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Automatisch geht nichts

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Das Budgetdefizit des Bundes ist im Jahr 1975 aufgrund der Rezession sprunghaft gestiegen und auch in den folgenden Jahren auf dem hohen Niveau geblieben. Es ist jedoch unbestritten, daß eine Reduzierung des Budgetabganges, zumindest relativ, gemessen am Inlandsprodukt, notwendig ist, um den Zuwachs der Finanzschuld zu bremsen. Wenngleich 1979 und 1980 wichtige Schritte in diese Richtung unternommen wurden, dürfte dennoch ein gutes Stück auf diesem Weg noch zurückzulegen sein, ein besonders schwieriges Stück.

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Das Budgetdefizit des Bundes ist im Jahr 1975 aufgrund der Rezession sprunghaft gestiegen und auch in den folgenden Jahren auf dem hohen Niveau geblieben. Es ist jedoch unbestritten, daß eine Reduzierung des Budgetabganges, zumindest relativ, gemessen am Inlandsprodukt, notwendig ist, um den Zuwachs der Finanzschuld zu bremsen. Wenngleich 1979 und 1980 wichtige Schritte in diese Richtung unternommen wurden, dürfte dennoch ein gutes Stück auf diesem Weg noch zurückzulegen sein, ein besonders schwieriges Stück.

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Es geht hier nicht um das Problem, auf welche Höhe das Budgetdefizit reduziert werden soll, weil solche Festlegungen immer fragwürdig sind, sondern um die Frage, ob eine Verringerung des Budgetabganges ohne erhebliche diskretionäre Maßnahmen (Einnahmeerhöhungen und/oder Ausgabeneinschränkungen), also gewissermaßen automatisch, erreichbar ist.

Diese Hoffnung wurde etwa vor Jahresfrist durch ein Gutachten des Professors Henkel (Prosperität in der Krise) genährt, das im Auftrage unseres Finanzministers erstellt worden ist. Dort wurde zu zeigen versucht, daß sich das (Netto-) Defizit im Bundeshaushalt bis 1983 abbauen ließe, ohne daß besondere Maßnahmen erforderlich wären.

Eine der entscheidenden Voraussetzungen dafür wäre allerdings, daß die Steuereinnahmen nicht nur stärker als die Ausgaben, sondern auch, im Vergleich zum Bruttonationalprodukt überproportional steigen. Die Steuerquote würde sich daher aufgrund der angenommenen eingebauten Flexibilität automatisch erhöhen.

Sieht man davon ab, daß die Daten, die diesen Berechnungen im erwähnten Gutachten zugrundeliegen, unrichtig sind, weil übersehen wurde, daß nicht alle vom Bund eingehobenen Steuern zur Finanzierung des Bundeshaushaltes dienen, sondern rund 40 Prozent an andere Rechtsträger überwiesen werden müssen, bleibt dennoch die Frage bestehen, ob das österreichische Steuersystem überproportional steigende Einnahmen abwirft, wodurch die Verringerung des Budgetabganges wesentlich erleichtert würde.

Aus den Erfahrungen der Jahre 1958/1961) könnte man geneigt sein, diese Frage positiv zu beantworten. Damals wurde auch 1958 das Budgetdefizit kräftig ausgeweitet, um der Kon-junkturabschwächung entgegenzuwirken. In den nachfolgenden Jahren haben dann die kräftig steigenden Steuereinnahmen erheblich dazu beigetragen, daß 1961 der Budgetsaldo (netto) bereits einen Uberschuß aufwies.

Eine solche Entwicklung ist jedoch jetzt nicht mehr zu erwarten, weil das österreichische Steuersystem erheblich an fiskalischer Ergiebigkeit eingebüßt hat. In den fünfziger und Anfang der sechziger Jahre stiegen die Steuereinnahmen noch deutlich rascher als das Bruttonationalprodukt. Seit Mitte der sechziger Jahre ist jedoch eine abnehmende fiskalische Ergiebigkeit, gekennzeichnet durch eine sich abschwächende Aufkommenselastizität erkennbar.

An einem einfachen Beispiel läßt sich diese Entwicklung deutlich zeigen. Im fünfjährigen Zeitraum 1960/1965 stieg die Steuerquote um 2,7 Prozentpunkte (von 18,9 im Jahre 1960 auf 21,6 Prozent 1965). In den folgenden fünfzehn Jahren von 1965 bis 1980 stieg sie hingegen „bloß” um 1,7 Prozentpunkte (von 21,6 auf 23,3 Prozent).

Anfang der sechziger Jahre erfolgte die starke Erhöhung der Steuerquote noch ohne größere Reibungsverluste, weil sie keine Steuererhöhungen erforderte, sondern sich aus der Dynamik des Systems ergab. Diese Tendenz hat sich grundlegend geändert.

Die Entwicklung der zweiten Hälfte der siebziger Jahre zeigt, daß Erhöhungen der Steuerquote sich nicht mehr automatisch ergeben, sondern nur mehr über diskretionäre Maßnahmen (Einführung neuer Steuern, Erhöhung bestehender Steuern) durchgesetzt werden können.

Diese langfristig abnehmende Aufkommenselastizität, die schwächere Zunahme der Steuerquote, hat viele Ursachen. Zwei scheinen besonders erwähnenswert. Erstens werden die Steuern zunehmend als Instrument der Wirtschaftspolitik eingesetzt. Das führt zu einer Aushöhlung der Bemessungsgrundlagen und einer Schwächung der inneren Dynamik.

Zweitens spielen im österreichischen Steuersystem mengenabhangige Steuern (z.B. Mineralölsteuern, KFZ-Steuer, Biersteuer) no„ch immer eine wichtige Rolle. Die Einnahmen aus diesen Steuern steigen jedoch, wenn keine diskretionären Maßnahmen erfolgen, im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt unterproportional und schwächen dadurch die gesamte Aufkommenselastizität des Steuersystems.

Für die Steuerpolitik ergibt sich aus dieser abnehmenden fiskalischen Ergiebigkeit ein erhebliches Problem. So lange die Erhöhung der Steuerquote vorwiegend durch die innere Dynamik des Systems, die hohe Aufkommenselastizität, ohne Steuererhöhungen, erreicht wurde, kam die Zunahme der Steuerbelastung dem einzelnen Steuerpflichtigen weniger zum Bewußtsein als wenn sie durch diskretionäre Maßnahmen erfolgt, deren Einführung in der Öffentlichkeit ausführlich diskutiert wird. /

Subjektives Belastungsgefühl der Steuerpflichtigen und tatsächliche Steuerbelastung klaffen daher zunehmend auseinander. Der steuerpolitische Spielraum wird dadurch eingeengt. Die Forderung nach Steuersenkungen wird in immer kürzeren Zeitabständen erhoben. Inden fünfziger und sechziger Jahren etwa erfolgten Senkungen der Lohn- und Einkommensteuer in vier bis fünfjährigen Zeitabständen.

Die innere Dynamik des Steuersystems dürfte vor allem durch den Konflikt geschwächt werden, der sich aus den Aufgaben der Besteuerung ergibt: dem Staat einerseits Einnahmen zu beschaffen, andererseits als Instrument der Wirtschaftspolitik zu dienen.

Aus allen diesen Gründen dürfte sich deshalb auch die Annahme, die im erwähnten Gutachten von Henkel enthalten ist, daß sich die Steuerquote in Österreich automatisch erhöht, nicht realisieren lassen. Ein Beitrag der Besteuerung zu einer automatischen Verringerung des Budgetdefizits kann daher nicht erwartet werden. Es bedarf dazu diskretionärer Maßnahmen auf der Einnahmen-!, vor allem aber auf der Ausgabenseite.

Dr. Gerhard Lehner ist seit 1971 im österreichischen Institut Tür Wirtschaftsforschung tätig und der zuständige Experte Tür die Hauptarbeitsgebiete Budget und Steuern.

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