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Wie viele Millionen hat der Papst ?

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Kardinal Joseph Höffner, gelernter Wirtschaftswissenschaftler, hat seit 16 Jahren auf eine Veröffentlichung der Finanzen der Weltkirche gedrängt. Zuletzt mit Erfolg.

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Kardinal Joseph Höffner, gelernter Wirtschaftswissenschaftler, hat seit 16 Jahren auf eine Veröffentlichung der Finanzen der Weltkirche gedrängt. Zuletzt mit Erfolg.

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Was sich sonst meist als Enthüllung präsentiert, das Geld der römischen Kirche, sein Geheimnis-Schleier ist dahin. Nicht durch die Recherchen einer auflagenschweren Illustrierten, nicht durch einen antiklerikal-kampfwütigen Buchautor und am allerwenigsten durch fortschrittliche Fernseh-magazineure einer öffentlichrechtlichen Anstalt — letzteren müßten die Nachforschungsergebnisse besonders peinlich aufstoßen. Nein, der Aufdecker ist

kein anderer als der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Joseph Höffner.

Die prekären Finanzen des Apostolischen Stuhls haben ihm und den rund 70 Mitgliedern der Frühjahrsvollversammlung der Oberhirten kein geringes Kopfzerbrechen beschert. Zurückgezogen in das niederbayerische Kloster Mallersdorf bei Regensburg suchte der Episkopat in der Bundesrepublik einen Ausweg aus der chronischen Finanzkrise des Papstes. Elementare Spannungen für die Kirche werden hier deutlich, zwischen ihrer Sendung als Leib Christi und zugleich als gesellschaftlich-geschichtliche Erscheinung. Als solche freilich ist sie auf materielle Mittel angewiesen.

Wer jenseits von Pauschalgerede über die Finanzen der Weltkirche sachlich urteilen will, muß sich in verschiedene Bereiche hineinwühlen. Da gibt es zunächst die Unterscheidung zwischen dem Amt des Papstes als Bischof von Rom — das wie jedes andere Bistum seinen separaten Haushalt erstellt — und jenem als Souverän des Vatikan. Der Hauptzweck des „Stato Cittä del Vaticano“, also des kleinen Restes des ehemaligen Kirchenstaates: dem Papst durch völkerrechtliche Souveränität seinen apostolischen Auftrag zu erleichtern.

Das Budget des vom „Governa-torato“ verwalteten Vatikanstaates ist wiederum von jenem des Apostolischen Stuhles streng ge-

trennt. Denn dieser hätte seine Aufgaben auch dann, wenn es den kleinen Vatikanstaat nicht gäbe. Freilich läßt sich nicht leugnen, daß der Verwaltung der Gesamtkirche die Dienste des „Governa-torato“ zugute kommen: etwa die Vatikanpost, die vatikanischen Museen, der Sicherheitsdienst

oder technische Anlagen. Insgesamt 1.565 Angestellte zählt der Mini-Staat. Hinzu kommen 560 zu versorgende Ruheständler.

Von den Ausgaben des Vatikanstaates in Höhe von umgerechnet rund 630 Millionen Schilling entfallen 58 Prozent auf Personalkosten. Die Einnahmen fließen vor allem aus dem Verkauf von Briefmarken, Münzen, Benzin, Lebensmitteln und aus den Eintrittsgeldern der vatikanischen Museen. 1984 ist das Kunststück gelungen, die Ausgaben zu dek-ken.

Aus weitverbreiteter Unkenntnis darüber, daß die Verbindlichkeiten des Apostolischen Stuhls, also des Papstes als Oberhaupt der Weltkirche, nicht im geringsten mit dem Vatikanstaat oder dem Bistum Rom verflochten sind, sprudelt der Hauptquell für ach so ironisch sein wollende Phantasien von kirchlichem Reichtum. Die Weltkirche zu leiten bedeutet, mehr als 840 Millionen Katholiken auf einem auseinanderdriftenden Globus in einem Credo zusammenzuhalten. Dies versucht der Papst nicht zuletzt durch seine an Rettungsflüge erinnernden Reisen.

Geld verschlingen auch die zehn römischen Kongregationen, vergleichbar mit Ministerien, daneben die Sekretariate und Räte, die großteils erst durch das II. Vatikanische Konzil errichtet worden sind. Kostenträchtig bleiben die fast 100 Apostolischen Nuntiaturen, die „Rota“ als oberster vatikanischer Berufungsgerichtshof, die päpstliche Akademie der Wissenschaften, die vielen Institute und — wenngleich mit recht ärmlicher Ausstattung - der Vatikansender, der mit geradezu lächerlich anmutenden 154 Millionen Schilling pro Jahr sein kärgliches Auslangen finden muß.

Wie gesagt, Sarkasmen von Kritikern an öffentlich-rechtlich gedeckten Tischen über unermeßliche Kirchengelder entlarven wohl eine Sicht zwischen Ignoranz und Ideologie...

Zusammengerechnet 1.932 Priester und Laien sind Gehaltsemp-

fänger des Apostolischen Stuhls. Hinzu kommen 1.019 Pensionisten. Die Bilanz für 1984 ergab fast 1,4 Milliarden Schilling an Ausgaben der päpstlichen Verwaltung, während sich die Einnahmen nur auf dürftige 760 Millionen Schilling beliefen. Zur Deckung des Fehlbetrages verwendete der Papst die weltweite Peterspfennig-Kollekte und persönliche Spenden, zusammen 490 Millionen Schilling.

Zum Ausgleichen des dann noch verbleibenden Defizits mußte Vermögenssubstanz herhalten. Für 1985 schätzt Kardinal Höffner ein Minus von fast 870 Millionen Schilling. Dies nicht zuletzt deshalb, weil im zurückliegenden Jahr Löhne und Gehälter der vatikanischen Verwaltung - nach langer Durststrecke - um 15 Pro-

Paul VI.: „Es glaubt uns ohnehin niemand, daß wir nicht mehr haben ...“

zent gestiegen sind. Ihr Gesamtanteil am Budget beträgt 58 Prozent des Haushaltes.

Mehr Werbung bei den Gläubigen für den Peterspfennig, fest zu installierende Budget-Posten der nationalen Kirchen für den Apostolischen Stuhl und steigende Einzelspenden an den Papst gehören zu den Sanierungsvörstel-lungen des Kölner Kardinals, der als ausgewiesener Wirtschaftswissenschaftler seit 16 Jahren Mitglied jener Präf ektur ist, die in Rom die jährliche Vermögenslage des Apostolischen Stuhls prüft -und der seit genau dieser Zeit dem jeweils regierenden Papst in den Ohren liegt, seinen Haushalt doch zu veröffentlichen. Paul VI., so berichtet Höffner, habe immer wieder mit der Bemerkung abgewunken: „Es glaubt uns ohnehin niemand, daß wir nicht mehr haben als diesen Etat!“

Erst jetzt konnte sich der publizierfreudige Kölner Erzbischof durchsetzen, dessen eigenes Bistum als das zweitreichste der Welt - nach Chicago - gilt und der freimütig einräumt, daß das Budget selbst der kleinsten aller 22 deutschen Diözesen noch weit über dem Ansatz des Apostolischen Stuhls rangiert. Für professionelle Enthüllungsmedien schwimmen bei allsommerlichen Nachrichtenflauten künftig manche Felle davon. Denn die Veröffentlichung des Weltkirchen-Etats steht vor der Fertigstellung.

Kaum skandalergiebiger ist das Gebaren des „Instituto per le Opere religiöse“ (IOR), also des Instituts für religiöse Einrichtungen, das innerhalb vatikanischer Mauern die Einlagen von Ordens-Generalaten, katholischen Universitäten, Hospitälern und sonstigen kirchlichen Unternehmungen aus vielen Ländern verwaltet. Ihnen allen ermöglicht „IOR“ inflationssichere, in jeder Valuta denkbare Geldanlagen, die - mit vatikanstaatlicher Souveränität unbehelligt von italienischen Devisenbestimmungen — etwa in Missionsstationen auf fernen Kontinenten jederzeit einsetzbar sind.

Das Institut „IOR“, das von Papst Leo XIII. schon 1887 gegründet wurde, hat über die Jahrzehnte hinweg redlich gewirtschaftet Erst durch den aufsehenerregenden Zusammenbruch des Banco Ambrosiano, eines bis dahin als solide geltenden, kirchennahen Bankunternehmens, geriet „IOR“ in die Schlagzeilen. Die bisherige Uberprüfung des

Desasters - das freilich mancher-orten eitel Schadenfreude auslöste — habe ergeben, so Kardinal Höffner, „daß die Geschäftsführung des Instituts dem Banco Ambrosiano ein zu großes Vertrauen geschenkt und eine risikoreiche Anlagepolitik betrieben hat.“

So wurde denn „IOR“ in den spektakulären Ambrosianischen Bankenkrach verstrickt. Im Sommer 1984 überwies das Institut an die Gläubiger 240,8 Millionen Dollar, ohne damit eine Verantwortung für den Ambrosiano-Bank-rott zu übernehmen. Man brachte diese Summen auf, um eine internationale Prozeßlawine aufzuhalten, die Geldtransferwege in die Missionsstationen verschüttet hätte. Woher die 240,8 Millionen Dollar stammen, darüber hat Kardinal Höffner allerdings nur Vermutungen: „IOR“ dürfte Vermögenswerte aufgelöst haben, die in den fast 100 Jahren seiner Existenz entstanden sind. Der Rest mußte wohl bei Kreditinstituten gepumpt werden.

Zur Sanierung hat Finanzexperte Höffner jetzt unumwunden vorgeschlagen, unter anderem die Geschäftsführung von „IOR“ in die Hände qualifizierter Laien zu legen. Dann freilich werden sich manche noch schwerertun mit der Aufdeckung von Geheimnissen, die es nicht gibt.

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