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„Grünes Fest” zum Auftakt

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In Mariazell, Ort der diesjährigen Landesausstellung, findet sich „religiöse” Kunst von Rainer bis Schmalix. „Kirche und Kunst” thematisierte auch eine großangelegte Ausstellung zeitgenössischer bildender Kunst in den steirischen Städten Graz, Weiz und Hartberg mit dem kritisch-reflexiven Titel „Unbedingte Zeichen. Glaube und Moderne an der Schwelle” im vergangenen Herbst. Aber nicht erst durch die jüngsten Megaprojekte, an denen rund fünfzig Künstler beteiligt waren, konnten sich die Steiermark und die heimische Kirche in den letzten Jahrzehnten als Zentrum des Dialogs zwischen moderner Kunst und Kirche etablieren.

Viel eher kann man yon einer erfreulichen Tradition sprechen: Geistliche Persönlichkeiten, wie der Rektor der Mihoriten, Josef Fink, der nun schon seit über 20 Jahren konsequent und kontinuierlich mit Ausstellungen, und Veranstaltungen junge Künstler fördert, oder der junge Priester Hermann Glettler (wie Fink Maler), der zahlreiche Projekte moderner Kunst nach Judenburg holte, zählen zu den Motoren einer fruchtbaren Symbiose. Diese hat in einigen Kirchenbauten ihren Niederschlag gefunden: etwa die Kirche des Stararchitekten Volker Giencke in Aigen im Ennstal, die Hundertwasser-Kirche in Rärnbach und Innenausstattungen von „Altetablierten” wie Rudolf Szy-szkowitz, Alfred Wickenburg bis zu jüngeren Künstlern wie Gustav Troger und dem Steirer Othmar Krenn.

Einen wesentlichen Fixpunkt in der Kulturförderung des Landes stellt der alljährliche „Ankaufspreis der Diözese Graz-Seckau für zeitgenössische bildende Kunst” dar, an dem sich immer wieder viele renommierte Künstler beteiligen. Gute Gründe daher - neben der Wahl Bischof Johann Webers zum Vorsitzenden der Osterreichischen Bischofskonferenz —, das seit 15 Jahren bestehende Künstlerfest aus der Wiener Michaeierkirche nach Graz zu transferieren. Transferiert wurden auch Termin, vom Aschermittwoch auf Pfingsten, und künstlerischer Schwerpunkt, von der darstellenden auf die bildende Kunst, um, laut Horst Kollingbaum, steirispher Organisator, Geschäftsführer des Katholischen Rildungswerkes und Künstler, „neue Impulse zu geben”.

Impulse, die schon das Ambiente, eine kleine, vor einem Jahr erneuerte, Kirche in einem der verkehrsreichsten und wenig einladenden Reton-dschungeln von Graz setzt. Denn, was Othmar Krenn im Inneren des unspektakulären Retonbaus der Pfarre St. Lukas am Eggenberger Gürtel geschaffen hat, kann man getrost als kleines „mystisch-meditatives” Einrichtungswunder bezeichnen: So wölbt sich ein Zeltdach über dem Kirchenraum, der vom starken, den Kosmos symbolisierenden Rlau der Wände geprägt wird. Stahl, Messing und

Stein dominieren als unprätentiöse Materialien. Der „Felsaltar” in Form eines Steines, ein mit Sand gefülltes Kreuz, eine mit Glas und Licht umrahmte Madonna wirken in ihrer Simplizität. Neben den Rindegliedern zum Außenraum, einem Zebrastreifen und den ßodenmarkierungen, findet man eine Ampel und, in die Wände eingelassen, weiße Federn, Symbole, die den direkten Rezug zum Pfingstfest herstellen.

Als Auftakt zur „meditativen Collage”, an der am 15. Mai rund 100 Resucher in St. Lukas nebst zahlreichen Ehrengästen und ORF, auch Mitveranstalter, teilnahmen, fungierte eine spektakuläre Aktion Othmar Krenns am Vorabend. Von einem Hochhaus ließ sich der Künstler in einem eisernen Käfig zum Gebet eines Muezzin auf den brodelnden Verkehr vor der Kirche herab, begleitet von zwölf Feuerbällen und weißen, flatternde Federn.

Das Fest bringt viel Nachdenkliches und auch, so Horst Kollingbaum, Gewagtes, „weil es wichtig ist, Diskussionen auszulösen, Emotionen zu erwecken.” So handelt die Tanz-Performance der jungen Grazerin Klaudia Reichenbacher und der Gruppe Edith Draxls von Gewalt und, Hoffnungslosigkeit, von Aggressionen und der verzweifelten - zunächst erfolglosen - Suche nach Gott. Themen, die auch in Rischof Johann Webers Rede anklangen.

Wesentlich war es für die Künstler und Organisatoren, „die unterschiedlichsten Zugänge zur Thematik Pfingsten” zu präsentieren. Traditionelles mit Meditativem verknüpft die musikalisch unterlegte Textcollage des Schauspielers Peter Uray, der Stellen des ersten Korintherbriefs und Antony de Mellos Lebensbetrachtungen als Reispiele für die Suche nach Gott offerierte. Eine im Tanz verlorene Feder greift der Grazer Märchenerzähler Folke 1 'egetthof für seine spi -rituelle Geschichte von Glaube, Hoffnung und Lebenskraft auf.

Der musikalische Schwerpunkt liegt auf den „möglichst authentischen” Chorälen aus dem 9. Jahrhundert der Grazer Choralschola, einer fünfzehnköpfigen Gruppe, die seit einigen Jahren erfolgreich Lesungen und Meditationen begleitet. Anläßlich der 3000-Jahr-Feier wird sie im Herbst auch in Jerusalem gastieren.

Othmar Krenns „Feuer und Federn Aktion” und die Überreichung einer „Jochstola” (eine Art „Pferdegeschirr” als kritische Metapher des Priesterberufs) des Grazer Künstlers Wolfgang Rahs an Rischof Weber rundeten als Repräsentanten der bildenden Kunst ein Fest ab, das nicht nur durch sein vielfältiges Angebot glänzte.

Überzeugen konnte vor allem, die Verbindung Kunst-Kirche, die nicht nur Insider, sondern auch die überwiegende Mehrzahl der einzelnen, von „Kunst betroffenen” Pfarrgemeinden positiv einbezieht. Also gute Aussichten für Organisator Horst Kollingbaum und die Steiermark - ein weiteres „grünes” Künstlerfest scheint möglich!

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