Meister im Dialog und im Zuhören

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Äußerst lesenswert: Josef Bruckmosers jüngst in Graz vorgestelltes Buch über den Grazer Altbischof Johann Weber.

Ein lebendes Monument der römisch-katholischen Kirche Österreichs steht im Zentrum eines neuen Buches: "Johann Weber - Kirche auf der Spur des Konzils". Josef Bruckmoser, einer der führenden Religions- und Bildungsjournalisten Österreichs, hat es schon für den 75. Geburtstag des angesehenen Altbischofs der Diözese Graz-Seckau, den 26. April 2002, geschrieben.

Bruckmoser, Lokalchef der "Salzburger Nachrichten" und Nichtsteirer, lässt viele Wegbegleiter Webers und natürlich den Altbischof selbst mit vielen Aussagen zu Wort kommen, was ein umfassendes, vielschichtiges Bild einer ebenso leutseligen wie tief-spirituellen Persönlichkeit ergibt.

Die reine Biographie ist am Ende gut zusammengefasst - beginnend mit der Familie: geboren in Graz-St. Veit, fünf Geschwister, eine fromme Mutter, der Vater ein nicht kirchlich sozialisierter Gendarmerie-Inspektor. Johann besucht kurz das bischöfliche Knabenseminar, dann das Akademischen Gymnasium in Graz. Schon mit elf Jahren äußert er den Wunsch, Priester zu werden, Doch von Nazizeit und Kriegsdienst gezeichnet, studiert er zunächst Geschichte und Germanistik, ehe er auf Theologie umsattelt und 1950 die Priesterweihe erhält.

Kaplansjahren in Kapfenberg und Köflach folgt eine mehrjährige Zeit als Diözesanseelsorger der Katholischen Arbeiterjugend - vom großen Motor dieser Bewegung, dem belgischen Kardinal Joseph Cardijn, sieht sich Weber für sein ganzes Leben geprägt. 1962 wird er Stadtpfarrer in Graz-St. Andrä und erhöht dort die Beteiligung am Messbesuch bedeutend. Während einer kritischen Spaltung des steirischen Klerus erfolgt 1969 die Ernennung und Weihe zum Bischof von Graz-Seckau. Weber wählt den Leitspruch: Den Armen die Frohe Botschaft bringen. Nach fast 32 Bischofsjahren übergibt er im Frühjahr 2001 eine wohl bestellte Diözese an seinen Nachfolger Egon Kapellari.

In der Bischofskonferenz, deren Vorsitz Weber in den stürmischen Jahren 1995 bis 1998 innehatte, war er besonders lange für die Theologischen Fakultäten, die Seminare und die geistlichen Berufe zuständig. Die Journalisten erlebten ihn viele Jahre als Pressesprecher und einige Zeit als Medienreferenten der Bischofskonferenz. Ökumenische Kontakte und eine gute Gesprächsbasis zu allen politischen Parteien waren für Weber, dem viele Auszeichnungen zuteil wurden, selbstverständlich.

Bei der Nennung seiner Mängel - "kein Führerschein, kein Instrument, keine Sprachen" - bedauert Weber vor allem, keine Fremdsprache zu beherrschen: "Ich sitze manchmal wirklich dumm daneben." Doch weniger dieser Mangel, sondern sein Naturell hielt - so der steirische Altlandeshauptmann Josef Krainer - Weber davon ab, Rom-Kontakte besonders zu pflegen: "Weber hat es absolut nicht gemocht, diese römischen Insidergeschichten zu betreiben. Antichambrieren und Kirchendiplomatie waren ihm zutiefst zuwider, weil sie völlig seinem Bild und Verständnis von Kirche widersprochen haben."

Weber wollte als Seelsorger "bei den Leuten" sein. Das brachte dieser echte Volksbischof auch in Buchform (illustriert vom Innsbrucker Kollegen Reinhold Stecher) zum Ausdruck. Dazu Bruckmoser: "Webers Christentum ist keine fertige Formel, der das Leben angepasst werden muss. Es ist eine Bewegung, die immer dorthin strebt und sich ausstreckt, wo die Menschen sind." Seinen Mitarbeitern ließ dieser Meister des Dialogs und des Zuhören-Könnens stets "eine lange Leine".

Weber hat zwar nichts gegen die Movimenti, aber in der Mitte seines Kirchenverständnisses steht die Pfarre. Von der Bedeutung des Zölibates ist er überzeugt. Im Gegensatz zu manch anderem Kleriker gibt Weber aber Laien nie das Gefühl, sie seien Christen zweiter Klasse. Er weiß, nur im Umfeld vieler engagierter Laien wachsen auch gute Priester heran.

In die Ära Weber fällt vor allem die Umsetzung des Konzils, etwa die Errichtung diverser diözesaner Gremien. Der Steirische Katholikentag 1981 ist Vorreiter für den Österreichischen Katholikentag 1983, dem ein Papstbesuch im steirischen Mariazell folgt. 1993 zeigt der Tag der Steiermark, ein Dialogvorgang in ökumenischer Trägerschaft, die besondere Vitalität von Webers Diözese. 1996 sammelt er, gerade Vorsitzender der Bischofskonferenz, das zerstrittene Kirchenvolk zur Wallfahrt der Vielfalt nach Mariazell. 1997 beherbergt Graz die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung.

1998 springt Weber bei der Salzburger Delegiertenversammlung zum Dialog für Österreich als Vorsitzender für den erkrankten Kardinal Christoph Schönborn ein. Nur ein Beispiel für andere Großtaten der 32 Bischofsjahre Webers: die verdienstvolle Restaurierung und Revitalisierung des Grazer Priesterseminars. Am wenigsten sei man in seiner Ära in dem weitergekommen, "man Mystik nennt", bedauert Weber heute.

Wenn sich Leute als religiös ansehen und erklären: "Ich brauche keine Kirche, ich bete im Wald", so hält das Weber für Selbstbetrug. Ein Hauptzug des Bischofs ist seine Liebe zur Kirche trotz all ihrer Schwächen: "Ich könnte wahrscheinlich noch mehr Fehler der Kirche erzählen als andere, weil ich mehr weiß. Aber da bin ich wirklich mit mir im Reinen."

Bruckmoser liefert noch viele Details über Johann Weber, der ein belesener Mann und dabei ein Freund des gehobenen Kriminalromans ist. Er zeigt Webers ständiges, oft unbedanktes Bemühen um Dialog und Versöhnung zwischen den unterschiedlichen Lagern in der Kirche: "Einen solchen Streit muss man aushalten, aber er darf nicht auf der Schiene gläubig-ungläubig laufen. Das Ringen miteinander muss man nicht verstecken, aber dieses Ringen hört als gemeinsame Anstrengung auf, wenn ich zum anderen sage: Du bist schon draußen." Das geht wohl an die Adresse von Mitbruder Kurt Krenn, der für Weber "privat ein charmanter Bursche" ist.

Der Anhang dokumentiert wichtige Aussagen Webers, auch jene bei der Übergabe des Kirchenvolksbegehrens, das Weber als "Alarmzeichen" und zugleich " Zeichen für die Vitalität" der Kirche ansah. Seine Haltung drückte er so aus: "Wir wollen die Beheimatung aller und nicht Ausgrenzung, wir wollen also verstärken, dass ,katholisch' auch Buntheit bedeutet, mit ,progressiven' und ,konservativen' Katholiken ohne Monopolanspruch."

Bruckmoser entfaltet nicht nur eine Biographie, sondern auch spannende Jahrzehnte der jüngeren Kirchengeschichte. Fazit: ein interessantes, kompetentes Buch, ausgehend von einer interessanten, kompetenten Persönlichkeit. Was will man mehr?

JOHANN WEBER - KIRCHE AUF DER SPUR DES KONZILS.

Von Josef Bruckmoser, Verlag Styria, Graz 2001, 288 Seiten, öS 315,-/e 22,89

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