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Am 1. September tritt der neue Vertreter des Heiligen Stuhls in Österreich, Erzbi-schof Donato Squicciarini, sein Amt an. Welche Aufgaben hatten und haben die päpstlichen Nuntiaturen?

„Durch Unsere Legaten, die bei den verschiedenen Nationen weilen, nehmen Wir selbst teil am Leben Unserer Kinder, gliedern Uns gleichsam in ihre Gemeinschaft ein und-werden leichter und sicherer mit ihren Anliegen und tiefsten Wünschen bekannt.“

So lautet ein Schlüsselsatz des Motuproprios Pauls VT. „Sollicitu-do Omni um Ecclesiarum“ vom 24. Juni 1060, durch das einem im Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe Artikel 0, Absatz 2 geäußerten Wunsch entsprochen wurde, „daß unter Berücksichtigung des den Bischöfen eigenen Hirtenamtes das Amt der päpstlichen Legaten genauer abgegrenzt werde.“ Die Konzilsväter waren der Meinung, daß im Zusammenhang mit der Betonung der Eigenständigkeit des Bischofsamtes in Artikel 8a - einer der zentralen Aussagendes Zweiten Vatikanums - in Artikel 0 eigens auf die Konsequenzen für die Stellung der päpstlichen Legaten zu verweisen wäre.

Das Motuproprio Pauls VI. - dessen Inhalt in den Kanones 362 bis 367 des Codex Iuris Canonici 1083 zusammengefaßt wurde und das diesen ergänzend weiter in Geltung steht - gehört jedoch in jene Phase nachkonziliarer retardierender Gesetzgebung Ende der Sechzigerund Anfang der Siebzigerjahre, als in vielen Bereichen ein Schritt zurück gemacht wurde.

Die bemerkenswerteste grundsätzliche Neuerung gegenüber dem Recht des Codex von 1017 besteht im Vorrang der innerkirchlich religiösen Funktion vor der nachgeordneten Pflege der diplomatischen Beziehungen. Beide Aufgaben haben ihre eigenen historischen Wurzeln. Abgesehen von Vorläufern im ersten Jahrtausend entwickelte sich ein päpstliches Legatenwesen mit innerkirchlichen Funktionen als Mittel der Durchführung der gregorianischen Reform und später der Bekämpfung der Häresien und zur Begleitung der Kreuzzüge. Es handelte sich nicht um ständige Einrichtungen, sondern um sachlich, örtlich und zeitlich begrenzte Funktionen.

Die ständigen Nuntiaturen entwickelten sich später nach dem Vorbild des Gesandtschaftswesens der italienischen Stadtstaaten. Zu den politischen und ökonomischen Funktionen der päpstlichen Gesandten, die zunächst oft auch Laien waren, kommen im Zuge der Gegenreformation innerkirchliche Aufgaben dazu, wodurch eine Anknüpfung an das mittelalterliche Legatenwesen gegeben war. Bereits im 16. Jahrhundert, am Konzil von Trient, wurde der Konflikt zwischen Ortsbischöfen und päpstlichen Gesandten wegen konkurrierender Jurisdiktion virulent, wobei die Interessen der Gläubigen nicht selten bei den Nuntien besser aufgehoben waren, als bei „fürstlichen“ Bischöfen.

Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts führte dies zu einem latenten Nuntiaturstreit, der erst unter den geänderten politischen Verhältnissen im 10. Jahrhundert abzuebben begann. So sehr Konflikte um päpstliche Gesandte sich als Dauerbrenner neuzeitlicher Kirchengeschichte dartun, soll doch hinsichtlich der letzten hundert Jahre nicht ihre positive Funktion in totalitären Staaten - also unter außerordentlichen Bedingungen - übersehen werden.

Bei der Erfüllung einer gegenwärtig besonders wichtigen diplomatischen Funktion, nämlich der - unübersehbar erfolgreichen - Mitwirkung an internationalen Abkommen zur Friedenssicherung bedient sich der Heilige Stuhl allerdings eigens erkorener Fachleute und nur in den seltensten Fällen der ständigen Legaten.

Das päpstliche Gesandtschaftswesen dient nach dem gegenwärtigen Recht also hauptsächlich der Verbindung zwischen dem Papst und den Bischöfen beziehungsweise den Gläubigen. Das Motuproprio spricht von zwei Bewegungsrichtungen, wobei die päpstlichen Legaten einer „Bewegung entsprechen“, die „vom Mittelpunkt der Kirche zur Peripherie führt“, während die Intemationalisierung der Kurie, die E inrichtung der Bischofssynode, die „ad-limina-Besuche“ der Bischöfe „die Bewegung zum Zentrum und Herzen der Kirche“ darstellen. Statt der durch das Konzil intendierten Beschränkung und Begrenzung der Aufgaben der Legaten erfolgte unter Hinweis auf die Ekklesiologie des Konzils eine Erweiterung. Daß man sich dafür auf die Communio-Verfassung der Kirche und die Kollegialität der Bischöfe berief, führte zu vielen bitteren Kommentaren.

Was sind nun die Aufgaben der päpstlichen Gesandten im einzelnen? Als erste werden Berichterstattung und Information des Heiligen Stuhles genannt, dann die Auslegung von Akten, Dokumenten, Mitteilungen und Verordnungen des Apostolischen Stuhles für die Betroffenen in Zusammenarbeit mit den kurialen Behörden.

Als eigene Aufgabe ist ihre Mitwirkung bei Bischofsernennungen in der lateinischen Kirche erwähnt, eine Funktion, die immer schon für Kritik gesorgt hat. Die genaueren Bestimmungen dafür finden sich in einem eigenen Gesetz aus 1072, in dem das durch den Nuntius durchzuführende Verfahren pikanterweise „Inquisition“ genannt wird.

Was die Beziehung zu den Bischöfen betrifft, hat der päpstliche Legat „die Pflicht im Geiste brüderlicher Zusammenarbeit, bereitwillig und hochherzig durch Rat und Tat seine Hilfe zu gewähren unter voller Wahrung der Jurisdiktion der Bischöfe.“

Während im Verhältnis zu den Bischöfen keine Rechte des Legaten genannt werden, finden sich solche bei der Normierung seiner Beziehung zu den Bischofskonferenzen: Rechtzeitige Zustellung der in der Vollversammlung der Bischöfe zur Beratung stehenden Punkte, Übersendung eines Exemplares der Akten zur Kenntnisnahme und Übermittlung an den Heiligen Stuhl, Teilnahme an der Eröffnungssitzung. Schließlich finden sich auch noch entsprechende Rechte gegenüber klösterlichen Verbänden päpstlichen Rechts.

Die ratio legis der Aufwertung der Legaten, vor allem durch die Regelung des Verhältnisses zu den Bischofskonferenzen ist wohl nicht zuletzt im alten Mißtrauen Roms gegenüber der Gefahr nationalkirchlicher Strömungen zu sehen.

Wie so oft im Kirchenrecht ist also auch die Stellung der päpstlichen Legaten-namenÜichgegenüberden Bischöfen - durch Appelle, Wünsche und Empfehlungen umschrieben. Aus einer vordergründigen rechtlichen Sicht muß der Befund daher in Hinblick auf Rechtspflichten und Sanktionen als äußerst unergiebig bezeichnet werden. Daran können selbst die kürzlich erfolgten bedenklichen Akzentsetzungen in den bischöflichen Treueeiden nichts ändern. Wenn auch eine gesetzesp ositi vistische Argumentation im Umfeld der jüngsten Bischofsernennungen in der Kirche wieder um sich gegriffen hat, zeigt sich einmal mehr die Inadäquanz derartiger Betrachtungsweisen im Recht der Kirche. Einerseits, weil man sich in einem in der Heilstat Jesu Christi fundierten Recht nicht legalistisch argumentierend mit einem Achselzucken über Normen ohne rechtliche Sanktionen hinwegsetzen kann. Andererseits aber, weil man durch in Rechtsformen gegossene beschönigende Unverbindlich-keit vorhandene strukturelle Schwächen - wie etwa die eingangs zitierte Sicht der Legaten als Erziehungsbevollmächtigte für die als Kinder verstandenen Ortskirchen -überdeckt und damit verstärkt.

Der Autor ist Ordinarius für Kirchenrecht an der Universität Wien.

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