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Auch der Vatikan steckt in den roten Zahlen

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Eine Legende ist zerstört worden — die vom sagenhaft reichen Vatikan. Jedenfalls, wenn man Reichtum mit flüssigem Geld, nicht mit Kunstschätzen gleichsetzt. Die zwölf Kardinäle aus aller Welt, die jüngst vier Tage lang im Auftrag des Papstes die Buchhaltung sowohl des Heiligen Stuhls (also der päpstlichen Kirchenverwaltung) wie auch die des Vatikanstaates überprüften, haben die ernüchternde Bilanz veröffentlicht, auch die roten Zahlen.

Daraus ergibt sich, daß die römische Zentralverwaltung der katholischen Weltkirche im vergangenen Jahr Ausgaben von umgerechnet 1.386 Millionen Schilling hatte, aber nur 665 Millionen Schilling Einnahmen, also ein Defizit von 721 Millionen Schilling, von dem ein Viertel allein die Kosten von Radio Vatikan betreffen.

Mehr als die Hälfte der Ausgaben sind Personalkosten für die 1900 Gehaltsempfänger und über 900 Pensionäre. Personalkosten, die noch wachsen werden, denn die Kardinalskommission hat sich „lebhaft” (so formuliert ihr Kommunique) für die von der Vatikangewerkschaft, jüngst sogar unter Streikandrohung, geforderte Erhöhung der Bezüge aller Vatikanbediensteten eingesetzt: Auch für sie müsse soziale Gerechtigkeit, Tarifanpassung und Erhaltung der Kaufkraft gelten, wobei freilich zu bedenken sei, daß der Heilige Stuhl bei der Erfüllung seiner Aufgaben vor allem auf finanzielle Beiträge der — nicht selten auch armen - katholischen Gläubigen aller Welt angewiesen sei.

Tatsächlich hat der sogenannte Peterspfennig, die freiwillige Spende der Katholiken für den päpstlichen Haushalt, im letzten Jahr umgerechnet eine Summe von 616 Millionen Schilling erbracht, die also fast die 721 Millionen Schilling des päpstlichen Defizits deckt. Nun gibt es außer dieser Bilanz des Heiligen Stuhls, also der Kirchenregierung und ihrer Kongregation, noch zwei andere, nämlich die der vatikanischen Staatsverwaltung und die der umstrittenen Vatikanbank.

Der Vatikanstaat, der Einnahmen aus Briefmarken, Münzen und Museen hat, verzeichnete 1984 einen ausgeglichenen Haushalt, ja sogar einen Gewinn von 3,5 Millionen Schilling. Die Vatikanbank aber, die den ominösen Namen „Institut für die religiösen Werke” trägt und weitgehend selbständig arbeitet, bleibt ein großes Fragezeichen. Ihre Bilanz ist den zwölf buchprüfenden Kardinälen

überhaupt nicht vorgelegt worden. Glaubhaft nachgewiesen wurde ihnen nur, daß dieses Geldinstitut, das sich unlängst nur durch Zahlung von 244 Millionen Dollar aus dem Mailänder Am-brosiano-Bank-Skandal retten konnte, diese Summe ganz aus eigenen Mitteln aufgebracht habe, ohne Hilfe aus der päpstlichen Schatulle und auch ohne die Guthaben seiner kirchlichen Kunden (zu denen auch der Heilige Stuhl selbst gehört) anzurühren.

Offenkundig hat sich der Kölner Kardinal Höffner, der schon lange fordert, den Vatikanbankchef, Erzbischof Marcinkus, durch einen bankfachkundigen Laien zu ersetzen, nicht durchgesetzt. Er gibt so wie übrigens auch der Wiener Kardinal König seine Zuschüsse für den Heüigen Stuhl nicht der Vatikanbank, sondern in Form eines Schecks direkt dem Papst in die Hand.

Gemessen an jahrzehntelanger Geheimniskrämerei sind jedenfalls die heute publizierten Zahlen Fortschritt. Das gesamte Haushaltsvolumen des Vatikans erweist sich dabei als überraschend bescheiden — es beträgt nämlich nur etwa das Eineinhalbfache dessen, was zum Beispiel der Erzdiözese Wien (936 Millionen Schilling) an Geld zur Verfügung steht, freilich dank Kirchensteuer. Und die gibt es im Vatikan so wenig wie Lohnsteuern.

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