keine Partei kann den Anspruch erheben, in der Arbeiterbewegung eine Sonderstellung einzunehmen und bestimmte Privilegien zu haben.“ Deshalb darf es kein internationales Koordinierungszentrum, keine Neuauflage der Komintern geben. Ihre eigene Linie auszuarbeiten, ist „unveräußerliches Attribut“ jeder Partei. Ceausescu praktiziert das allerdings viel vorsichtiger als etwa Tito. Nur mit einem Satz spricht er von konkreten Neuerungen: „Vergrößerung der Befugnisse und der Rolle des Betriebes.“ „Jede Einschränkung der Rolle der Partei, jede Beschränkung ihrer Funktionen, beispielsweise auf nur ideologische Aufgaben, wäre völlig unannehmbar..warnte die Moskauer „Prawda“ am 27. Februar vor den jugoslawischen Thesen, worauf der mazedonische Parteichef Crven-kowski, Jugoslawiens fortschrittlichster Kommunist, am 12. April in Nova Makedonija bemerkte: „Sogar heute noch ist es die herrschende Psychologie, daß der Erfolg einer regierenden Partei um so größer sei, desto sturer sie an alten Organisationsformen hängt... Für manche regierenden Parteien ist das zu einem religiösen Mythos geworden; sie sind unfähig, neu entstandene soziale Phänomene zu sehen, alte Ansichten, die zu Fetischen wurden, aufzugeben...“

So klar würde es Ceausescu weder sagen — noch sehen. Eher nationaler Ehrgeiz und pragmatischer Instinkt als ideologische Einsicht lassen ihn den jugoslawischen Weg einschlagen. Fast stalinistisch klingt sein Ruf „gegen jede Abweichung“. Neben der konservativen, dogmatischen und opportunistischen nennt er im Sündenkatalog die reformistische Tendenz, die bekämpft werden müsse. Doch kurz vorher revidiert er selbst, zwischen den Zeilen, das Klassenkampfschema, so daß er über die „widersprüchliche Vielschichtigkeit“ des Lebens philosophieren und dem

— der in Rumänien wie nirgends sonst in Osteuropa bisher stumm war — eine Hintertür öffnen kann. Dabei gelingt ihm das Kunststück, alles ideologisch so lupenrein zu verpak-ken, daß selbst die „Prawda“ schwerlich sich entrüsten kann.

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