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Ceausescus doppelter Kopf

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Schon manche Kurve hatten sie genommen, ohne ins Schleudern zu geraten — die über tausend Delegierten der rumänischen Kommunistischen Partei, die sich letzte Woche Im hochmodernen, samtverkleideten, ans einstige königliche Palais ange-

bauten Kongreßsaal von Bukarest versammelt hatten. Man sah förmlich, wie diese Landesparteikonferenz den Atem anhielt und auf den kählhäup-tigen, fast 60jährigen Chivu Stoica starrte, einen der ältesten Kämpfer der Partei und engsten Freund des verstorbenen Parteichefs Gheorghiu Dej, der nun — ohne auch nur die Stimme zu heben — resignierte: Sein Amt als Staatsoberhaupt möge künftig der Parteichef Ceausescu zusätzlich bekleiden, denn es sei notwendig, „den Parallelismus, der zwischen der Tätigkeit des Staatsrates und des höchsten Parteiorgans besteht, zu beseitigen“.

Gleich darauf erschien auch schon einer von Ceausescus jungen Männern, der eine Woche vorher ins Exekutivkomitee beförderte Virgil Florin, auf der Tribüne und empfahl, aus dem erst zwei Jahre alten Parteistatut jenen Artikel 13 wieder zu streichen, der eben solche Ämterhäufung untersagte. • Ceausescu polemisierte in seiner fünfstündigen Rede zu Beginn der Parteikonferenz gegen das „Prinzip der Ein-Mann-Leitung“; das Leben beweise, daß ein „einziger Mensch, so sachkundig er auch sei“ nicht alles allein tun könne. In seiner Schlußansprache beteuerte der Parteichef, daß er sein zusätzliches Amt im Sinne des „Prinzips der kollektiven Arbeit“ führen und „jeden Genossen aus der Staats- und Parteiführung“ am Regieren beteiligen werde. Es lassen sich auch formale Gründe — etwa der kommende

De-GaoÄe-Besuch — nennen, um den Parteichef, der schon in letzter Zeit viele westliche Besucher Rumäniens empfing und dadurch protokollarische Probleme hatte, jetzt mit dem höchsten Staatsamt auszustatten. Aber die Tendenz zur Erweite-

rung der persönlichen Macht ist doch unübersehbar. Noch dazu, wenn man die Änderungen betrachtet, die Ceausescu gleichzeitig im Führungsapparat vornahm.

Ceausescus Hauptziel scheint zu sein: ein starkes, national unabhängiges Rumänien. Voraussetzung dazu ist das Wachstum der Wirtschaft, und dazu mobilisiert er nun ganz pragmatisch Personen und Ideen, wobei nicht ihre Herkunft, nur ihr Nutzen und ihre Anpassungsfähigkeit an den machtbewußten Staatschef entscheidend sind.

Das neue Programm

Von dieser Einstellung ist auch das Programm des Wirtschafts- und Verwaltungsumbaus geprägt, das Ceausescu von der Parteikonferenz einstimmig und unverändert billigen ließ: Bildung selbständigerer Industriezentralen (Trusts) nicht mehr unter Ein-Mann-Leitung, sondern unter einem Direktorium; selbständigere Betriebe, deren „kollektive“ Leitung auch einer „Generalversammlung der Lohnempfänger“ rechenschaftspflichtig sein soll; Auflösung der meisten Wirtschaftsab-teiluingen des Zentralkomitees, Investitionsfinanzierung durch neu zu schaffende Banken. Aufwertung der Nationalversammlung, die nicht nur wie bisher Dekrete billigen, sondern Gesetze erarbeiten soll; Parteiversammlungen nur noch alle drei Monate statt jeden Monat; Einführung des „Prinzips der ökonomischen Selbstverwaltung“.

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