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Rumamsche Asientour

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Eine rumänische Partei- und Regierungsdelegation, an der Spitze Nicolae Ceausescu und Ministerpräsident Ion Gheorghe Maurer, war im Juni auf Besuchsreise in den sozialistischen Republiken Asiens. Das Zusammentreffen kommunistischer Potentaten muß nicht immer als bedeutsames Ereignis gewertet werden. In diesem Fall darf man nicht übersehen, daß Ceausescu und Maurer eine besondere Stellung einnehmen. Sie beherrschen nicht nur den Staats- und Parteiapparat, sondern werden auch von der Gunst ihres Volkes getragen. Kein Zweifel, daß diese beiden Politiker es auf eine wirklich freie Wahl ankommen lassen könnten.

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Eine rumänische Partei- und Regierungsdelegation, an der Spitze Nicolae Ceausescu und Ministerpräsident Ion Gheorghe Maurer, war im Juni auf Besuchsreise in den sozialistischen Republiken Asiens. Das Zusammentreffen kommunistischer Potentaten muß nicht immer als bedeutsames Ereignis gewertet werden. In diesem Fall darf man nicht übersehen, daß Ceausescu und Maurer eine besondere Stellung einnehmen. Sie beherrschen nicht nur den Staats- und Parteiapparat, sondern werden auch von der Gunst ihres Volkes getragen. Kein Zweifel, daß diese beiden Politiker es auf eine wirklich freie Wahl ankommen lassen könnten.

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Woher diese Popularität? Haben sich die Rumänen zum Kommunismus bekehrt? In den fünfzehn Jahren seit dem Aufstand in Ungarn haben sie eingesehen, daß es auch für sie keine Alternative zum Kommunismus gibt. Sie nehmen dies als Schicksal hin. Daher können ihre politischen Führer auch nichts anderes als Kommunisten sein.

Ceausescu und Maurer aber sind Kenner der rumänischen Seele. Dieses Volk wird, historisch bedingt, von einem tiefen Verlangen nach Unabhängigkeit, Selbständigkeit und Anerkennung bestimmt. Nach jahrhundertelanger türkischer Unterdrückung und dann russischer Bevormundung in den östlichen und madjarischer Herrschaft in den westlichen Teilen des rumänischen Siedlungsgebietes glaubten die Rumänen nach dem ersten Weltkrieg, endlich am Ziel ihrer Wünsche zu sein. Aber die rasch wachsende Hegemonie der Deutschen machte das Erreichte zunichte, und die Ereignisse nach dem letzten Krieg ließen alle Hoffnungen wieder in weite Ferne rücken.

Dieses Sehnen verstanden die beiden rumänischen Spitzenpolitiker und sie brachten das Kunststück fertig, ihrer Partei im Ostblock ein hohes Maß an Selbständigkeit zu verschaffen. Auf dem internationalen Plan entwickeln sie eine Tätigkeit, die ihrem Land Ansehen und Geltung sichert.

Die kürzlich beendete Reise markiert einen neuen Erfolg auf diesem Wege. Das Kommunique über die Sitzung des Exekutivkomitees, in der dieses den Reisebericht zustimmend zur Kenntnis nahm, ist ebenso interessant durch das, was drinnen steht, wie durch das, was nicht berührt wird.

Es ist von freundschaftlichen Gesprächen der Delegation mit den Staats- und Parteiführern Rotchinas, Nordkoreas, Nordvietnams und der Mongolischen Volksrepublik die Rede, vom Zusammentreffen mit den breiten Massen der Arbeiter und von der Begegnung mit den „Führern des kambodschanischen Volkes“. Es wird hervorgehoben, die Ergebnisse der Zusammenkünfte entsprächen voll und ganz den Interessen der betroffenen Völker und seien auf das Ziel einer kontinuierlichen Weiterentwicklung und Entfaltung des Sozialismus in jedem einzelnen jener Länder ausgerichtet gewesen. Es wird der Hoffnung Ausdruck gegeben, die Besuchsreise habe einen Beitrag zur allgemeinen Sache des Sozialismus und zum Abbau vorhandener Divergenzen geliefert (was sich auf die Rivalität zwischen Moskau und Peking bezieht), aber auch beigetragen zur Einheit aller antiimperialistischen Kräfte (ein Appell, der sehr verschieden interpretiert werden kann).

Was nicht im Kommuniąuė steht: Ob einer kommunistischen Partei die „Führung im sozialistischen Lager“ zukommt oder bis zu welcher Grenze man sich Einmischung in die eigenen Angelegenheiten gefallen lassen muß. Darüber ist gewiß auch gesprochen worden. Immerhin gibt das Kommunique auch darüber spärliche Aufschlüsse; nimmt man die Kommentare der rumänischen Presse hinzu, rundet sich das Bild.

Im riesigen kommunistischen Machtbereich zwischen Eger und Japanischem Meer gibt es nirgendwo eine ideologische Auflockerung. Kein Geringerer als J. F. Dulles vertrat die Auffassung, nach einigen Jahrzehnten werde der Kommunismus sich abschleifen und an Härte und Schärfe verlieren. Dulles irrte. Man beobachtet heute eher, daß Gruppen in der westlichen Hemisphäre die Vorzüge und Grundsätze ihrer freien Lebensordnung nicht mehr verstehen oder würdigen wollen.

Die rumänische Politik strebt konsequent die Anerkennung des Grundsatzes an, die Beziehungen der sozialistischen Parteien und Staaten sollten auf die Basis der Gleichberechtigung, Unabhängigkeit, Souveränität, Nichteinmischung, freundschaftlichen Zusammenarbeit und uneigennützigen gegenseitigen Hilfe gestellt werden. Wenn auch völlig klar ist, daß dies den Rumänen selbst helfen soll, einen möglichst hohen Grad an Unabhängigkeit zu bewahren, stellt es zugleich ein Programm dar, das für zahlreiche andere Bruderparteien interessant ist. Sicher ist indes, daß diese Bestrebungen keine Aufspaltung des kommunistischen Machtbereichs zum Ziel haben.

Dies ist zugleich die Antwort auf die Frage, wieso Moskau eine solche Aktivität der Rumänen duldet. Es 1st auffällig, daß in dem Kommunique die Sowjetunion mit keinem Wort erwähnt wird. Ebenso wenig fand es die rumänische Presse für nötig, sie in ihre Betrachtungen einzubeziehen. Offenbar haben die Rumänen im Laufe der letzten Jahre gelernt, daß sie sich einiges herausnehmen können, aber sie wissen auch, welchen Fehler sie nicht begehen dürfen: dem Beispiel der Ungarn und Tschechen zu folgen und die kommunistische Linie zu verlassen. Aus dieser Erkenntnis ziehen sie die Konsequenz. Weil die Sowjets das wissen, schweigen sie — und begnügen sich mit ihrer faktischen Macht.

Die rumänischen Führer zielen auf den Abbau der Gegensätze und Animositäten zwischen Moskau und Peking. Wenn mit einer baldigen spektakulären Verbrüderung auch nicht zu rechnen ist, dürfte doch feststehen, daß diesen Bemühungen mehr Erfolg beschieden sein wird als allen vom Westen unternommenen Versuchen, zwischen die beiden kommunistischen Riesen einen Keil zu treiben.

In allen kommunistischen Staaten wird immer wieder gelehrt, der Feind stehe rechts, die aggressive Politik der imperialistischen Mächte müsse bekämpft werden, die Imperialisten bereiteten einen neuen Weltkrieg vor, der allein durch die Aktionen der eng geeinten sozialistischen Länder verhindert werden könne. Welle auf Welle solcher Propaganda brandet über die Völker, es sind weit über eine Milliarde Menschen, die davon berührt werden. Der Gedanke, welche Auswirkungen diese Massenbeeinflussung eines Tages haben kann, weckt keine guten Gefühle.

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