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Verfassung und politische Situation

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Als Truman das Erbe Roosevelts antrat, bestätigte er zunächst Myron Tailor im Amt, obzwar schon damals protestantische Stimmen auf eine Abberufung des persönlichen Botschafters drängten. Erst durch den Rücktritt Myron Tailors im Jahre 1950, der schon längere Zeit von Rom abwesend war, trat die Angelegenheit der Ernennung eines Botschafters in ein akutes Stadirun. Wie aus früheren Erklärungen Trumans zu entnehmen ist, scheint er zu Beginn seiner Präsidentschaft nicht die Absicht gehabt zu haben, das innenpolitische heikle Thema eines ständigen Botschafters beim Vatikan einer sofortigen Lösung zuzuführen. Die Ungeklärtheit der Lage blieb dennoch für das amerikanische Außenministerium eine Quelle vieler Verlegenheiten. Dort war man sich längst der sachlichen Notwendigkeit der Errichtung einer ständigen Botschaft bewußt, während von konfessionellen Stellen — nicht einheitlich — dagegen Stellung genommen wurde.

Der nun erfolgte Schritt Trumans war ein zündender Funke, der die verschiedensten Reaktionen auslöste. Was hat Truman getan und wie ist er dabei vorgegangen? Die verfassungsrechtliche und politische Situation bedurfte eineT sorgfältigen Planung. Bei der in der amerikanischen Verfassung verankerten Gewaltenteilung ergibt sich folgende Lage: Die Errichtung von diplomatischen Missionen im Ausland ist eine Angelegenheit der Regierung, auf die der Kongreß höchstens dadurch Einfluß nehmen kann, daß er die für eine bestimmte Mission notwendigen Budgetmittel versagt. Aber dies hat er auch in anderen Fällen schon manchem Präsidenten getan, indem er das Gehalt eines dem Kongreß mißliebigen Regierungsfunktionärs oder das Budget für ein Amt gestrichen hat. Die Ernennung eines Botschafters oder eines Gesandten ist eine Prärogative des Präsidenten, bedarf aber der Zustimmung des amerikanischen Senats. In außergewöhnlichen Fällen kann der Präsident den ernannten Diplomaten sogar provisorisch bestellen, besonders während der Zeit, wo der Senat nicht tagt. Aber auch in diesem Fall muß der Senat nach Wiederzusammentritt die Bestätigung geben. Versagt sie der Senat, so wird die Ernennung oder provisorische Bestellung hinfällig. Eine weitere Einschränkung ist, daß nach einem amerikanischen Gesetz kein aktiver Militär zu einer hohen zivilen Regierungsfunktion berufen werden darf. Sollen Ausnahmen geschehen, muß der amerikanische Kongreß regelmäßig ein Ausnahmegesetz, das ad personom gilt, beschließen.

Im Falle des Generals Mark Clark ergab sich folgende Situation: Der Präsident ließ die Ernennung am 20, Oktober verlautbaren, am selben Tag, an dem der Kongreß in Ferien ging und auch der Senat sich bis Ende Jänner vertagte. Schon die erste Stellungnahme Mark

Clarks vom 20. Oktober zeigte, daß das Weiße Haus und der General sich voll bewußt waren, daß eine provisorische Bestellung (recess apointment) nicht in Betracht käme, denn Mark Clark sagte, er sei bereit, die Ernennung des Präsidenten anzunehmen, „aber wenn ich gehe, werde ichalsMilitärgehen, im gleichen Status wie General Walter B e d e 1 1 Smith, als er nach Moskau ging“. Damit war aber auch klar zum Ausdruck gebracht, an welches Beispiel angeknüpft werden sollte. General Smith war während des Krieges und der ersten Nachkriegszeit als Botschafter in Moskau tätig und der Kongreß hatte für ihn ein Ausnahmegesetz erlassen. Der Präsident hat in einer Pressekonferenz am 25. Oktober auch ausdrücklich erkärt, daß er nicht an eine provisorische Bestellung denke, da ihm das amerikanische Recht nicht die Möglichkeit gebe, einen hohen Offizier ohne gesetzliche Ermächtigung für diesen Posten auch nur provisorisch zu bestellen, daß er aber selbstverständlich ein solches Ausnahmegesetz beantragen werde, sobald der Kongreß im Jänner wieder zusammentrete. Er hat hiezu ein eigenes Gutachten des amerikanischen Justizministeriums eingeholt.

Was aber mag Truman bewogen haben, in dieser Form die Ernennung durchzuführen? Hier sprechen, abgesehen von der Person General Mark Clarks, in erster Linie innerpolitische Momente mit. Von führenden protestantischen kirchlichen Persönlichkeiten wird gegen die Ernennung eines Botschafters beim Vatikan seit der Zeit Myron Tailors der Einwand erhoben, daß hiedurch das in der Verfassung verankerte Prinzip der Trennung von Kirche und Staat verletzt würde. Es sei hier der historischen Wahrheit entsprechend bemerkt, daß der Kampf um die Trennung von Kirche und Staat, der in die Zeit der amerikanischen Revolution zurückreicht, sich

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