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Stil päpstlicher Ostpolitik

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Von der Ostpolitik weltlicher Regierungen des Westens hat sich die vatikanische stets in einem wesentlichen Punkt unterschieden: Für den Heiligen Stuhl konnte ein geregeltes Verhältnis zu den kommunistisch regierten Ländern niemals allein in. äußerer Koexistenz, in einem „modus vivendi“ nur zwischen der römischen Zentralgewalt der Katholischen Kirche und den kommunistischen Regierungen bestehen. Da die Kirche ihrer Natur nach übernational ist, zugleich jedoch innerhalb konkreter Nationen und Staaten existiert, berührt vatikanische Ostpolitik — ob sie will oder nicht — stets auch die inneren

Verhältnisse der Länder. Es ging und geht dabei um die Frage, ob Auseinandersetzung oder gegenseitige Respektierung das Verhältnis von Gläubigen und (regierenden) Atheisten bestimmen soll, und ob sich die Interessen von Staat und Kirche so weit in Einklang bringen lassen, daß ihre verfassungsrechtliche Trennung — als modernes, von der Kirche ungern und spät toleriertes Prinzip — zwei positive Konsequenzen zeitigt: gegenseitige Nichteinmischung, soweit es um geistliche oder politische Kompetenz geht, und gegenseitige Förderung, soweit es um das Gemeinwohl geht — etwa um nationale Interessen ...

Von den Schwierigkeiten der Auslegung

Sobald ein solches Detail in den grundsätzlichen Überlegungen erscheint, tauchen auch schon die Schwierigkeiten der Auslegung auf und signalisieren, wie wenig eine theoretische, etwa nur philosophisch-theologische oder völkerrechtlich-kanonischrechtliche Betrachtungsweise dem Phänomen päpstlicher Ostpolitik beikommt. Diese Politik orientiert sich zwar an jenen Grundsätzen (und man tut gut daran, dies nicht zu übersehen), sie bedient sich auch des juristischen Instrumentariums, das in Jahrhunderten kurialer Praxis entwickelt wurde, aber sie ist ihrem Wesen und ihrer Prozedur nach pragmatisch, also von den jeweils gegebenen Notwendigkeiten diktiert, wozu auch

vielerlei diplomatisch abgewogene Rücksichten gehören.

Von der Regel abgewichen

Ein geradezu klassisches Beispiel dafür bietet einer der im abgelaufenen Jahr unternommenen Schritte

vatikanischer Ostpolitik: Die

Ernennung von vier Apostolischen Administratoren in den Oder-Neisse-Gebieten, ein Schritt, an dessen Bedeutung in Polen wie in Deutschland viel herumgerätselt wurde. Nach der Definition des Päpstlichen Jahrbuches (Annuario Pontiflcio, 1967, Seite 1393) werden heutzutage solche Administratoren ernannt „aus Disziplinargründen bei Änderungen von Staatsgrenzen, bei Schwierigkeiten mit den weltlichen Regierungen“; . ihre Rechte, Pflichten und Privilegien werden in den Ernennungsschreiben festgelegt — ihr Inhalt ist im vorliegenden Fall unbekannt. In der offiziellen Bekanntmachung durch den „Osservatore Romano“ (28. Mai 1967)

heißt es lediglich, daß die vier Administratoren, die Bischöfe Kominek, Jop, Drzazga und Pluta, deren Wohnsitz in Breslau, Oppeln, Alienstein und Landsberg/Warthe nur in polnisch angegeben werden (Wroclaw, Opole, Olsztyn, Gorzöw),

„mit den Befugnissen (facoltä) von Residentialbischöfen“ ausgestattet wurden und daß sie Administratoren „ad nutum Sancti que Sedis“ sind, also vom Papst wieder abberufen werden können. Nach dem kanonischen Recht (c. 315) könnte jedoch nur ein auf Dauer bestellter Administrator die Befugnisse eines Residentialbischofs erhalten; man ist also in diesem Fall von der Regel abgewichen, wahrscheinlich deshalb, weil diese Bischöfe ohnehin bereits seit 1951 volle Jurisdiktion von Ordinarien auf ihrem Territorium besitzen und seit 1956 auch ausüben (.....plena jurisdictio eptiscopi

residentialis in eodem territorio competit“, heißt es im Einsetzungsdekret).

Ein weitverbreiteter Irrtum

Ein Blick in das „Päpstliche Jahrbuch“ lehrt auch, daß diese vier Bischöfe keineswegs — wie sogar der „Osservatore Romano“ irrtümlich wiederholte — bisher Generalvikare Kardinal Wyszynskis waren; nur die weiteren neun Hilfsbischöfe dieser vier Ordinarien sind im Jahrbuch als Weihbischöfe Wyszynskis in seiner Eigenschaft als Erzbischof von Gne-sen genannt, während die vier neuen Administratoren bisher nur in einer Fußnote zur Diözese Breslau genannt waren, ohne daß ihre kirchenrechtliche Position klar definiert wurde. Praktisch aber besteht seit Jahren in den Oder-Neisse-Gebie-ten eine keineswegs provisorische, sondern fest etablierte polnische

Kirchenorganisation mit 13 Bischöfen, die ihre Seelsorgegefciete als fest umgrenzte Diözesen betrachten und verwalten, auch wenn sie es formal-kirchenrechtlich nicht sind.

Der „Osservatore Romano“ zählte die Motive auf, die den Vatikan

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