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Modell Jugoslawien?

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Schmeckt das alles nicht nach jugoslawischen Vorbildern? Ceausescu und sein Technokratenteam taten letzte Woche alles, um diesen — dennoch nicht unbegründeten — Verdacht zu zerstreuen. „Geradezu unvorstellbar wäre die Entwicklung des Sozialismus ohne Planung, ohne Konzentration und einheitliche Steuerung...“, rief Ministerpräsident Maurer.

Den „Advokaten einer Liberalisierung“ las Niculescu-Mizil die Leviten: „Wir werden die Lösung der Probleme nicht den blinden Kräften des freien Marktes überlassen.“ Geschmeidig, elastisch, rentabel soll die Wirtschaft werden, aber zugleich soll die Rolle des Staates und der Partei „wachsen und ein qualitativ höheres Niveau erreichen“, wie sich Ceausescu ausdrückte, der sich gleich zu Beginn gegen westliche Kommentare abgesichert hatte, die Inhalt und Form des Sozialismus verwechselten.

Mit einem beachtlichen Aufwand an Dialektik versuchte Ceausescu beides plausibel zu machen: Zentrale Kontrolle und dezentralisierte Verantwortung. Es war zu spüren, daß ein Teil dieser Bemühung der echten Sorge entspringt, die Zügel könnten — so wie es gegenwärtig in Jugoslawien sichtbar ist — der Zentrale aus der Hand gleiten.

Der Druck der Comecon-Länder

Der Drang nach nationaler Selbständigkeit wie ihn Ceausescu versteht, läßt sich befriedigen, wenn man wirtschaftlich auf eigene Füße kommt; und dies wird nur möglich, wenn jener Drang von außen nicht gestört wird. Genau davon aber ist Rumänien ständig bedroht: Es war ein dramatischer Moment, als Ceausescu der Parteikonferenz zum erstenmal andeutete, daß es Anzeichen von wirtschaftlichem Druck der Comecon-Länder auf Rumänien gibt, daß „langfristige Verträge

manchmal nicht vollständig eingehalten werden“, daß sich politische Meinungsunterschiede auf die Wirtschaftsbeziehungen auswirken. Unter demonstrativem Beifall sagte der Parteichef: „Keine Form der Zusammenarbeit, die das Prinzip der unabhängigen Entwicklung jeder Volkswirtschaft verletzt, kann lebensfähig sein.“ Diese Absage an jede (östliche

oder westliche) Integration sei keine Abkapselung oder „nationalistische Einengung“, versicherte der Parteichef und verteidigte sich damit gegen Vorwürfe, die jüngst erst wieder sein ungarischer Kollege Kdddr erhoben hatte. Den Beweis dafür blieb Ceausescu freilich ebenso schuldig wie für seine Versicherung, Rumänien werde „unbeirrt“ für die Zusammenarbeit mit „allen“ sozialistischen Ländern und für die „Geschlossenheit der kommunistischen Weltbewegung“ kämpfen.

Ceausescu will mit dem eigenen Kopf denken — aber nicht durch die

Wand. Er will die Regeln der Freundschaft mit Moskau — wirtschaftlich und politisch — selbst bestimmen; aber auch die deutsche Frage, die ihn im Grunde kaum interessiert, dient dabei nur als Vehikel des eigenen nationalen Ehrgeizes. Zu diesem byzantinisch-gefärbten Stil gehört, daß man mehr — und manchmal ein bißchen anderes — tut, als man sagt. Die Bukarester Parteikonferenz und ihre Redner boten deshalb ein Bild, das einer Ikone glich: schön, flächig und unbewegt. Am Ende sangen sie alle die Internationale, natürlich rumänisch.

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