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Die Titoisten von Bukarest

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Um eine Hoffnung ärmer und um eine Erkenntnis reicher ist der sowjetische Parteichef Breschnew aus Bukarest nach Moskau zurückgekehrt. Sein sorgsam eingefädelter Versuch, das beschädigte Führungsprestige Moskaus wenigstens im europäischen Kommunismus wieder zu reparieren, ist schon im Vorstadium gescheitert. Es war der Plan, die gemeinsame Abneigung gegen die chinesische Ketzerei zum Bindemittel einer neuen Kommunistischen Internationale zu machen und diese organisatorisch aus dem Warschauer Militärpaktsystem entstehen zu lassen. In Bukarest, wo dieses Unternehmen anläßlich einer Tagung der Warschauer-Pakt-Staaten gestartet werden sollte, ist nun der Plan — schon Wochen vorher — zunichte gemacht worden.

In der richtigen Erkenntnis, daß Rumänien mit seiner betont nationalen und im Streit mit Peking neutralen Haltung das schwächste Glied in der Kette neuer Bindungen sein werde, setzte die sowjetische Führung ihre Bemühungen in Bukarest an. Beim sowjetischen Parteitag (Ende März) besorgte sich Breschnew eine Einladung der Rumänen in die rumänische Hauptstadt für den 10. Mai zu halboffiziellen Gesprächen „von Genosse zu Genosse”. Er ahnte freilich nicht, daß der wendige Parteichef Nicolae Ceausescu drei Tage vorher den 45. Gründungstag der rumänischen KP benutzen werde, um den sowjetischen Plänen eine Absage zu erteilen — und so hart, so deutlich das Credo eines

„Nationalkommunismus” formulierte, Wie es nicht einmal sein Vorgänger Gheorghiu-Dej gewagt hatte. Seit Titos Rebellion gegen das Kom- inform hat — mit Ausnahme der Chinesen und ihrer Anhänger — niemand eine solche Sprache mit Moskau gesprochen.

Militärblocks „einiger Staaten”

Das Recht jeder Partei, ihre politische Linie selbst zu bestimmen,

„kann nicht den Gegenstand eines Streitgespräches bilden”, rief Ceausescu. „Die große Vielfalt der Sachlagen schließt die Möglichkeit der Leitung durch ein internationales Zentrum aus.” Und schließlich kam der Satz, der dazu führte, daß nun die rumänischen Diplomaten in Moskau, Ost-Berlin, Warschau und Budapest mit Fragen bestürmt werden, wie das gemeint sei: „Eine der Hürden der Zusammenarbeit zwischen den Völkern bilden die Militärblocks, das Bestehen von Militärstützpunkten und die Stationierung der Streitkräfte einiger Staaten auf den Territorien anderer Staaten.”

Mit keiner Silbe deutete Ceausescu darauf hin, daß etwa diese „einigen Staaten” nur im Westen zu suchen seien. Wollte der rumänische KP- Chef das Zeichen zum Aufbruch für einen östlichen „Gaullismus” geben? In der Regie von Marxisten kann das immer nur in die „titoistische” Richtung führen. Auch daraus machte Ceausescu kein Hehl, wenn er in seiner Rede die Geschichte seiner eigenen Partei von den bisherigen Einheitsklischees säuberte und dabei Tabus zerstörte, die in anderen kommunistischen Parteien sorgsam gehütet sind. Ceausescu warf der Moskauer Komintern in den zwanziger und dreißiger Jahren „negative Praktiken, Einmischung, falsche Direktiven und Fehleinschätzungen” vor; und seinen eigenen Vorgängern „mechanische Übernahme von im Ausland ausgearbeiteten Thesen”. 1931 sei die rumänische KP angewie-

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