6864221-1977_48_09.jpg
Digital In Arbeit

Ostpolitik: Dialog über Sachfragen

Werbung
Werbung
Werbung

Als dieser Tage Papst Paul VI. mit Edward Gierek zum zweiten Mal innerhalb relativ kurzer Zeit den Chef einer regierenden KP empfing, war die „Ostpolitik“ des Heiligen Stuhls wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Erzbischof Agostino Casaroli, als Sekretär des Rates für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche, soviel wie „Außenminister“ des Heiligen Stuhls, versuchte kürzlich, in Wien und Linz um Verständnis für die vatikanische „Ostpolitik“ zu werben, zu deren Architekten er gehört

Casaroli ist sich der Kritik bewußt. Aber „hätte es einen anderen Weg mit besseren Resultaten gegeben“? Der Erzbischof beantwortet die rhetorische Frage ausführlich. Die erste Sorge des Heiligen Stuhls sei es, immer und überall die volle Freiheit der Kirche und des religiösen Lebens zu sichern. Insofern läßt sich der Heilige Stuhl kaum von einem Lager vereinnahmen; Hans Jakob Stehle, der in Rom arbeitende deutsche Journalist, hat in seinem Buch über die „Ostpolitik des Vatikans“ an Hand der geschichtlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte dokumentiert, wie es dem Heiligen Stuhl bei seiner Auseinandersetzung mit den totalitären Regimen dieses Jahrhundert immer und überall nur darum gegangen sei, der Kirche das Überleben zu sichern - und zwar der organisierten Kirche. Vielleicht aus der geschichtlichen Erfahrung heraus, daß das Katakombendasein sich zwar gut als Legendenstoff eignet, der Glaube aber Bischöfe und Priester braucht, um von Generation zu Generation weitergetragen zu werden.

Unter diesem Aspekt ist es nur zu verständlich, wenn sich „die Kirche“ auch mit Kädär und Gierek an den Verhandlungstisch setzt. Casaroli hat in Wien deutlich zu verstehen gegeben, daß er von einem Dialog auf ideologischer Ebene mit den Kommunisten wenig hält, aber: „Der Heüige Stuhl hält den Weg eines .Dialogs über Sachlagen“ für gültig, selbst wenn dieser Weg verschiedenüich Kritik oder Erstaunen hervorgerufen hat.“

Der „Außenminister“ des Heiligen Stuhls ist sich dabei sehr wohl bewußt, daß es erst „Teilerfolge“ auf diesem Weg gegeben hat, daß es zwischen dem Heiligen Stuhl und den verschiedenen kommunistischen Ländern Spannungen unterschiedlicher Intensität gibt. Aber „warum sollte man einen Teilerfolg heute zurückweisen, wenn er nicht ein Hindernis für die Erreichung des Endzwecks ist?“

In der verklausulierten Sprache der vatikanischen Diplomatie betont Casaroli, daß es bei dem mit den KP-Re- gierungen geführten „Dialog über Sachfragen“ sehr darauf ankomme, sich nicht von Teilerfolgen einlullen zu lassen, die „Globalität“ und die „historische Perspektive“ über diesen Teü- erfolgen nicht aus dem Gesichtskreis zu verlieren.

Casaroli sieht die schrittweise „Entspannung“ zwischen dem Heiligen Stuhl und einzelnen kommunistisch regierten Ländern als Teil des allgemeinen Entspannungsprozesses, den der Heilige Stuhl begrüßt, obwohl er sich darüber im klaren ist, daß Entspannung noch lange nicht echten Frieden bedeutet und echter Friede „das Werk der Gerechtigkeit“ ist Angesichts der Gefahr einer apokalyptischen Katastrophe ist ihm der Spatz der Entspannung in der Hand lieber als die Taube des Friedens auf dem Dach, gibt der Chef der vatikanischen Diplomatie zu verstehen. Um dieser Entspannung zu dienen, bemühe sich der Heüige Stuhl „durch entschlossenes Handeln“ die Beziehungen zu allen Staaten zu Verbessern.

Aber der Diplomat im Priesterkleid vergißt über dem Schachspiel der Diplomatie nicht das eigentliche Ziel. Sehr verklausuliert, aber doch deutlich zu entziffern, gibt er der Hoffnung Ausdruck, daß der „Durst der Menschen nach Freiheit, nach dem Absoluten, nach Gott“ doch die Oberhand behalten wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung