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Rumänischer Alptraum

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Nun fanden wieder sowjetische Manöver auf rumänischem Boden statt — ein volles Jahrzehnt hatte Bukarest das zu verhindern gewußt! —. und Ceausescu fuhr nach Prag, um den von ihm früher heftig kritisierten Husäk zu besuchen. Sind das Anzeichen dafür, daß Rumänien seine Sonderstellung im östlichen Bündnis aufgeben mußte?

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Nun fanden wieder sowjetische Manöver auf rumänischem Boden statt — ein volles Jahrzehnt hatte Bukarest das zu verhindern gewußt! —. und Ceausescu fuhr nach Prag, um den von ihm früher heftig kritisierten Husäk zu besuchen. Sind das Anzeichen dafür, daß Rumänien seine Sonderstellung im östlichen Bündnis aufgeben mußte?

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Eine oberflächliche Betrachtung könnte zu diesem Schluß führen. Aber eine genaue Analyse der internationalen Aktivität Rumäniens und besonders der letzten großen Rede Ceausescus vor dem Plenum des Zentralkomitees der Rumänischen Kommunistischen Partei läßt erkennen, daß die Rumänen ihren eigenständigen Kurs keineswegs aufzugeben gesonnen sind, daß sie vielmehr danach streben, ihre außenpolitische Tätigkeit auszuweiten. Und in der Reihe der seit langem bekannten Formulierungen und Forderungen erkennt man neue Akzente, die auf eine behutsame Umorientierung hindeuten.

Allein die Tatsache, daß Ceausescu die Fragen der Außenpolitik auf die Tagesordnung des Plenums des ZK setzte, unterstreicht die Wichtigkeit, die er ihnen beimißt — und mehr noch: sie verrät seine Absicht, die Verantwortung für die neuen Elemente seiner Politik durch das zustimmende Votum der Mitglieder auf viele Schultern zu verteilen.

Die neuen Ansätze gehen auf eine geänderte Einschätzung der internationalen Lage zurück. Kein rechtgläubiger Marxist-Leninist zweifelt nach dem Abzug der Amerikaner aus Vietnam daran, daß nunmehr ganz

Indochina tiefrot werden wird, und das günstige Abschneiden der sozialistischen Parteien in verschiedenen Staaten Europas, allen voran in der Bundesrepublik, wird als weiteres ermutigende Signal gewertet. Eine Schwächung des eigenen Lagers halten Kommunisten in absehbarer ^eit nicht für möglich.

Was aber den Kommunisten Ceausescu ermutigt, beunruhigt den Rumänen Ceausescu. Es zeigt sich, daß jede Regierung unter dem Zwang der geopolitischen und nationalen Verhältnisse steht, denen sie unbeschadet ihrer ideologischen Ausrichtung gerecht werden muß. Die Roten Zaren schicken sich an, die imperialistischen Projekte ihrer gekrönten Vorgänger zu realisieren, die Rumänen aber zittern, so wie einst, um ihre Unabhängigkeit und kommen über die Tatsache nicht hinweg, daß sie bei Kriegsende an ihren östlichen Grenzen bedeutende territoriale Verluste hinnehmen mußten, so etwa die ganze fruchtbare Provinz Bessara-bien. Kein Wunder, daß die geographische Lage am Rande der sowjetrussischen Landmasse einen immerwährenden Alpdruck bewirkt.

Auf Grund dieser Voraussetzungen sucht man in Ceausescus Ausführungen vergeblich nach den bisher üb-

Aggression oder jedem bewaffneten Angriff seitens anderer Staaten, entwickeln kann.“ Er wiederholt die Aufforderung zur Zusammenarbeit aller kleinen und mittleren Nationen zum Schutz ihrer Interessen gegenüber der gewaltigen Macht der Weltstaaten, die der rumänische Vertreter in Helsinki schon vor Monaten vorbrachte.

Ceausescu spielt auf diese Weise der westlichen Diplomatie einen Ball zu. Die neue Taktik der rumänischen Außenpolitik dürfte darin bestehen, an die Adresse des Westens gerichtete Forderungen der Sowjets kräftig zu unterstützen, aber um den Preis, den der Kreml für die Erfüllung dieser Wünsche zahlen muß. Das anvisierte Zusammenwirken mit außerhalb des östlichen Bündnisses stehenden Ländern bietet die Chance, den Ostblock aufzulockern, nicht ideologisch, aber politisch, im Zeichen der Gleichberechtigung und Unabhängigkeit der Nationen. Wird diese Gelegenheit genutzt werden?

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