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Ein „Staat“ und seine „Bürger“

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Die Führung jeder Institution ist mit Kosten verbunden. Auch die Kirche ist eine sogenannte kostende Institution und, falls wir sie vom Standpunkt der Kostenrechnung analysieren, ein Dienstleistungsbetrieb; aber der größte der Welt. Auch der Hinweis auf die der Kirche aufgetragene Armut kann kein Beweis gegen das Kostensoll sein, das nun einmal der Kirche und allen Gebilden aufgelastet ist, die sich bemühen, nur reine Ideen zu lehren.

Im Sinn der Vorstellung jener Väter, die auf dem Konzil, und nicht mit Unrecht, ein Bekenntnis zur ostentativen Armut der Kirche abgefegt haben, wird unter Armut nicht eine Absenz materieller

(Existenz-)Güter im kirchlichen Raum verstanden, sondern die Bereitschaft, sich für die Seelsorge unnützer Dinge zu entledigen, keinesfalls aber jener Mittel, die zur Erfüllung der pastoralen Aufgaben notwendig sind. So ist etwa die Zentrale der Kirche, der Heilige Stuhl, nicht nur ein Staat ohne Steuern, jedoch mit allen finanzieller Belastungen eines Staatsapparates sondern überdies verhalten, Tausende und Abertausende, die in dei Welt für „Rechnung der Kirche“ in Lebensbereich einer halben Milliarde Katholiken oft ohne Eigenmittel und Einkommenschancer tätig sind, derart zu honorieren, da£ sie ihre Aufgabe angemessen erfüllen können. Von den zum Konzi gekommenen 2860 Bischöfen konnten beispielsweise nicht weniger als 1342 weder die Reise noch die Aufenthaltskosten zahlen; selbst; vor den italienischen Bischöfen mußter 40 Prozent unterstützt werden. Dieser Sachverhalt läßt einen Schluf zu, wie weit von Rom her die Weltkirche finanziert werden muß.

Man kann daher nicht das Vorhandensein von „Reichtümern ir der Kirche“ und das Einströmer von fundierten Erträgnissen kritisieren, ohne an die Verwendung eben dieser Mittel zu denken. Voi allem jene, die sich im Vorjahr mi‘ großer Freude über die Nachrichter des „Economist“ hermachten, übersahen, daß selbst dieses Blatt zugeben mußte, daß der Vatikanstaa' kein wesentliches laufendes Einkommen hat und die gewinnbringenden Wertpapiere die Abgaben ersetzen müssen, die sonst ein Staatswesen (und fiskalisch ist der Vatikan mit Staatsaufgaben belastet) von seinen Bürgern fordern kann.

Ebenso wäre es beispielsweise wider die Sachlogik, das Vermögen der Gewerkschaften mit dem erheblich geringeren Vermögen der Arbeitgeberverbände zu vergleichen, ohne zu bedenken, daß die einzelnen Arbeitgeber ökonomische Eigenmacht haben, während die Marktmacht (Durchhaltemacht) der Gewerkschaftsmitglieder im allgemeinen nur im Vermögen ihrer Interessenvertretung 'begründet ist.

Wo immer die Kirche in der Welt wirkt: sie ist mit Ausgaben und Einnahmen konfrontiert. Das war aber schon zur Zeit der Apostel nicht anders. So .heilig“ kann der Heilige Stuhl gar nicht sein, daß ihm nicht die Frage der Kostendeckung für die Durchführung seiner Aufgaben und daher auch der entsprechenden finanziellen Vorsorge jederzeit gestellt wäre. Übrigens hat auch die so oft von katholischen Schwärmern zitierte Urkirche ihre lokalen Finanzprobleme gehabt, den Zwang eines Finanzausgleichs zwischen armen und reichen Gemeinden, die Probleme der diözesanen Vermögensakkumulation im Interesse der Durchführung organisatorischer und karitativer Aufgaben. Wer aber die Kirche mit einem Erwerbsuntemehmen verwechselt oder mit einem Ein- mannkonzem und nur in den Kategorien von Rentabilität und Gewinnmaximierung zu denken vermag, wird bedenkenlos über die kirchlichen Reichtümer schreiben und urteilen. Das gilt auch für den sonst so weitblickenden „Economist“, der aber im zitierten Artikel bedenkenlos „antipapistisch“ bestimmt gewesen ist.

Ein Betrieb erhält seine Kosten entweder auf dem Markt oder, falls er Zuschußbetrieb ist, aus Subventionen oder sogenannten verlorenen Zuschüssen. Die Leistungen der Kirche auf allen Ebenen ihres Wirkens bis zur kleinsten Seelsorgestation haben jedoch keinen „Markt“; sie müssen überwiegend kostenlos abgegeben werden. Noch mehr: Die Gegenleistung für eine pastorale Dienstleistung ist lediglich ihre Annahme, die erbeten und erbetet werden muß.

Daher hat die Kirche, um ihre Aufgabe erfüllen zu können, auch um laufende Einkünfte besorgt zu sein. Sie kann nur Kirche, in der Welt wirkende Institution sein, wenn ihr ausreichend Mittel verfügbar sind. Darüber hinaus muß ein Großteil der Einkünfte und des betriebsbereiten Vermögens der Kirche mittelbar dem Gemeinwohl dienen und Aufgaben finanzieren, deren Kosten sonst über eine Mehrbesteuerung von allen Bürgern unter anderem Titel mitfinanziert werden müßten (Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen).

Nun stehen der Kirche (dem Vatikan und den lokalen Kirchen)

mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, um sich die Mittel für ihre laufenden Leistungen zu sichern, jener Leistungen, die zu ihrem Wesen gehören (Seelsorge) und solcher, die sie subsidiär seit Anbeginn übernommen hat (Caritas u. ä.):

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