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Die Milliarden des Vatikans

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Die „Tribüne de Lausanne“ hat am 13. März dieses Jahres mit einem Artikel von Blaise Evard das Buch Nino lo Beilos „L'Or du Vatican“ (Verlag Robert Laffönt) besprochen und aus ihm Zahlen und Hinweise für ihre Leser entnommen. Der deutschen Ausgabe des gleichen Buches hat die Wiener „Wochenpresse“ unter dem Datum vom 8. April einen Artikel gewidmet. Beide Zeitungen sprechen wie die italienische Presse schon vor einiger Zeit vom Buch lo Beilos als einer zuverlässigen Quelle. Dann war die deutsche Wochenzeitschrift „Der Spiegel“ an der Reihe, die eine Serie von Auszügen aus dem genannten Buch veröffentlichte und ihm ebenfalls höchste Glaubwürdigkeit zuschrieb.

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Die „Tribüne de Lausanne“ hat am 13. März dieses Jahres mit einem Artikel von Blaise Evard das Buch Nino lo Beilos „L'Or du Vatican“ (Verlag Robert Laffönt) besprochen und aus ihm Zahlen und Hinweise für ihre Leser entnommen. Der deutschen Ausgabe des gleichen Buches hat die Wiener „Wochenpresse“ unter dem Datum vom 8. April einen Artikel gewidmet. Beide Zeitungen sprechen wie die italienische Presse schon vor einiger Zeit vom Buch lo Beilos als einer zuverlässigen Quelle. Dann war die deutsche Wochenzeitschrift „Der Spiegel“ an der Reihe, die eine Serie von Auszügen aus dem genannten Buch veröffentlichte und ihm ebenfalls höchste Glaubwürdigkeit zuschrieb.

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Da man uns aus der Schweiz um Aufklärung über die von der „Tribüne de Lausanne“ gesammelten Elemente gebeten hat, geben wir folgende Klarstellungen:

1. In besagter Zeitung heißt es: „Der Vatikan hat an die Fiat-Werke 30 Prozent seiner Lancia-Aktien verkauft.“ Dieselbe Meldung war bereits am 1. November 1969 in „The Economist“ erschienen und vom „Osservatore Romano“ am 19. des gleichen Monats dementiert worden. Wir wiederholen, daß der Hl. Stuhl niemals Aktien der Lancia-Werke besessen hat und sie demzufolge auch an niemanden verkaufen konnte.

2. Nach der „Tribüne de Lausanne“ hat „der Hl. Stuhl mit der Aufwertung der D-Mark geschickt spekuliert“. Auch das ist falsch; denn der Hl. Stuhl hat nie D-Mark besessen.

3. Ferner müssen wir dementieren, daß der Hl. Stuhl Aktien der Ital-cementi, der Alfa Romeo und des IRI-Konzerns (Institut für den industriellen Wiederaufbau) besitzt. Wer auch nur eine geringe Kenntnis der italienischen Verhältnisse hat, weiß, daß IRI ein Finanzkonzern öffentlichen Rechts und keine Aktiengesellschaft ist; demzufolge hat er keine Aktionäre, und deshalb ist es unmöglich, daß „der Hl. Stuhl einer der Hauptaktionäre des IRI“ sei, wie hingegen die „Tribüne de Lausanne“ behauptet

4. Was die Beteiligung an „Italgas“ betrifft, so liegt das „Mehrheitspaket“, von dem das Schweizer Blatt schreibt, in Wirklichkeit bei 0,92 Prozent. Unter einem Prozent liegen auch die Beteiligungen an der Snia Viscosa und der Montedison. Wir sind in der Lage klarzustellen, daß der Hl. Stuhl weder in diesen Bereichen noch durch irgendeine andere seiner Aktieninvestitionen über Mehrheitsbeteiligungen in irgendeiner Gesellschaft verfügt.

6. Es ist falsch, daß „der Hl. Stuhl sieben der bedeutendsten italienischen Bianken kontrolliert“.

7. Es ist wahr, daß der Hl. Stuhl zur Zeit über Guthaben bei nichtitalienischen Banken verfügt, in Amerika und in der Schweiz, aber angesichts seines internationalen Charakters und vor allem seiner karitativen Aufgaben in aller Welt ist das völlig normal.

8. „Das produktive Kapital des Vatikans“ — behauptet die „Tribüne de Lausanne“ — „könnte auf 50 bis 55 Milliarden Schweizer Franken (300 bis 330 Milliarden Schilling) geschätzt werden“, das heißt 7000 bis 8000 Milliarden Lire. Das ist eine völlig phantastische Summe. In Wirklichkeit erreicht das produktive Kapital des Hl. Stuhls, seine Bankguthaben wie seine Investitionen in-und außerhalb Italiens, bei weitem nicht den hundersten Teil dieser Summe.

9. Die Summe von 7000 bis 8000 Milliarden Lire (300 bis 330 Milliarden Schilling) stellt auch dann eine phantastische Übertreibung dar, wenn man die Tätigkeit von Einrichtungen mit besonderen Zielsetzungen, wie dem „Institut per le opere di Religione“ („Vatikanbank“) mitberücksichtigt.

10. Nach der „Tribüne de Lausanne“ „verteilt die Kirche alljährlich über zwei Milliarden Schweizer Franken (12 Milliarden Schilling) an die Entwicklungsländer“.

Auch hier darf die Kirche nicht mit dem Hl. Stuhl verwechselt werden. Der Hl. Stuhl ist das Zentralorgan der katholischen Kirche. Die Kirche aber ist eine viel umfassendere — universale — Wirklichkeit, sie ist unmittelbar in allen Teilen der Welt durch Diözesen, Pfarreien und andere Einrichtungen gegenwärtig und tätig.

Es ist bekannt, daß in allen Ländern katholische Einrichtungen zugunsten der unterentwickelten Gebiete und für Hilfsmaßnahmen bei besonderen Katastrophen und Notfällen bestehen (Misereor, Caritas Internationalis usw.). Wir wissen nicht, aus welcher Quelle die genannte Summe von 2 Milliarden Franken (12 Milliarden Schilling) stammt. Ob nicht auch diese Summe das Ergebnis der gewohnten Übertreibungen ist? Feststeht, daß eine derartige Summe nicht aus dem Renditevermögen des Hl. Stuhls kommen kann, denn dazu reicht es absolut nicht aus. Der Hl. Stuhl verteilt einen Teil dessen, was die Gesamtkirche für die Entwicklungsländer zur Verfügung stellt: es handelt sich um die Spenden, die an besonderen Tagen in den Bistümern, den Pfarreien in aller Welt für die Missionsgebiete und auch für die menschliche Entfaltung der Bevölkerung jener Gebiete gesammelt werden. Diese Gelder werden gänzlich durch die Kongregation für die Glaubensverbreitung verteilt. Diese Kongregation veröffentlicht jedes Jahr einen vollständigen und detaillierten Rechenschaftsbericht. 1968 beispielsweise hat sie laut Rechenschaftsbericht insgesamt Gelder in Höhe von rund 50 Millionen Dollar (1,25 Milliarden Schilling), das heißt rund 30 Milliarden Lire verteilt.

11. Mit den Gütern des HI. Stuhls dürfen auch die Subventionen nicht verwechselt werden, die Italien auf Grund des Konkordates (Art. 30) den Pfarrern und Bischöfen (und nicht „allen in Italien residierenden Geistlichen“, wie die „Tribüne de Laueanne“ vermuten lassen könnte) als „Ergänzung zu ihren Bezügen“ zuwendet.

12. Die „Tribüne de Lausanne“ schreibt: „Das Konkordat entbindet die Mitglieder des Klerus und die Bürger des Vatikanstaates von jeder Steuer.“ Das ist nicht richtig. Das Konkordat sieht keine solche Steuerbefreiung vor. Artikel 17 dieses Abkommens sieht nicht die Befreiung von jeder Steuer vor, sondern die Befreiung von Steuern auf die Gehälter, die der Hl. Stuhl seinen Angestellten zahlt. Von dieser Norm sind demnach nur die Gehälter und Löhne betroffen, und zwar die Gehälter der Angestellten des Heiligen Stuhls, nicht der „Mitglieder des Klerus“ im allgemeinen und auch nicht der Bürger des Staates der Vatikanstadt (derzeit sind es 509). Die Angestellten des Hl. Stuhls sind ein paar tausend Personen, zum Großteil Laien mit Familie. Die ihren Bezügen zugestandene Vergünstigung stellt lediglich eine Anwendung des Prinzips der Souveränität des Hl. Stuhls dar, der durch ihre Mitarbeit seine Sendung erfüllt.

13. Daß der italienische Staat dem Hl. Stuhl eine Summe von 40 Millionen Dollar (1 Milliarde Schilling) in bar und 50 Millionen Dollar (1,25 Milliarden Schilling) in fünf-prozentigen Wertpapieren gegeben hat, entspricht den Tatsachen, wenn man den damaligen Kurswert zugrunde legt. Nach dem Finanzabkommen, das 1929 zwischen Italien und dem Hl. Stuhl abgeschlossen wurde, hat der Hl. Stuhl als beschränkte Abfindung für den Verlust des Kirchenstaates und anderer kirchlicher Güter vom italienischen Staat 750 Millionen Lire in bar und eine Milliarde Lire in fünfprozentigen italienischen Wertpapieren erhalten. Zum damaligen Kurswert von 19 Lire je Dollar entspricht dieser Betrag einer Summe von 40 und 50 Millionen Dollar (1 Milliarde beziehungsweise 1,25 Milliarden Schilling). Es wäre hingegen falsch, zu denken, der italienische Staat habe dem Hl. Stuhl 40 und 50 Millionen Dollar zum heutigen Kurswert gegeben, was nämlich dann etwa 56 Milliarden Lire (2,24 Milliarden Schilling) ausmachen würde. Wir haben uns darauf beschränkt, Punkt um Punkt und ausführlich auf die „Tribüne de Lausanne“ zu antworten, um einem ausdrücklichen Ersuchen entgegenzukommen. Doch das wenige, das wir gesagt haben, sollte ausreichend aufzeigen, wie glaubwürdig das Buch lo Beilos ist und wie es um die Seriosität und das Berufsethos einer gewissen Publizistik und einer gewissen Presse steht, die nicht nur falsch berichtet, sondern auch unverhüllt verleumderische Zwecke verfolgt.

Abschließend verweisen wir nochmals auf das, was wir unter Punkt 8 über das gewinnbringende Kapital des Hl. Stuhls gesagt haben, und fordern zu aufrichtigem Nachdenken über die Ausgaben auf, die er zu leisten hat. Um den wachsenden Bedürfnissen der Kirche und Welt entgegenzukommen, hat der Hl. Stuhl in den letzten Jahren neue Initiativen verwirklicht, die im allgemeinen von der öffentlichen Meinung begrüßt werden. Es genügt, an das ökumenische Konzil zu denken, an die postkonziliaren Kommissionen, die Sekretariate für die Einheit der Christen, für die NichtChristen und die Nichtglaubenden, den Laienrat und die päpstliche Kommission für Gerechtigkeit und Frieden, die päpstliche Kommission für die Seel-sorge der Emigranten und Touristen, die ökumenischen Beziehungen, die Bischofssynode, die Reisen zu zahlreichen notwendigen Studientagungen, „Stages“, ökumenische Begegnungen auf verschiedener Ebene usw. Bei der Einschätzung dieser Initiativen darf man nicht übersehen, daß sie auch Kosten verursachen, beträchtliche Kosten. Ferner erinnern wir daran, was der Papst erst kürzlich gesagt hat, in seiner Ansprache während der Generalaudienz am Mittwoch, 24. Juni: „Wir wissen sehr wohl, daß die öffentliche Meinung in- und außerhalb der Kirche, heute — da alles auf Eroberung, Besitz und Genuß der irdischen Güter ausgerichtet ist — es als ^Wunsch, ja geradezu als Notwendigkeit empfindet, die Armut des Evangeliums gelebt und vor allem dort verwirklicht zu sehen, wo das Evangelium gepredigt und repräsentiert wird — sagen wir es ganz klar: in der Amtskirche, beim Hl. Stuhl. Wir sind uns dieser inneren und äußeren Aufforderung an unser Amt bewußt. Wie mit der Gnade Gottes schon auf viele zeitliche Privilegien verzichtet und viele Reformen des kirchlichen Stils durchgeführt wurden, so werden wir — mit der den legitimen Gegebenheiten geschuldeten Rücksicht, aber in dem Vertrauen darauf, vom gläubigen Volk verstanden und unterstützt zu werden — in dem Bemühen fortfahren, Situationen zu überwinden, die mit dem Geist und dem Wohl der wahren Kirche nicht konform gehen.“

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