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Vatikan und Völkerrecht

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Dem Autor geht es darum, das Phänomen des Heiligen Stuhls in seiner völkerrechtlichen Stellung zu erschließen. Seine Antwort lautet uniter Zitat der entscheidenden Sätze: „Der Heilige Stuhl ist Völker-rechtssuibjekt... unabhängig von (s)einem Territorium.“ Er „besitzt (derzeit) im internationalen Bereich eine Doppelrolle: er ist gleichzeitig geistlicher und weltlicher Souverän“ und erfüllt „selbst die Funktion einer internationalen Friedensinstitution“.

Im Profalemansatz liegt der Völkerrechtler Köck der Meinung des Rezensenten nach richtig und aktuell. Darin liegt das zukunftsweisende Verdienst dieser Arbeit für die Kirche in ihrer internationalen Rolle, wenn diese nämlich die Chancen ausschöpfen kann, die darin liegen, wenn sie unter den Völker-rechtssuibjekten mit der Besonderheilt ihrer geistlich-moralischen Sendung vollberechtigt auftritt. Es handelt sich um einen Sonderfall des Verständnisses Kirche-Staat im internationalen Kontext, wobei die Kirche grundsätzlich unabhängig vom Staat in ihrer Sendung auftritt, als niemandem unterworfenes Rechtssubjekt der internationalen Ordnung.

Die Kirche, und in dieser Form nur die katholische und ihr oberstes Organ, der römische Bisohof und Papst, ist in der Gemeinschaft der Völker und Staaten iure divino und kraft positiven Völkerrechts, in Anerkennung ihrer eigenen Sendung und nicht bloß auf Grund des Territoriums eines Zwergstaates (Vatikanstadt), in Ausübung ihrer eindeutig überwiegend religiös-moralischen Aufgabe nicht nur unter den Staaten, sondern auch im Dienste des staatsfreien Raumes im Sinne der Kirchen- und Religionsfreiheit im innerstaatlichen Bereich für ihre Gläubigen souverän wie ein Staat. Dies wirft heute auch potentiell eine Verantwortung für die Religionsfreiheit überhaupt auf, und indirekt für die Achtung vor den Menschenrechten individuell, wie für die Menschheit im Dienste der Friedenssicherung.

Köck ist es mit seiner Arbeit angesichts der Fülle von eingesehenen Quellen und Literatur und der Beschreibung aller einschlägigen historischen Ereignisse bis in jüngste Zeit gelungen, eine Art Handbuch über den Heiligen Stuhl als Völkerrechtssuibjekt zu schaffen.

Daran dürfte wohl kein angehender Diplomat in Zukunft vorübergehen, aber auch dem Journalisten möchte man die Arbeit als Nachschlagewerk in außenpolitischen oder kirchlichen Fragen ans Herz legen. Doch auch mancher Modetheolage sollte sich darin ehrlich umsehen! So wird von Köck auf die Emanzipation der Kirciherirechte als Wissenschaft am Anfang des Mittelalters hingewiesen, und wie dies auch von Bedeutung für die Heranbildung der internationalen Stellung des Heiligen Stuhls von Bedeutung wurde. Man beachte die positiven Folgen dieser universalen rechtlichen Entwicklung der Kirdhe für die Pastoral, in deren Dienst Recht und Politik der Kirche unmittelbar stehen. Die Nuntien sind — abgesehen von zeitweiligen lokalen Konflikten — immer und besonders heute ein Zeichen der geistlichen Souveränität des Papsttums und der Kirche auch im Dienste der lokalen Kirchen in den religiösen Angelegenheiten dem Staat gegenüber und von entscheidender Bedeutung für, die Gestaltung des Verhältnisses von Staat und Kirche und der entsprechenden Pastoralen Voraussetzung für das Wirken der Kirche.

Mit dem Abstieg und schließlichen Untergang des Kirchenstaates und seiner eher symbolischen Wiederherstellung in den Lateranverträgen von 1929 ging nämlich eine ständige Steigerung des internationalen geistigen Ansehens des Heiligen Stuhls vor sich. Man ist zutiefst beeindruckt, welche Fülle von Leistungen die Darstellung Köcks für die internationale Tätigkeit des Heiligen Stuhls, der Nuntien und der Päpstlichen Diplomatie anführen kann. Unverständlich scheint es daher, wie gerade Pastoralwissenschaftler in

den „antirömischen Affekt“ verfallen und sich in die Gesellschaft derer begeben können, die einst schon auf eine Reduzierung des Ansehens und Wirkens des Heiligen Stuhls aus waren.

Abschließend sei noch der Gedanke Köcks zur Friedensfunktion der Kirche gewürdigt. In der Geschichte des Völkerrechts die erste Vermittlungsinstanz (noch Leo XIII. wurde um einen Schiedsspruch in der Frage der Karolinen gebeten), liege die Funktion der Kirche heute vor allem darin, zu lehren und 'zu mahnen. Nur wer im Kontext der Arbeit die Stellung des Heiligen Stuhls als Subjekt des Völkerrechts — selbst aus eigener Erklärung immerwährend neutral! — sieht, ausschließlich auf geistige Autorität gestützt, wird die faktische Bedeutung dieser Friedensfunktion des Heiligen Stuhls würdigen können, aber auch die Kleinarbeit im „Konzert der Nationen“ der Diplomatie dieser unserer Kirche besser verstehen und werten.

Dem Verfasser, der sich eingangs zum geistigen Standort der Wiener naturrechtlichen Schule der Rechtsphilosophie und des Völkerrechts bekennt, ist eine der Traditionen dieser Schule und ihrer großen Vertreter, deren er im Vorwort gedenkt, würdige Arbeit gelungen, die auch ihren Wert für die Kirche und ihre moderne Pastoralpolitik beweisen dürfte.

DIE VÖLKERRECHTLICHE

STELLUNG DES HEILIGEN STUHLES, dargestellt an seinen Beziehungen zu Staaten und internationalen Organisationen von Heribert Franz Köck. Verlag Duncker und Humblot, Berlin. 950 Seiten, S 1524.60.

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