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Das Maltakreuz vor dem Kardinalsgericht

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Rom, im März

Vor einiger Zeit veröffentlichte der „Osservatore Romano ein kurzes Kommunique, in dem mitgeteilt wurde, daß die Wahl des neuen Großmeisters des souveränen Ritterordens von Malta auf Grund einer persönlichen Verfügung Pius' XII. bis auf weiteres aufgeschoben und in außerordentliches Kardinals- gericht beauftragt- wurde, verschiedene offene -Fragen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Orden zu klären.

Die Mitteilung, so unauffällig ihre Form war, rief großes Aufsehen hervor, sie schien verschiedene Gerüchte zu bestätigen, die bald nach dem Ableben des greisen Großmeisters Fürsten Chigi- Albani - Delle Rovere von einer ernsten Krise im Ofden wissen wollten. Es mußte auffallen, daß Pius XII. nicht eine Kommission, sondern ein Gericht von fųnf Kardinalen, von denen zwei dem Orden selbst angehören, eingesetzt hatte: Eiigene Tisserant, Clemėntė Micara, Giuseppe Pizzardo, Benedetto Aloisi-Masella uöd Nicola Canali.

Ein im Pariser „Le Monde“ erschienener Artikel gab das erste Einsatzzeichen zu einem wahren Konzert wider spruchsvoller „Informationen": durch eine Fusionierung mit dem Orden vom Heiligen Grab wolle die Kirche das riesige Vermögen der Malteser einziehen; Kardinal Canali, Großmeister der Grabesritter, wolle auch an der Spitze der Malteser stehen; die Souveränität des Ordens sei zu administrativen Unregelmäßigkeiten mißbraucht worden; und so fort, was die Feder hergeben wollte. Die katholische Presse deutete den wahren Hintergrund der Angelegenheit an, indem sie auf Meinungsverschiedenheiten hinwies, die zwischen dem Heiligen Stuhl und der provisorischen Ordensleitung entstanden waren: inwieweit der Orden, da doch seine Profeßritter die religiösen Gelübde abgelegt haben, der Disziplin der Religionskongregation unterworfen sei.

Sicherlich denkt die Kirche nicht daran, eine Souveränität in Frage zu stellen, die vom italienischen Staat und von den Vereinten Nationen anerkannt ist. Man erinnere sich an die ehrenden Worte, die Pius XII. ausgesprochen hat, als ihm im Jahre 1948 der bevollmächtigte Minister des Ordens, Graf Stanislaus Pecci, das Beglaubigungsschreiben überreichte. Eine weitverzweigte, umfangreiche caritative Tätigkeit bewahrt den Orden der Malteserritter vor dem Verdacht, ein bloßes historisches Relikt zu sein, ehrwürdig wohl, aber auch unzeitgemäß. Er ist vielleicht der einzige Organismus, in dem nodi das politische dualistische Prinzip des Mittelalters, das spirituelle und das säkulare Element, lebendig ist. Vorläufer und Wegbereiter des Roten Kreuzes, hat er vor diesem die internationale Stellung voraus, die er durch die Jahrhunderte hindurch zu erhalten verstand. Derzeit unterhält er diplomatische Vertretungen bei sieben Regierungen und Delegationen bei weiteren dreizehn. In Italien besitzt er 30 Spitäler, Ambulatorien und Asyle, andere existieren in Äthiopien, Deutschland, England, Uganda, Spanien, Frankreich, Holland, Belgien, Irland, Kolumbien, Haiti, auf den Philippinen. Der Orden verfügt über 66 Transportflugzeuge und 28 Flugzeuge für den Seerettungsdienst, im Kriegsfall über einen Lazarettzug. Das Großpriorat Österreich hat zwischen 1947 und 1951 eine halbe Million Mahlzeiten an bedürftige Studenten verteilt.

Die caritative Tätigkeit des Ordens vermittelt einen ausgezeichneten Eindruck. Aber es kann nicht übersehen werden, daß das organische Zentrum des Ordens nur mehr 25 der sogenannten Profeß- und Justizritter darstellen, welche die Gelübde des Gehorsams, der Armut und Keuschheit abgelegt haben und demzufolge allein die volle Würde und alle

Rechte besitzen, darunter auch da Wahlrecht, während die Zahl der Ritter niedrigeren Ranges aus dem Laienstande 4856 beträgt. Als Fra Lodovico Chigi-Albani- Della Rovere 1931 die Nachfolge des Trentiners Fra Galeazzo' di Thun-Hohenstein antrat, wendete er diesem Punkt sein besonderes Augenmerk zu, stieß jedoch vielfach im eigenen Orden auf Widerstände bei jenen, die sich an alte Vorrechte und Traditionen klammerten. Sein weiteres Bemühen galt der Stärkung der internationalen Stellung des Ordens und der Wiedergewinnung ähnlicher Organisationen in protestantischen Ländern. Diese Bemühungen blieben nicht ohne Widerspruch innerhalb des Ordens. Jedoch im Jahre 1949 trat ein plötzlicher Stillstand ein. Dem Fürsten wurde in seiner nächsten Umgebung „Modernismus“ und „Fremdelei vorgeworfen. Der Eindruck im Ausland blieb nicht aus, das so hoffnungsvoll begonnene Werk wurde unterbrpchen. Der Tod des Fürsten Chigi brachte noch die Frage der Nachfolge hinzu. Die Statuten sehen bis zur Wahl des neuen Großmeisters eine Statthalterschaft ad interim vor, die lediglich die normalen Ordensangelegenheiten zu erledigen und für die Vorbereitung der Neuwahl zu sorgen hat. Aber dabei blieb es nicht. Im feudalen exklusiven Jagdklub in Rom sprach man offen von Ordensdingen, die größere Reserviertheit erfordert hätten. So erfuhr man, daß der gegenwärtige Statthalter seine Befugnisse bei weitem überschritten hatte, indem er Titel verliehen hatte, was allein dem gewählten Großmeister zusteht.

Dieser Gang der Dinge blieb dem Vatikan nicht verborgen, und das so lebenskräftige, funktionierende System der internationalen Verbindungen des Ordens bedeutete ein zu wichtiges Instrument für die vatikanische Diplomatie, als daß der Entwicklung nicht volle' Aufmerksamkeit gewidmet worden wäre. Im Dezember 1951 setzte Pius XII. das außer ordentliche Kardinalsgericht ein, das am 10. Dezember seine erste Sitzung abhielt. Obwohl es dem Statthalter bekannt sein konnte, daß das Gericht die Neuwahl des Großmeisters auszusetzen und den ganzen Fragenkomplex der Stellung des Ordens zur Religionskongregation zu untersuchen hatte, berief er, auf die Souveränität des Ordens pochend, die Wahl ein.

Einen solchen Verstoß gegen die Disziplin beantwortete der Heilige Stuhl mit dem Kommunique vom 9. Jänner im „Osservatore Romano". Der Statthalter wurde damit seines Amtes entkleidet Darauf die abwegigsten Gerüchte und Mutmaßungen. Am 26. Jänner meldeten die „Times", der Vatikan wolle die Souveränität des Ordens aufheben. Andere Blätter berichteten, daß er die Absicht habe, die Vermögen der Malteser einzuziehen, andere wieder, daß Kardinal Canali zum 77. Großmeister des Ordens von Malta gewählt werden wolle.

In Wirklichkeit denkt im Vatikan niemand daran, die Souveränität des Malteser Ritterordens anzutasten. Die Krise, die der souveräne Ritterorden vom Malta derzeit durchlebt, ist rein disziplinärer Natur. Er wird daher gefestigt auä" ihl hervorgehen dank der geistigen Kräfte die in ihm bewahrt worden sind. Es sind dieselben Kräfte, die ihn durch die Jahrhunderte erhalten haben: von Jerusalem vertrieben, kam er 1291 nach Zypern, 1309 nach Rhodos, 1530 nach Malta, 1826 nach Ferrara und 1834 endlich nach Rom.

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