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Ein Vorwand für unsoziales Sparen

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Warum müssen Defizite immer nur mit Sparpaketen bekämpft werden. Ist immer noch nicht bekannt, daß Einsparungen zuerst die Armeren treffen?

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Warum müssen Defizite immer nur mit Sparpaketen bekämpft werden. Ist immer noch nicht bekannt, daß Einsparungen zuerst die Armeren treffen?

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Die Pro-Kopf-Verschuldung der Republik Österreich beträgt derzeit 210.300 Schilling. Dies ist die Spitzenmeldung der jährlich im Sommer erfolgenden Präsentation des Staatsschuldenberichts durch den Vorsitzenden des Staatsschulden-Ausschusses, Professor Helmut Frisch. Die Höhe des - allerdings sehr ungleich verteilten <r privaten Pro-Kopf-Geld Vermögens von 491.000 Schilling wurde hingegen meist verschämt verschwiegen und fand sich nur vereinzelt in den Medien. So unwidersprochen die Ausführungen Frischs bei der Präsentation hingenommen wurden, so einhellig teilten etliche Wirtschaftsjournalisten die Kritik des „Schuldenpapstes” an zusätzlich eingeführten Sozialleistungen. Durchgehender Tenor: Osterreich finanziert den Wohlfahrtsstaat mit Schulden, was auf Dauer nur katastrophal sein kann. Kein Wunder, daß manche Wirtschaftsj ournalisten Verständnis für Kürzungen beim zweiten Karenzjahr aufbringen, sich mit Frisch freuen, daß das Nettodefizit des Rundes heuer (68 Milliarden Schilling) erstmals seit 1992 niedriger sein wird als der Schuldendienst (91,9 Milliarden Schilling) und daher gegen Pflegegeld und Anrechnung der Zeiten der Kindererziehung anschreiben. Abschied vom Sozialstaat zur Rekämp-fung des Rudgetdefizits?

So wesentlich ein sinkendes Defizit auch ist, werden mit Reifallskundgebungen für die Sparpakete der Rundesregierung und der unterschwellig vorgebrachten Forderung nach weiteren Kürzungen im Sozialbereich wichtige Fragen vernachlässigt.

Müssen Rudgetdefizite immer nur durch Sparpakete bekämpft werden, wo doch bekannt ist, daß Einsparungen im Familien- und Sozialbereich immer zuerst die Armen treffen? Oder sollte nicht auch über die Einnahmenseite nachgedacht werden?

Professor Frisch weiß dies natürlich, argumentierte aber bei der Präsentation unter dem Deckmantel vermeintlicher sozialer Gerechtigkeit absichtlich „von hinten”: Wenn die ; i-

Neuverschuldung (Nettodefizit des Rundes) wie geplant 68 Milliarden verschlinge, dann sei dies „eine Umverteilung von kleinen Einkommen hin zu Vermögensbesitzern, also verteilungspolitisch eher verkehrt”, so Frisch. Der Grund: Der Großteil der Steuern, mit denen die Schulden bezahlt werden, sind Massensteuern (Umsatzsteuer heuer 214 Milliarden Schilling, Lohnsteuer heuer 183 Milliarden Schilling). Die Geldverleiher, bei denen auch die Republik Österreich Kredite aufnimmt, sind aber meist wohlhabend.

Denkt man diesen Gedankengang Frischs logisch zu Ende, könnte man zynisch sagen: Reenden wir diese skandalöse Umverteilung von kleinen Einkommen hin zu den Vermögensbesitzern, indem wir alle Sozial-leistungen abschaffen, damit das Rud-getdefizit null ist. Der Nonsens liegt auf der Hand, denn: alle, die ihren und ihrer Familien Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen müssen, haben via Steuern und gekürzter staatlicher Leistungen die Last der Staats -Verschuldung zu tragen. Im Gegensatz dazu profitieren vor allem die großen Geldbesitzer und -Verleiher via staatlicher Anleihen von der Staatsverschuldung.

So bleibt nicht nur zu hinterfragen, warum Geldverleiher auf Kosten von Kreditnehmern (so viel) verdienen müssen, sondern auch nachzudenken, wie man Rudgets vielleicht auch einmal intelligent durch Einnahmensteigerungen im Rereich echten Reichtums sanieren kann.

Folgerichtig rief der stellvertretende Vorsitzende und Leiter des Wirtschaftsarbeitskreises des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien (KFVW), Alfred Racek, die Rundesregierung auf, beim Sparen „nicht immer nur Menschen unter der Armutsgrenze, sondern auch über der Reichtumsgrenze zur Kasse zu bitten”. Rei allem Gejammer über die wachsende Staatsverschuldung dürfe nicht vergessen werden, daß Staatsschuldenausschuß und Österreichische Nationalbank für 1996 von etwa 200 Milliarden Schilling neu gebildetem privatem Geldvermögen sprechen. (Staatsschuldenbericht: 197,5 Milliarden Schilling, Prognose für 1997: 221,7 Milliarden Schilling Zuwachs.)

Racek fordert deshalb die Resteue-rung des internationalen Devisen-handels - einschließlich der Spekula tionsgewinne wie beispielsweise durch eine bereits an der Londoner Rörse praktizierte Tobin-tax und Strafsteuern für die, die ihr Geld aus „Steueroasen” zurückbringen. Finanzminister Rudolf Edlinger sei in seinem Ansinnen, die Kapitalsteuer so zu ändern, daß Investitionen steuerlich anders behandelt werden als Spekulationen „voll zu unterstützen”. Auch Edlingers Pläne, die Kosten des Faktors Arbeit zu reduzieren und die Ressourcen zu besteuern finden im KFVW positiven Widerhall.

Geld ist genug da

Dann dürfte auch der umgehenden Realisierung der von Familienminister Martin Rartenstein wiederholt angekündigten Familiensteuerreform in Höhe von 11,7 Milliarden Schilling nichts mehr im Weg stehen. Wie Racek erklärte, zeige der Rericht, „daß Geld genug vorhanden ist, die wiederholt angekündigten Reformen endlich in die Tat umzusetzen”. Schließlich liege das - allerdings sehr ungleich verteilte - private Pro-Kopf-Geldvermögen mit 491.000 Schilling um mehr als das Doppelte über der Pro-Kopf-Staatsverschuldung von 210.300 Schilling. So stünde der Verschuldung von Rund, Ländern und Gemeinden in Höhe von 1.692 Milliarden Schilling privates Geldvermögen in Höhe von 3.950 Milliarden Schilling (laut Österreichischer Nationalbank) gegenüber. „Allein die acht reichsten Österreicher nennen ein Vermögen von 191 Milliarden Schilling ihr eigen”, so Racek.

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