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Anders als Dubček

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Ende November ging der XI. Parteitag der Rumänischen Kommunistischen Partei in Bukarest über die Bühne. Die Regie klappte vorzüglich. Die 2450 Delegierten billigten „einmütig das Programm der Rumänischen Kommunistischen Partei für die Schaffung der vielseitig entwik- kelten sozialistischen Gesellschaft und das Voranschreiten Rumäniens zum Kommunismus“, das ihnen vorgelegt wurde, sowie „die Direktiven zum Fünf jahresplan 1976 bis 1980, dem Fünfjahresplan der vollen Durchführung der technisch-wissenschaftlichen Revolution, und die Leitlinien der ökonomisch-sozialen Entwicklung Rumäniens in der Zeitspanne 1981 bis 1990“, bestätigten Ceausescu iq seinem Amt als Generalsekretär der RKP und gaben ihre Zustimmung zur verstärkten Machtkonzentration in seiner Hand. Ceausescu beherrschte die Szene uneingeschränkt. Man spendete ihm reichlich Beifall und feierte ihn mit dröhnenden Sprechchören.

Die Schlußresolution, ein erdrük- kender Wortschwall, verrät deutlich, daß Ceausescu sich mit seiner eigenwilligen Politik, bei der Ausformung eines besonderen Weges zum Kommunismus mit stark nationalem Kolorit, durchgesetzt hat. Der Parteitag stellte sich hinter alle von ihm unternommenen Initiativen und machte Ceausescus Ideen zu seinem Programm.

Im Hinblick auf die für nächsten Juni in Ostberlin geplante KP- Gipfelkonferenz erklären die Rumänen, daß diese nur dann einen Sinn habe, wenn sie „sich in demokratischem Geist entfaltet, die völlige Gleichheit aller Parteien sichert, nicht danach strebt, verpflichtende Dokumente auszuarbeiten, andere Parteien nicht zur Diskussion stellt, kritisiert oder bloßstellt.“ Das heißt: es muß von Anbeginn feststehen, daß weder China noch Jugoslawien diskriminiert werden; und natürlich auch Rumänien nicht.

Wenn man im Kreml über die solcherart umrissene Einstellung der rumänischen KP sicherlich verärgert ist — die „Prawda“ hat sie in ihrer Berichterstattung über den Parteitag ignoriert — so besteht wohl kein Zweifel daran, daß besonders Breschnjew die Passagen der Resolution, die auf die Entspannung und die Sicherheitskonferenz Bezug nehmen, mit Genugtuung zur Kenntnis nahm. Die Rumänen versprechen, „weiterhin auf das konsequenteste für die Förderung des neuen Entspannungskurses im internationalen Leben zu wirken“ und ihren „ganzen Beitrag zum erfolgreichen Abschluß der gesamteuropäischen Konferenz, einschließlich der Gipfelkonferenz, zu leisten“. Aber auch am Schluß dieses Abschnittes kehrt wie ein Refrain die Mahnung wieder, das Ergebnis der Konferenz müsse in vollen Garantien gegen jede Aggression oder Einmischung in die Angelegenheiten irgendeines Staates bestehen. Man erkennt, diese Sorfee vor einer Intervention durchzieht das gesamte außenpolitische Konzept Rumäniens. Sie ist der Alpdruck dieses Volkes und seiner Regierung.

Vor diesem Hintergrund erhält das sensationelle Spektakel um eine eventuelle Wahl Ceausescus zum Generalsekretär auf Lebenszeit am Beginn des Parteitages eine ernste Note. Es war ohne Zweifel alles inszeniert, der von der Bukarester Parteiorganisation gestellte Antrag, die jubelnde Zustimmung der Delegierten und schließlich die Ablehnung dieser Ehrung durch den Gefeierten, der erklärte, er wolle nichts anderes als dem Staate und der Nation dienen. Und doch geht man fehl, wenn man meint, es habe sich um eine Komödie und sonst nichts gehandelt.

Ceausescu verfolgte mehrere Zwecke. Zunächst wollte er seine Popularität steigern. Die Ablehnung in Bescheidenheit war dazu bestimmt, auf Menschen mit schlichter Gemütsart zu wirken. Wenn die Medien der Bevölkerung den Verzichtsakt in geeigneter Weise vermitteln, woran kaum zu zweifeln ist, dürfte Ceausescus Rechnung aufgehen.

Zweitens aber wollte der KP-Chef Rumäniens den Kremlherren demonstrieren, wenn er nur wolle, so könne er eine noch viel selbstherrlichere Stellung erringen und noch viel mehr auftrumpfen. Denn genau so, wie diese Szene abgespielt wurde, hätte auch ein Stück mit anderem Ausgang einstudiert werden können.

Drittens war es Ceausescus Absicht, zu zeigen, daß ihm das Feingefühl dafür, wie weit er gehen kann, ohne sich tödlicher Gefahr auszusetzen, nicht abhanden gekommen ist. Bei seinem Alleingang in den neun Jahren seit dem IX. Parteitag im Juli 1965 verstand er es immer, genau abzuwägen, was er den Sowjetführern gerade noch zumuten konnte. Einem Dubček wurden seine liberalisierenden Tendenzen zum Verhängnis, und Tito ließ es zum offenen Bruch mit Moskau kommen. Ceausescu zeigt, daß er weiß, wo die Grenzen seiner Möglichkeiten liegen.

So ergibt sich als Folge des XI. Parteitages der RKP eine weitere Festigung der Stellung ihre Generalsekretärs sowie restlose Klarheit darüber, daß Ceausescus Kurs zugleich der seiner Partei ist.

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