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Die Rechtsstellung des souveränen Malteserordens

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Die Frage nach der internationalen und öffentlich-rechtlichen Stellung des Malteserritterordens hat seit Dezember 1951 in der Presse der europäischen Länder großes Interesse geweckt. Man erfuhr damals, daß Pius XII. durch ein Handschreiben ein Ersuchen des Hohen Meistertunis des souveränen Malteserordens angenommen und ein Kardinalstribunal eingesetzt hatte. Zweck dieses Gerichtshofes, unter dem Vorsitz des Kardinaldekans Tisserant. war die nähere Bestimmung des Malteserordens als eines souveränen und gleichzeitig eines religiösen Ordens, auf die sich die Nummern zwei und vier des ersten Titels der Ordenssatzung beziehen. Ferner sollte das vatikanische Tribunal die Abgrenzung zwischen dem souveränen und dem religiösen Charakter des Ordens sowie gegenr über dem Heiligen Stuhl selbst klären.

Die Aufgabe war umfangreicher, als Außenstehende übersehen können, weil die Rechtsstellung des Ordens nicht allein aus seinen Satzungen zu ermitteln war, sondern ein umfangreicher Komplex mit weit zurückgreifendem, historischem Hintergrund ist. Daraus erklärt sich auch, daß die Entscheidung des Gerichtshofes der Kardinäle nach sehr sorgfältigen Erhebungen und langwierigen rechtlichen Diskussionen erst am 24. Jänner 1953 ergangen und der Oeffenllichkeit in knappster Formulierung am 5. April d. J, mitgeteilt wurde. Die Entscheidungsgründe wurden bisher nicht publiziert, und man darf annehmen, daß dies voraussichtlich noch längere Zeit aus triftigen Gründen nicht folgen wird. Während die juristische Streitfrage über das Wesen der Souveränität des Ordens und der Abgrenzung zwischen dieser und dem Machtbereich der Päpstlichen Kongregation der Religiösen noch schwebte, haben Zeitungen und Zeitschriften des In-und Auslandes wenig sachverständige, bisweilen sogar sensationelle Zwischenurteile zu dem ganzen Komplex oder zur angeblichen „Prozeßlage“ abgegeben. Man interessierte sich etwa dafür, inwieweit das Armutsgelübde der Profeßritter reiche, jederman sah ein, daß das Armutsgelübde der Kapuziner strenger verpflichtend sein müsse. Ein Ritterorden, der seit vielen Jahrhunderten die Caritas in großzügiger, allgemein anerkannter, auch der modernen Zeit ganz angepaßten Form übt, ist nun einmal in allen Zweigen etwas anderes als ein Bettelorden.

Damit wurde keinesfalls bestritten, daß die verhältnismäßig geringe Zahl der Profeßritter — es sind keine dreißig —, was ihre Gelübde betiifft, der Kongregation der Ordensleute unterstanden und unterstehen. Die vatikanamtliche Verlautbarung über die Entscheidung des Gerichtshofes der Kardinäle wies zum Schluß diskret und weise darauf hin, daß man einige Abänderungen in den Statuten des souveränen Malteserordens alsbald vornehmen werde, damit er besser in seiner Tradition einer 900jährigen Geschichte im Dienste der christlichen Kultur und des Katholizismus fortfahren könne. Das vatikanische Kommunique wiederholte fünfmal in seinem Wortlaut den Titel der Souveränität des Ordens, die als solcher vom Heiligen Stuhl niemals in Abrede gestellt wurde. Da sie aber in der gedrängten Verlautbarung nicht definiert .wurde, ist es zweckmäßig, hierüber einiges zu sagen. Der österreichische Völkerrechtslehrer Prof. H. Kelsen beklagte schon vor fast drei Jahrzehnten, daß der Begriff der Souveränität von verhängnisvoller Vieldeutigkeit sei. Die Rechtslehre hat schon vor Dezennien die bis dahin für das Wesen der Souveränität als unerläßlich erklärten Erfordernisse der Gebietshoheit und des Staatsvolkes preisgegeben. Die Päpste wurden völkerrechtlich auch als Souveräne behandelt, als sie zwischen 1870 und 1929 keine Territorialhoheit mehr besaßen. Man führte in der Rechtsdogmatik die sogenannte äußere Souveränität ein, das heißt, das Recht, mit fremden Staaten frei zu verkehren und zu diesem Zweck Vertreter zu bezeichnen und zu bevollmächtigen, ferner das Recht, Verträge zu schließen, wie dies die Kurie mit Konkordaten tut, schließlich das Recht jedes Souveräns auf Exemtion seiner Gesandten von der Staatsgewalt des Empfängerstaates usw. Nachdem der Apostolische Stuhl 1929 in den Lateranverträgen wieder eine Gebietshoheit erlangt hat, ist nur der Malteserorden das einzige souveräne Völkerrechtssubjekt ohne diese Gebietshoheit. Er büßte 1798 die Landeshoheit durch den Verlust der Insel Malta ein. Aber schon vorher hat er öfter seine Territorialhoheit zwischen Jerusalem, Akkon, Zypern und Rhodos gewechselt, ohne daß seine übernationale Mission darunter litt. Für die Feststellung der Souveränität des Ordens war neben der Anerkennung durch den Vatikan naturgemäß die Haltung der italienischen Rechtssprechung von besonderer Bedeutung, da Rom der Sitz des Fürsten und Großmeisters und des Hohen Ministeriums ist. Der Kassationshof hat als höchstes Tribunal Italiens in einer Urteilsbegründung vom 13. März 1935 den Orden als Völker-rechtssubjektbezeichnet, dessen Rechtspersönlichkeit unabhängig von der Nationalität ihrer Angehörigen ist und deren Wirkungskreis infolge ihres universellen Charakters über die Grenzen eines einzelnen Staates hinausreicht. Das gleiche Tribunal erklärte in einer Entscheidung vom 26. Juli 1947, daß der Orden eine Rechtspersönlichkeit des Völkerrechtes sei, zwar nicht als Staat, „aber als internationaler Verband mit souveränen Rechten“.

Ausfluß dieser Souveränität, die man in römischen Juristenkreisen neuerdings als funktionelle Souveränität gekennzeichnet hat, ist der wechselseitige Austausch von ständigen Gesandten zwischen zwölf Staaten und dem Großmeister, ferner das rechtliche Anerkenntnis dieser Souveränität durch elf andere Staaten, unter denen sich auch die Deutsch Bundesrepublik befindet.

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