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Die etwas andere Umverteilung

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In den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren gehörte Österreich zu den ärmsten Ländern Europas. Inzwischen hat Österreich stark aufgeholt und sein Wohlstandsgefälle zu den meisten europäischen Partnerländern nicht nur verringert, sondern sogar übertroffen. Es gehört heute gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zu den reichsten Ländern der EU.

Wesentlich kräftiger als das Wirtschaftswachstum sind allerdings die Sozialausgaben gestiegen. Die Sozial-ausgabenquote hält nun bei rund 29,4 Prozent des BIP - einem Wert, der sich auch international durchaus sehen lassen kann. Österreich liegt hier leicht über dem EU-Durchschnitt.

Zwischen 1970 und den frühen achtziger Jahren diente die Fiskalpolitik als Instrument einer aktiven Wirtschafts- und ' Sozialpolitik. Im Mittelpunkt standen hiebei der Ausbau des Sozialstaates und das Vollbeschäftigungsziel. Für die Erreichung dieser Ziele wurde eine massive Ausweitung der Staatsverschuldung sowie ein starker Anstieg der Ausgabenquote in Kauf genommen. Insbesondere die Sozialversicherungsbeiträge wurden kräftig erhöht. Sie stiegen von 9,1 Prozent (1970) auf 13,7 Prozent des BIP (1966). Auch der öffentliche Sektor und die Verstaatm Die finanzielle Last der Vergangenheit wird Osterreich noch bis ins 21. Jahrhundert hinein spüren. Von den Zinszahlungen profitieren die Reichen. lichte Industrie wurden zugunsten der Vollbeschäftigungspolitik in die Pflicht genommen. Eine solche Wirtschaftspolitik mußte schlicht die Fi-nanzierungs- und Wettbewerbskraft der Verstaatlichten Industrie übersteigen. Anfang der achtziger Jahre war sie praktisch insolvent und konnte nur noch durch eine Haftungsübernahme ihrer Schulden durch den Bund in der Höhe von 60 Milliarden Schilling über Wasser gehalten werden. Die Folgen dieser Haftungsübernahme sind auch heute noch spürbar und werden den Bundeshaushalt noch weit in das 21. Jahrhundert hinein mit jährlich vier Milliarden bzw. sechs Milliarden Schilling belasten.

Auch dies ist eine Art von Umverteilung: Die finanzielle Last einer wirtschaftspolitischen Maßnahme (der Vergangenheit) wird auf künftige Jahre verteilt. Das gilt auch für die massive Ausweitung der Staatsverschuldung in den siebziger und frühen achtziger Jahren. Fast jeder siebente Budgetschilling muß heute allein für die Zinsen der Finanzschulden ausgegeben werden, 1986 war jeder zehnte Budgetschilling davon betroffen. Dabei kommt noch ein zweiter „Umverteilungseffekt” zum Tragen: Die Zinszahlungen fließen nun den Gläubigern des Staates zu, also jenen, die zuvor reich genug waren, um dem Staat Geld zu borgen. Dadurch kommt es zu einer Umverteilung von „unten” nach „oben”.

Zu einer Umverteilung zwischen den Generationen kommt es auch durch das Umlageverfahren des gesetzlichen Pensionsversicherungssy -stems. Als dieses Ende der siebziger Jahre trotz der massiven Ausweitung der Sozialversicherungsabgaben in finanzielle Schwierigkeiten geriet, wurde zwischen 1978 und 1981 in zwei Etappen unilateral der Dienstgeberbeitrag zur Pensionsversicherung angehoben. Als Kompensation dafür wurde im selben Ausmaß der Dienstgeberbeitrag zum Familienla-stenausgleichsfonds von sechs auf 4,5 Prozent herabgesetzt. Zu heutigen Preisen gerechnet, subventioniert daher der FLAF seit 1981 das gesetzliche Pensionssystem mit rund 13 Milliarden pro Jahr.

Durch den Ausbau des Sozialstaates ist es auch im Bereich der Abgaben zu deutlichen Umschichtungen gekommen, die auch die Ergiebigkeit des Steuersystems selbst tangieren. Aufgrund der steuerlichen Abzugsfähigkeit der längerfristig stark angehobenen Sozialversicherungsbeiträge wurde die Ergiebigkeit der progressiven Lohnsteuer unterminiert. Die Lohnsteuer selbst (dasselbe gilt auch für die veranlagte Einkommensteuer) ist isoliert betrachtet durchwegs eine progressive Abgabe. Das Bild ändert sich jedoch, wenn man die proportional bis regressiv wirkenden Sozialversicherungsbeiträge und die ebenfalls tendenziell regressiv wirkende Umsatzsteuer in die Betrachtung einbezieht: Die Progressivität des Steuersystems ist dann nur mehr sehr schwach ausgeprägt. Das waren die Folgewirkungen der Umverteilungspolitik der siebziger und frühen achtziger Jahre.

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