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Playboy der Ceausescu-Dynastie

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Wie schnell und leicht Geld korrumpiert, zeigt das Beispiel der „Ceausescu-Dynastie“. Die Seele wäre ja stark, aber der Körper ist schwach, die ideologische Farbenübermalung unbeachtet Rumäniens Staats- und KP-Boß ist in seinem 52. Lebensjahr und stammt aus dem altrumänischen Regat. Sein Vater war ein Dorfflickschuster. Man kann sich leicht vorstellen, daß im Königreich Rumänien dem jungen Nicolae nicht viel Luxus zuteil wurde. Er fühlte sich mit Recht deklassiert, hinterstellt, erniedrigt, kein Wunder, daß er ganz jung bei der KP landete. Ceausescu wurde zum überlauten Verfechter der „klassenlosen Gesellschaft“. Heute führt er mit seiner Familie ein klassenloses Leben, das weit über dem internationalen Millionärsniveau herausragt.

Die Calea Lacuriror war im Norden der rumänischen Hauptstadt schon immer ein vornehmes Wohnviertel. Auf dem rumänischen und billigen Weg der „Sozialisierung“ erwarb dort Ceausescu die schönste Kapitalistenvilla mit 17 Zimmern, wo er in einer Weltabgeschiedenheit — ein Zug von Milizisten mit Maschinenpistolen bewacht ihn ständig — seine freien Stunden im Familien-und Freundeskreis verbringt Ceausescu ist ein leidenschaftlicher Schwimmer, deswegen ließ er einen amerikanischen Swimming-pool mit Heißwasser errichten. Ein gewöhnliches Schwimmbasin blieb ihm schon vom früheren Besitzer. Auch für das Meer hat Ceausescu eine nicht alltägliche Schwäche. Er besitzt eine Villa in Mangalia auf dem schönsten Küstenstreifen des Schwarzen Meeres. Mit seinen Kindern hat Ceausescu dieselbe unproletarische Erfahrung gemacht wie der pensionierte „kleine Stalin“ der tschechoslowakischen Volksrepublik, Novotny, und Marschall Tito, deren Söhne für schnelle westliche Sportautomobile, schöne Strip-tease-Tänzerinnen und Dollars unvergleichlich mehr übrig haben als für Lenins und Stalins gesammelte Werke.

Im Bukarester Einfamilienhaus Ceausescus lebt mit Vater und Mutter der 18jährige kleine Sohn, der in dem laufenden Schuljahr die große Matura machen muß. Sein Spezialgebiet sind Rennwagen und Whiskyflaschen. Für die Politik hat der Junge kein Interesse. Seine anderen zwei Leidenschaften brachten ihn einmal schon (nach einem schweren Autounglück) in ein Sanatorium, wo

sein Zusammenflicken volle zwei Monate in Anspruch nahm. Frau Ceausescu ist ein Gemäldenarr und -sammler, was aus dem heutigen Salär des Parteichefs zu bestreiten ist. Wieviel er derzeit tatsächlich verdient, weiß man wahrscheinlich nicht einmal im Kreml genau. Der Stolz der Familie jedoch Ist Valentin. Der „rote Infant“, wie böse Zungen in Bukarest ihn nennen, ist im 23. Lebensjahr und ist Hochschüler in London. Daß er „langhaarig“ und blumenbunt maskiert ist, wissen die rumänischen Werktätigen kaum. Auch seine Rechnungen in Nachtlokalen, bei Schneidern und Autosalons — seine Lieblingsmarke heißt „Triumph-Extraklasse“ — wäre für den nicht gerade armen Parteiführer noch zu verkraften. Auch darüber kann man zu Hause mit proletarischer Genugtuung schmunzeln, daß der „Infant“ unter anderen der Tochter des rumänischen Exkönigs Michael den Hof macht. Die Jugend soll sich amüsieren! Warum sollte der Erstgeborene der Dynastie das nicht haben, was dem Schustersohn versagt blieb?! Im übrigen soll sich so ein Exkönig freuen, daß der Sohn des jetzigen Herrschers sich für die Prinzessin interessiert. Was Vater Ceausescu viel mehr Sorge macht, ist, daß der „Infant“ in politischen Sachen „infantil“ ist, kurzum: nicht nur kein Interesse für die Partei seines Vaters bekundet, sondern sogar ganz anderen politischen Ansichten seine Sympathie schenkt, die alles andere als „volksdemokratisch“ sind. Im Sommer 1968 kreuzte er in der Heimat mit einer Schar von auffallenden englischen Playboys auf, die mit ihrem Konsum sogar an der französischen Riviera Aufsehen erregt hätten. Die ansehnlichen Rechnungen mußten natürlich vom Vater beglichen werden, der auch dafür sorgte, daß die Inlandspresse keine Notiz von der Visite des Ceausescu junior und seiner britischen Snobs nahm.

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