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Zeitgenosse

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Österreich ist ihm sichtlich sympathisch, auch jenseits der diplomatischen BerufsnotweredigkeAten: Der neue Apostolische Nuntius, Erz-bischof Mario Cagna, hat sogar seinen Sommerurlaub tief in den Herbst hinein verschoben, um möglichst rasch mit seinem Gastland und dessen Menschen in Kontakt zu kommen. Wenige Wochen erst ist Erzbischof Oagna „Hausherr“ in dem so römisch wirkenden Palais in der Wiener Theresianumsasse, dessen wohlausgewogene Proportionen nie vermuten lassen würden, daß dieser Bau aus den Zehnerjahren unseres Jahrhunderts stammt. Trotz der kurzen Zeitspanne seit seiner Ankunft hat sich Erzbischof Cagna bereits wieder ganz gut in die deutsche Sprache „hineingelebt“. Daß er jeden Tag die heilige Messe in deutscher Sprache zelebriert, mag dazu auch ein wenig beigetragen •haben.

An sich liegt das Deutschstudfi,um des neuen Nuntius 15 Jahre zurück: Damals gehörte Mario Cagna zum Stab der päpstlichen- Vertretung bei der italienischen Republik. Deutsch

lernte er während dieser Zeit in Rom aus Interesse — übrigens bei einem österreichischen Professor, der an der päpstlichen Dipdoma-tehakademie unterrichtete. Kurz darauf ernannte ihn Johannes XXIII. zum Titularerzbisohof von Heraclea und schickte ihn als Pronuntius nach Tokio. Dort verließ sich Mario Cagna mehr auf das Englische, deren: „Entweder hätte ich Japanisch gelernt oder nig Nuntius gewirkt; beides zur gleichen Zeit ging nicht“. An seinem nächsten Einsatzort — in Belgrad — ließ sich Erzbischof Cagna von der Schwierigkeit der Sprache nicht abschrek-ken. Er lernte Serbokroatisch so gut, daß er sich in dieser Sprache fließend verständigen kann. Sowohl das politische Belgrad als auch die Vertreter der katholischen Kirche in Jugoslawien haben diese Geste Cagnas sehr zu schätzen gewußt

In Belgrad hat Mario Cagna den Heiligen Stuhl fast zehn Jahre lang vertreten, zunächst noch als Apostolischer Delegat, dann, nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, als Apostolischer Pronuntius. Die Versetzung nach Wien bedeutet einen vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere. Bekanntlich nimmt die Nuntiatur in Wien unter den Vertretungen des Heiligen Stuhls einen besonderen Rang ein. Die traditionelle

Rolle des größeren Österreich für die Kirche in Europa wirkt noch nach. In einem total veränderten Kontinent mit einem neutralen Österreich an der Nahtstelle der beiden großen militärisch-politischen Blöcke mag einer Nuntiatur in Wien aber auch als „Luginsland“ in die Osthälfte Europas neue Bedeutung zukommen.

Zwischen Österreich selbst und dem Heiligen Stuhl gibt es kaum offene Probleme; Nuntius Cagna hat es untmdttellbar nach seiner Ankunft in Wien bei einem ersten Gespräch mit der „Kathpress“ betont. Mit Ausnahme der Frage der Rechtswirk-samkeit der kanonischen Eheschließung für den staatlichen Bereich ist das Konkordat in das Reohtssysttem der Zweiten Republik voll integriert, die Veraiögensfragen sind geregelt. Daß sich die weltanschauliche Auseinandersetzung auch in Österreich zusehends verschärft, daß da und dornt die verstaubten Argumente eines Antiklerikalismus aus der Mottenkiste des 19. Jahrhunderts wieder auftauchen, steht auf einem anderen Blatt.

Erzbischof Cagna versteht die Aufgabe der Kirche heute vor allem als eine spirituelle. Und er ist durchaus optimistisch, was ihre Zukunft betrifft. Seine Vorliebe für die historischen Studien hat ihm jene Weite

und Gelassenheit des Blicks bewahrt, die den Un.tergangspropheten abgeht, die nur die Not des Augenblicks sehen. In der Konfrontation mit Ländern unterschiedlicher geistiger Tradition und ideologischer Ausrichtung ist Cagnas Überzeugung gewachsen, daß die Menschen gerade heute -mehr denn je Hunger

nach dem Absoluten, nach Sinn-lerfüllung ihres Daseins haben, daß Materialismus und Hedonismus von mehr und mehr Menschen als schale Ersatzdragen entlarvt werden. Vorbilder sind gefragt- „Was wir brauchen, sind Menschen, die in ihrem Leben Gott transparent machen, Heilige mit einem Wort“, formuliert der neue Nuntius. Und er ist überzeugt davon, daß es mehr von ihnen gibt, als vermutet. Denn nur in den seltensten Fällen gäben diese Menschen Stoff für die Massenmedien, wie überhaupt das alltägliche Gute eben nicht im Scheinwerferlicht geschehe.

Im Gespräch mit dem neuen Nuntius — der ein sehr offener, lebhafter Gesprächspartner ist — wird immer wieder spürbar, wie sehr er sich vor allem als Priester versteht, wie sehr er aber auch vom Geist seiner italienischen Heimatregiön Piemont geprägt ist, wo er vor' 65 Jahren geboren wurde. Die Piemon-tesen sind eher nüchterne Leute, Realismus ist ihre Stärke. Aber es ist ein Realismus, der mit Gottvertrauen und einem Hang zur spirituellen Vertiefung Hand' in Hand geht. Vielleicht ist es kein Zufall, daß der neue Nuntius gern Don Bosco zitiert, der diesen Geist Piemonts am deutlichsten personifiziert.

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