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GIOVANNI DELLEPIANE + DER NUNTIUS

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Auf dem breiten, still und verschlossen wirkenden Haus in der Theresianumgasse auf der Wieden wehen schwarze Fahnen, in den Sälen, in den Zimmern und auf den Gängen der Nuntiatur ist es noch ruhiger, noch lautloser als sonst. Der Nuntius ist tot. Nach einer kurzen, heftigen Krankheit, gegen deren Tücke auch heute noch die Medizin machtlos ist, wurde Sonntag das Leben dieses Mannes hinweggerafft. Der Nuntius ist der Vertreter des Vatikans, der Vertreter des Heiligen Stuhles. Erzbischof Giovanni Dellepiane hat dieses Amt nicht nur mit der ganzen Lebendigkeit, der ganzen Impulsivität seines Temperamentes ausgefüllt, er hat viel mehr getan, als normalerweise die diplomatische Routine von ihm verlangt hätte. Er war ein Freund Österreichs. Das sagt sich leicht und wird oft als ein Abschiedsgruß einem scheidenden

Botschafter nachgesagt. Hier, bei diesem Mann trifft es jedoch zu wie kaum bei einem anderen. Und darum trauern um diesen Mann nicht nur seine engeren Mitarbeiter und Freunde, nicht nur die Kirche in Österreich, nicht nur das Diplomatische Korps, dessen Doyen, dessen Sprecher er war, um ihn trauert auch die Republik Österreich, um die er sich Verdienste erworben hat, die nicht durch Orden und Ehrenzeichen abgegolten werden können. Wie sehr der Nuntius sich hier zu Hause fühlte, beweist schon die Geschichte seiner Krankheit. Er war im Juli auf Urlaub in seiner Genueser Heimat, als er Schmerzen in der Brust verspürte. Obwohl er sie anfänglich nur auf eine übergangene Verkühlung zurückführte, fuhr er doch nach Wien zurück. Gewiß mag dabei das besondere Vertrauen in die Kunst österreichi- r scher Arzte mitgespielt haben, ge- * wiß aber auch das Gefühl, was 1 immer auch geschehe, zu Hause sein 1 zu wollen. Und dieses Zuhause war 1 für ihn Wien.

r Als Erzbischof Dellepiane am 4 12. Jänner 1949 als Internuntius e nach Wien kam, hatte er bereits

- eine sehr verdienstvolle Karriere im

- kirchlichen Verwaltungsdienst hin- r ter sich. Giovanni Dellepiane wurde

- am 21. Februar 1889 in Genua ge- f Foren, wurde am 25. Juli 1914 zum

- Priester geweiht und war anschlie- 4 ßend im kirchlichen Verwaltungs-

- dienst tätig, darunter ah General-

- vikar in Smyrna. 1929 ernannte ihn s Pius XI. zum Titulare-rzbischof von e Stauropolis. Schon mit Beginn des r Jahres 1930 wurde er als Aposto- s Uscher Legat nach Belgisch-Kongo n entsandt. Fast zwanzig Jahre hat 4 Erzbischof Dellepiane im Kongo gelebt. Begreiflich, daß diesem Land im besonderen sein Herz gehörte und daß die Nachrichten über die Wirren, über Bürgerkrieg, Tod und Zerstörung ihn besonders hart trafen. 1949 berief ihn der Heilige Stuhl als Internuntius nach Österreich. Hier war eine Aufgabe ganz anderer Art, aber nicht weniger schwierig, zu lösen.

Wir können heute, nachdem der Tod hinter seine über zehnjährige Arbeit in diesem Lande einen Schlußpunkt setzte, sagen, er hat diese Aufgabe erfüllt. Diese Aufgabe war: Er sollte die Beziehungen zwischen Österreich und dem Heiligen Stuhl in der Atmosphäre, aber auch in der rechtlichen Form wieder so gestalten, wie es der katholischen Tradition dieses Landes, der jahrhundertealten Freundschaft, aber auch den rechtlichen Bindungen zwischen beiden Ländern entsprach. Es war das Konkordat, das Nuntius Dellepiane wieder als die Grundlage der rechtlichen Beziehungen zwischen Österreich und dem Heiligen Stuhl in Wirksamkeit bringen sollte. Das schien 1949 und 1951 ein aussichtsloses Beginnen.

Nuntius Dellepiane hat das was viele damals für unmöglich hielten, zustande gebracht. Er hat die Anerkennung des Konkordat: erreicht. Es war nicht leicht, die These von der Gültigkeit des Konkordats und von der Notwendigkeit, geschlossene Verträge einzuhalten, allgemeine Auffassung werden zu lassen. Es bedurfte nicht nur einer unermüdlichen und zähen Arbeit, es bedurfte des ganzen Temperaments des Nuntius, um hier durchzudringen. Nuntius Dellepiane hat seine Aufgabe als eine Aufgabe der Durchsetzung des Rechtes betrach tet und hat sich daher auch in Österreich immer auf den Boden des Rechtes gestellt. Er hat aber dabei, und das mag für viele überraschend, ja revolutionär geschienen haben, die gegebenen politischen Tatsachen in Österreich zur Kenntnis genommen. Nicht, daß er mit den Parteien über das Konkordat verhandelt hätte, er hat stets nur mit jenen staatlichen Funktionären der Republik Österreich Verhandlungen geführt, die für solche Verhandlungen zuständig waren. Allerdings ohne Rücksicht auf die politische Herkunft des jeweiligen Vertreters des Staates. Man hat das nicht immer und überall verstanden, und das hat dem Nuntius neben Freundschaften auch manche überraschende Gegnerschaft eingetragen. Aber er hat es erreicht! Der Tag, an dem das österreichische Parlament, als erste frei gewählte Volksvertretung in der Geschichte Österreichs, mit überwältigender Mehrheit zwei Konkordatsverträge bewilligte, war für ihn wohl einer der schönsten Tage seines Lebens.

Aber Erzbischof Dellepiane war nicht nur der Gesandte des Vatikans in Österreich und hatte dessen Auftrag erfüllt, das Konkordat wieder in Geltung gesetzt, er hatte auch als treuer Anwalt Österreichs immer und immer wieder versucht, in Rom den Ansichten Österreichs und vor allem seinen Möglichkeiten Gehör zu verschaffen. Seit 1529 gibt es Apostolische Nuntien in Österreich. Wenige von ihnen sind mitten in ihrer Arbeit hier gestorben, um kaum einen aber wird Staat und Volk von Österreich so trauern, wie um Nuntius Giovanni Dellepiane, den großen Freund unseres Landes. b.

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