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Im Interesse des Friedens

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Am 20. Oktober 1951 hat zur größten Überraschung der Weltöffentlichkeit der Präsident der Vereinigten Staaten den derzeitigen Oberbefehlshaber der amerikanischen Landstreitkräfte und früheren US-Hochkommissar in Österreich, General Mark Clark, für den Posten des amerikanischen Botschafters beim Vatikan vorgeschlagen. Die USA werden damit erstmals seit 1870 (bis dahin waren die USA beim Vatikan durch einen Gesandten vertreten) wieder volle diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl aufnehmen. Die Ernennung General Clarks bedarf noch der Bestätigung durch den Senat, der allerdings erst im Jänner wieder zusammentritt. Bis dahin kann General Clark auf Grund 'der vorläufigen Ernennung seinen neuen Posten antreten. General Clark gehört der protestantischen Episkopalkirche an.

Schon knapp nach dem ersten Weltkrieg, als Präsident Wilson anläßlich seines Aufenthalts in Europa auch Papst Benedikt XV. einen Besuch abstattete, war das Gerücht aufgetaucht, die Errichtung einer ständigen amerikanischen Botschaft werde vielleicht die Folge dieses Besuches sein. Dieses Gerücht fand neue Nahrung, als Harding, der Außenminister Wilsons, in einer Wahlrede auf eine Anfrage erklärte, daß mit Rücksicht auf das Anwachsen des Katholizismus in den Staaten und der daraus entstehenden Probleme die Errichtung einer Gesandtschaft beim Vatikan sehr erwünscht sei. Diese Gerüchte erwiesen sich jedoch in der Folge als verfrüht. Der Widerstand protestantischer und freimaurerischer Kreise ließen es damals und in den folgenden Jahren noch nicht zur Schaffung einer ständigen Vertretung der Staaten beim Heiligen Stuhl kommen. Nur während des zweiten Weltkrieges sandte Roosevelt den amerikanischen Großindustriellen Myron C. Taylor als seinen persönlichen Vertreter zum Papst, der — übrigens Protestant — dann nach dem Amtsantritt Trumans auch von diesem in seiner Stellung bestätigt wurde. Durch die freiwillige Niederlegung seiner Stellung und Rückkehr Anfang 1950 in die Staaten zerriß auch dieser dünne Faden, der das Weiße Haus mit dem Vatiican wenigstens inoffiziell verbunden hatte.

Der Katholizismus in den Vereinigten Staaten ist in ununterbrochenem Aufstieg begriffen. Die katholische ist die größte von allen in Amerika vertretenen Konfessionen und umfaßt ein Viertel aller Einwohner. Mit ihren rund 150 Bischöfen besitzen die Staaten den größten Episkopat nach Italien. Schon allein diese Tatsache würde den ständigen Kontakt der USA mit dem Heiligen Stuhl durch einen Botschafter beim Vatikan rechtfertigen. Trotzdem dürften die Gründe für den überraschenden Entschluß Trumans auch noch auf anderen Gebieten zu suchen sein.

Im Jahre 1915, anläßlich der Errichtung einer außerordentlichen Gesandtschaft der — damals zu zwei Drittel protestantischen — Niederlande beim Vatikan, rechtf erligte der holländische Ministerpräsident van der Linden diesen Schritt mit folgenden Worten: „Es gibt kein bedeutenderes politisches Zentrum, das im Interesse des Friedens Einfluß ausüben kann, als gerade der Vatikan. Der Papst gehört zu den Großmächten. Um der kranken Menschheit den Frieden zu geben, kann der Einfluß des Papstes von großer Bedeutung sein.“ Aus ähnlichen Erwägungen heraus hatte das ansonst vom „No-Poplery“-Geschrei erfüllte Großbritannien 1914 eine Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl errichtet. Und selbst das laizistische Frankreich, das seit 1904 mit dem Vatikan in grimmigem Fehdezustand lag, hatte den Krieg über einen inoffiziellen Vertreter beim Heiligen Stuhl unterhalten und 1921, nach heftigen Debatten in beiden Kammern, diese inoffizielle Vertretung in eine ständige offizielle verwandelt.

Die unermüdlichen Bemühungen des Papstes im ersten Weltkrieg um den Frieden konnten niemandem verborgen bleiben. Besonders der nichtkatholischen Welt war die Bedeutung des Papsttums durch diese Friedensaktionen klargeworden. Während Wilson, der „Friedenspapst“, völlig ins Dunkel versunken sei — so äußerte sich 1920 der protestantische Pastor Lambert von Paris —, habe der Einfluß Benedikts XV., des „anderen Friedenspapstes“, ständig zugenommen. Im gleichen Jahr schrieb das jungradikale Organ Frankreichs, dem wahrlich keine Kirchenfreundlichkeit vorgeworfen werden kann, der wahre Sieger des Krieges sei der Papst.

Diese Feststellungen können in noch viel stärkerem Maß auf den jetzigen Träger der Tiara angewandt werden. Sein Eintreten für den Frieden, sein ständiger Appell an die Völker, die Gerechtigkeit zu verwirklichen, seine Bemühungen um alle Verfolgten, haben dem Papsttum bis weit in nichtkatholische Kreise hinein höchstes Ansehen verschafft. Und die Ansicht, daß der Vatikan eines der wichtigsten Zentren für die Erhaltung des Friedens sei, hat sich bei vielen Völkern und Staaten, auch nicht' atholischen und nichtchristlichen, durchgesetzt. Ein Beispiel dafür ist die Türkei, die seit kurzem die Errichtung einer ständigen Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl erwägt.

„Es gibt kein bedeutenderes politisches Zentrum, das im Interesse des Friedens Einfluß ausüben kann, als der Vatikan“, hat 1915 der holländische Ministerpräsident festgestellt. 36 Jahre später, in einer Zeit, da noch viel größere Entscheidungen heranreifen als damals, hat auch der Präsident der Vereinigten Staaten durch Ernennung eines ständigen Botschafters beim Vatikan dieser Erkenntnis Rechnung getragen.

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