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An den Rand geshrieben

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WASSER IN DEN JUNGEN WEIN. Die Parlamentsdebatte über die Regierungserklärung des Kabinetts Gorbach stellte — nicht immer in den sympathischesten Formen— klar, was mancher unter dem Eindruck der alleinigen Initiative der ersten Regierungspartei vielleicht in den letzten Wochen vergessen hatte: Die Koalition zweier in sehr grundlegenden Fragen verschieden gesinnter Partner bestimmt weiter die österreichische Wirklichkeit. Die gegensätzlichen Auffassungen über Wirtschaftskonzepte und Finanzgebarung — vom Vizekanzler in einer Pressekonferenz und einer Rundfunkrede, vom Gewerk- schaffspräsidenfen in seiner palamen- larischen Debaftenrede unmißverständlich klargestellt — werden auch das neue Kabinett nötigen, eine Mittellinie zu suchen. Aber es ist trotz manches unnötig scharfen und auch unsachlichen Wortes, das im Parlament gleich in der ersten Stunde zwischen den altneuen Koalitionspartnern gewechselt wurde, zu hoffen, daß die Schüfzengrabensfellung der letzten Monate, die praktisch jede konstruktive Politik lahmlegfe, verlassen wird und daß die vor beiden gemeinsam liegende Aufgabe der Ordnung in den Staqtsfinanzen eine gewisse Zusammenarbeit, das Ziehen an einem Strick gebieterisch erzwingt. Daß es nicht ohne Opfer bei allen Beteiligten abgehen wird, läßt sich voraussagen. Aber daß die grundsätzliche Politisierung jeder Ausgabe— von der Rundfunkgebühr bis zur Bewegungsfreiheit — zumindest bis zum nächsten Wahlkampf gedämpft werden könnte, ist ein Wunsch, der wohl nicht allzu unbescheiden und unrealistisch anmuten dürfte.

SÄULE… NICHT ANHÄNGSEL DER VOLKSPARTEi. Mit gutem Grund wählte der Bundesobmann des Österreichischen Arbeiter- und Angestellfenbundes und 3. Präsident des Natio- nalrafes, Dr. Maleta, das Forum des Akademikerbundes für eine wichtige Klarstellung. Es ging um seine nicht nur mißverstandene sondern von gewissen rechtsstehenden Organen auch absichtlich mißdeutete Ausführung über die Verstaaflichungsfrage. Es gelang ihm, mit sicheren Argumenten gerade diesem Publikum klar zu machen, worauf es ihm angekommen war: Die Garantie der heute bestehenden Versfaaflichungskonzepte und ihrer sicheren Aktienmajoritäten gegenüber den Sozialisten gibt der Volkspartei ja überhaupt erst die Möglichkeit, mit ihren Plänen der Eigen- fumsstreuung durch Volksaktien frei und glaubwürdig operieren zu können. Eine gewisse bürgerliche Presse unterschlug den zweiten Teil der Konzeption Molėtas und kreidete ihm den aus dem Zusammenhang gerissenen ersten als Kotau vor dem Sozialismus an. Der seif einem Jahr amtierende Obmann des zahlenmäßig stärksten Bundes der OVP (an echten Mitgliedschaften), dem die vorderste Linie des politischen Kampfes anvertraut ist, sieht in dem an den Grundsätzen der christlichen Snziallehre orientierten „Wiener Programm" seiner Organisation, die bereits in den letzten Kriegslagen noch vor der Gesamtpartei bestand, eine ausreichende Grundlage für praktisches gesellschaftliches Handeln. Aber er war lang genug Generalsekretär der Gesamtpartei, um nicht dieses Handeln auf die Gesamtinferessen hin zu orientieren. Eine Warnung des erfahrenen Sozialpolitikers blieb den Zuhörern freilich im Ohr haften: Auf die Dauer kann der ÖAAB nur echte und dauerhafte Erfolge für die ÖVP erringen, wenn er glaubwürdig bleibt. Und glaubwürdig muß vor allem seine Grundthese vertreten werden: Daß das gesellschaftliche, also den ganzen Menschen im Auge habende Konzept den noch so richtigen und wichtigen Gesetzen der Wirtschaft und des Marktes vorgeordnet ist.

DIE ELEKTRIFIZIERUNG DER BUNDESBAHN. Rund 103 Kilometer Bahnstrecke zwischen St. Veit a. d. Glan und Knittelfeld stehen derzeit für die Elektrifizierung in Arbeit. Die Haupfsorgen bei diesen Arbeiten sind die Finanzen. Schon im Jahre 1959, als man das Projekt in Angriff nahm, wurden zunächst nur gekürzte Beträge bereifgestellt. Erst die im Sommer 1959 freigegebenen Zusatzkredite gestatteten, die Materialbestellungen in planmäßigem Umfang durchzuführen. Aber die Arbeiten auf der Strecke konnten wegen Mangel an Arbeitskräften erst im Spätherbst anlaufen und kamen, da im Budget 1960 nur ein Erinnerungsposten von 1000 Schilling für die Elektrifizierung vorgesehen war, im Frühjahr 1960 wieder völlig zum Stillstand. Schließlich wurde aber dann doch das Geld bereitgestellt, aber die Zeitverluste ließen sich nicht mehr ganz aufholen, und die zum Fahrplanwechsel im Mai dieses Jahres geplante Betriebsaufnahme mußte auf den Herbst verschoben werden. Dann wird es aber möglich sein, die Fahrzeit zwischen Wien und Villach um rund dreißig Minuten zu verkürzen. Gleichzeitig mit diesen Arbeiten fällt der Bahnhof Bruck a. d. Mur der Spitzhacke zum Opfer. Die Sfations- und Gleisanlagen werden wesentlich verbessert, und bereits 1964 soll der Bahnhof dem Verkehr übergeben werden.

KUHLE KLARHEIT — WENIG HOFFNUNG. Unmittelbar nach den Pfingsttagen sollen sich nun also die Vertreter Österreichs und Italiens erneut zusammensetzen, um über die Südtirolfrage zu konferieren. Klagenfurt soll der Tagungsort sein. Aber die Hoffnungen auf eine Klimaverbesserung sind gering. Ministerielle Verbote der uralten Schüfzenfracht im Südtiroler Land sind eine ebenso schlechte Einstimmung wie nächtliche Schmierereien an der italienischen Botschaft zu Wien. Es ist erfreulich, daß sich die beiden Regierungsparteien während der außenpolitischen Debatten in gleicher Schärfe von jedem illegalen Extremismus distanzierten und daß der neue Kanzler seine ehrengastliche Anwesenheit bei der Länderkonferenz des Berg-Isef-Bundes dazu benutzte, mit der ihm eigenen liebenswürdigen Diplomatie gerade diesem Gremium zu verstehen zu geben, für wie wichtig er strikte staatsbürgerliche Korrektheit und Mäßigung gerade um des großen Zieles willen halte. Und ebenso erfreulich ist gerade jetzt die Erklärung des Südtiroler Parteiführers Dr. Magnago, der sich von den sinnlosen Bombenanschlägen ebenso klar distanzierte, wie er auch seine Vorstellungen für den wahrscheinlichen Fall eines neuerlichen Scheiterns in Klagenfurt umriß: Dann müsse ein Mitglied der UNO in schiedsrichterlicher Funktion angerufen werden.

DER TITO-NASSER-BLOCK. Zum Abschluß seiner zweimonatigen Afrikareise traf sich Tito mit Nasser in Alexandrien. Beide Staafschefs beendeten dieses ihr neuntes Treffen mit einem Kommunique, das eine Konferenz der blockfreien Staaten in nächster Zeit erwarten läßt. Tito hat mit den jungen Afrikanern neben der Kongokrise vor allem die Probleme Algier,. Kuba und Laos besprochen. Die Afrikaner wollen sich nicht gerne von Peking einspannen lassen, das gegenwärtig erneut „beiflüht isj, »alfPr., asiatische Konferenzen zustande zu bringen, um international ein Podium für seine Angriffe gegen Amerika und eine Sammelsfäfte für seine gegen die Weißen gerichtete Propaganda aufzubauen. Das Vordrängen der Chinesen im afrikanischen Raum ist nicht nur Nasser und den Arabern und nicht nur Tito, mit dem Blick auf die chinesischen „Spezialisten", die eben nach Albanien kommen, unbehaglich. Bisher scheiterten Titos Bemühungen um einen Block der Neutralen nicht zuletzt an Nehrus Zurückhaltung, ja Ablehnung. Wird Nehru mit dem Blick auf China, Tibef und Laos sich jetzt bereit finden, nach Belgrad oder Kairo zu kommen? Moskau kann es nicht unpassend erscheinen, daß Tito und Nasser den Chinesen enfgegenfrefen, zumal, da Tita sich in Afrika sehr für Moskaus Offensive aeaen Hammarskiö'd engagiert hat. Nicht zuletzt möchte Nasser durch Tita stärker in Europa, und Tito durch Nasser stärker im arabischen Raum Fuß fassen. Beide möchten die Spannung zwischen den Blöcken mildern und für ihre Zwecke ausnützen.

LAOS. Die Sowjetunion und Großbritannien haben, als Vorsitzende der Genfer Indochinakonferenz von 1954, einen Waffenstillstandsappell herausgegeben. Bis zum 12. Mai sollen die kämpfenden Truppen ihre Kampftätigkeit einstellen. Peking und Moskau hoffen, daß bis zum Beginn der Konferenz in Genf, die an diesem 12. Mai beginnen soll, die Kommunisten den Großteil von Laos erobert haben. Laos gehört zu jenen ehemaligen Teilgebieten des aroßen chinesischen Kaiserreiches, auf das Peking Anspruch erhebt. Wahrscheinlich mußte Moskau in einem Geheimvertrag Laos gänzlich den Chinesen zugestehen. Als vorläufiges Ziel streben die Chinesen eine Zweiteilung ähnlich wie in Korea, an. Die Engländer und Amerikaner, mit Nachdruck aber auch Nehru, wollen einen wirklich freien, unabhängigen Staat schaffen. Südosfasien beobachtet diesen diplomatischen und militärischen Waffengang natürlich mif besonderem Infer- esse, wobei man vor allem Anhaltspunkte für die „efficiency", die Wirkmächtigkeit Kennedys gewinnen möchte. So ist Laos zu einem Testfall für Osf und West geworden: beide tasten die Schwächen und Stärken des Gegners ab. Immer aber noch sind die Kommunisten in der Offensive…

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