Johann Weber Bischofskonferenz - Die Bischöfe Kurt Krenn, Alois Kothgasser, Johann Weber und Kardinal Christoph Schönborn vor Beginn der Frühjahrskonferenz der Bischöfe am 22. März 1999 in Eisenstadt. - © Foto: APA/Robert Jaeger

Rücktritt Johann Weber: Zornigsein oder nicht Zornigsein

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Nach dem Bekanntwerden von Bischof Webers Rücktrittsgesuch erwartet die Steiermark einen neuen Hirten. Die Stimmung schwankt zwischen Hoffen und Bangen.

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Nach dem Bekanntwerden von Bischof Webers Rücktrittsgesuch erwartet die Steiermark einen neuen Hirten. Die Stimmung schwankt zwischen Hoffen und Bangen.

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Der kürzlich veröffentlichte Brief des Grazer Diözesanbischofs Johann Weber mit der Bitte an Papst Johannes Paul II., er möge seine Ablöse in nächster Zeit in Betracht ziehen, hat viele Menschen überrascht. Denn Weber wird erst im April des nächsten Jahres 75, es wäre also noch Zeit für ein Rücktrittsansuchen, das allen Bischöfen im 75. Lebensjahr vorgeschrieben ist. Der Grazer Bischof wollte aber offensichtlich selbst die Initiative ergreifen und auf diese Weise der Gerüchteküche ein Ende bereiten, die schon seit einiger Zeit für Spekulationen aller Art und damit für manche Beunruhigung der steirischen Katholiken sorgt. So hat zum Beispiel die Nennung des Namens von Weihbischof Laun als angeblicher Nachfolger Webers vorübergehend beträchtlich Aufregung ausgelöst. Auch Bischof Kurt Krenn hat wiederholt sehr gezielt personelle Nachfolge-Spekulationen ins Spiel gebracht, wobei er die alte, oft erprobte Verbindung zu seinem Leib-Journalisten Hubert Wachter im Magazin "News" kräftig nützte.

Mit seinem etwas vorzeitigen Rücktrittsangebot an den Papst, das entgegen einer voreiligen Meldung im Fernsehen von Rom noch nicht angenommen worden ist, wollte Bischof Weber das Gespinst dieser Gerüchte zerreißen und für Klarheit sorgen. Zahlreiche spontane Reaktionen der Steiermark zeigen, dass der Vorstoß von Bischof Weber von sehr vielen Menschen im ganzen Land positiv aufgenommen worden ist, wenn auch der Gedanke an einen Abschied von der Weber-Ära die allermeisten Steirer schmerzlich berührt. Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass in der Steiermark eine ganze Generation bis hin zu den Enddreißigern keinen anderen Bischof als Johann Weber bewusst erlebt hat. Dazu kommt noch, das Johann Weber als glaubwürdige Verkörperung der konziliaren Erneuerung, als populäre Integrationsfigur des ganzen Landes und als Wortführer katholischer Breite nach wie vor allgegenwärtig ist.

Eine Wiener Zeitung schrieb erst kürzlich, Rom wolle bei der Nachfolge von Bischof Weber keinen neuen Krieg provozieren. Dazu kann man nur sagen: Diesen Wunsch in Gottes Ohr!

Ein Signal für diese breite Volksstimmung war es, dass in ersten Stellungnahmen im steirischen Fernsehen die Wortführer aller steirischen Landtagsparteien, von der Volkspartei über die Sozialdemokraten bis hin zu den Freiheitlichen, in Worten persönlicher Betroffenheit, nicht in üblichen Stehsätzen, das Werk des Bischofs würdigten. Sie alle bedauerten seinen bevorstehenden Rücktritt, verstanden aber auch die Motive für seinen Brief.

"Steirischer Furor"

Diese Übereinstimmung zeigt sich auch in der Sorge um die Zukunft der Kirche in der grünen Mark. Denn hier bangt man, dass unter Umständen in Verkennung der wirklichen Gegebenheiten als neuer Bischof der Typ eines "Vollstreckers" eingesetzt werden könnte, was den "steirischen Furor", den Volkszorn der Steirer herausfordern könnte. Die Hoffnungen unzähliger Gutgesinnter an Mur und Mürz konzentrieren sich daher darauf, dass der neue Bischof, so verschieden er auch in seiner Persönlichkeit und in seinem Stil sein mag, über die besondere Sensibilität des Landes Steiermark Bescheid weiß und die großen inhaltlichen Linien Webers fortführt.

Zur besonderen Sensibilisierung des Landes an Mur und Mürz zählt der Umstand, das im 16. Jahrhundert große Teile der steirischen Bevölkerung evangelisch geworden sind. Wenig später kam es zur großen Tragödie der Ausmerzung des österreichischen Protestantismus, wobei Graz mit Erzherzog Karl zum Ausgangspunkt der Gegenreformation in Österreich wurde: Söldner mit erzherzoglichen Kommissaren zogen durch die Lande, "säuberten" sie von Protestanten, die steirischen Märkte und Städte wurden gewalttätig "katholisch gemacht", die Stadt Schladming zerstört. Doch die Bekehrung war vielfach nur eine rein äußerliche, und die Wunden der damals entstandenen Verletzungen sind bis heute schmerzhaft geblieben.

Die andere Seite steirischer Sensibilität ergibt sich aus der Tatsache, dass die Steiermark als Grenzland fast 300 Jahre lang unaufhörlichen Verwüstungen und der Menschenjagd osmanischer Streifscharen ausgesetzt war. Ab dem 19. Jahrhundert kam es dann zu harten nationalistischen Auseinandersetzungen mit dem slowenischen Nachbarvolk, die immer stärker in eine gegenseitige Sprache des Hasses mündeten, bis die nazistische Wahnsinnspolitik etwa in der Untersteiermark zur wechselseitigen Austreibung der jeweils anderen führte. Gewiss, in der Zweiten Republik sind viele Fortschritte in diesem Bereich gelungen. Doch große Behutsamkeit im Umgang mit diesen Themen ist erforderlich, und noch viele faktische Schritte gegenseitiger Versöhnung sind ausständig.

Nicht weniger brisant ist immer wieder die Situation der steirischen Industrie, die vor allem während der Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren in eine Existenzkrise geraten ist, sodass zehntausende Arbeiter keine Arbeit hatten, und nicht wenige von ihnen der Hitler'schen Agitation erlagen. Nach einer neuerlichen Krise gerade der obersteirischen Industrie in den siebziger und achtziger Jahren boomt heute die Konjunktur, und die neu entstandene steirische Auto-Industrie weckt manche Hoffnungen. Doch die strukturellen Schwächen der steirischen Industrie sind keineswegs alle überwunden, und die Sorge um die Arbeiter ist daher in besonderer Weise jedem steirischen Bischof ans Herz gebunden.

Eine Wiener Zeitung schrieb erst kürzlich, Rom wolle bei der Nachfolge von Bischof Weber keinen neuen Krieg provozieren. Dazu kann man nur sagen: Diesen Wunsch in Gottes Ohr! Und in der Steiermark hofft man unverdrossen gegen alle Hoffnung, dass die von den Mitgliedern steirischer Diözesangremien vertraulich und vorsorglich genannten Bischof-Kandidaten, die von Bischof Weber schon vor einiger Zeit nach Rom gemeldet wurden, jetzt doch noch ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Als Katholik darf man ja auf Wunder hoffen. Und vielleicht kommt gar einer der von "unten" Genannten zum Zug.

Der Autor, emeritierter Chefredakteur der Kleinen Zeitung, war bis 2000 Präsident der Katholischen Aktion der Diözese Graz-Seckau.

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