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Ein „steirisches Klima” für Ausländer

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In der Steiermark herrscht zum Thema Ausländer ein ganz eigenes Klima. Ganz bewußt wurde das Überschwappen ausländerfeindlicher Parolen verhindert.

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In der Steiermark herrscht zum Thema Ausländer ein ganz eigenes Klima. Ganz bewußt wurde das Überschwappen ausländerfeindlicher Parolen verhindert.

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Die Feindseligkeit gegen Ausländer, die in Deutschland schon zu einer Welle von Terrorakten geführt hat, und die auch in Österreich da und dort zu vermerken ist, wirkt sich in der Steiermark einstweilen kaum in der Öffentlichkeit aus. Ausschlaggebend dafür dürfte die relativ geringe Zahl von Ausländern in der Grünen Mark sein. Der Ausländeranteil an der stei-rischen Bevölkerung schwankte in den letzten Jahren zwischen 1,2 und nicht ganz drei Prozent, während er in Wien und in Vorarlberg bereits zweistellige Prozentziffern erreicht hat.

Der geringe Ausländeranteil, an dem auch die starke Zuwachsrate von Asylwerbern ab 1990 nur wenig änderte, führt unter anderem dazu, daß die Steiermark von allen Bundesländern die wenigsten ausländischen Kinder in Pflichtschulen (0,9 Prozent) zu betreuen hat. Bei den ausländischen Gastarbeitern steht die Grüne Mark an drittletzter Stelle, wobei auffällt, daß nicht nur die Steiermark, sondern auch Kärnten und das Burgenland in allen Ausländer-Statistiken am Ende der Bundesländer-Tabellen aufscheinen.

Die Ursache dafür ist einleuchtend: Die Steiermark, Kärnten und das Burgenland haben nun schon seit Jahren die „rote Laterne”, was wirtschaftliche Kenn- und Wachstumsziffern betrifft. Die logische Folge ist, daß gerade diese drei Bundesländer wenig Anziehungskraft für ausländische Arbeitnehmer besitzen, und daß auch Flüchtlinge danach trachten, nach Möglichkeit in den wirtschaftlichen Ballungsräumen Österreichs unterzukommen, weil sie dort leichter Arbeit zu finden hoffen.

Dieses ökonomische Argument erklärt allerdings nur eine Seite des seltsamen Phänomens, daß in der Steiermark trotz zweifellos vorhandener unterschwelliger Emotionen wenig öffentliche Feindseligkeit gegen Ausländer zu orten ist.

Denn vom Antisemitismus wissen wir, daß es eine Judenfeindschaft ohne Juden gibt, und ähnliches ist ja auch im Bereich der Ausländerfeindlichkeit verschiedenüich festzustellen.

Beträchtliche Hemmschwelle

Eine beträchtliche Hemmschwelle gegen das Überschwappen ausländerfeindlicher Parolen hat sich in der Steiermark durch ein Zusammenwirken von drei sehr verschiedenen Faktoren gebildet: Einerseits die seit vielen Jahren gerade im Ausländerbereich sehr aktive katholische Kirche unter Bischof Johann Weber, andererseits die nicht weniger entschiedenen Bemühungen auf politischer Ebene (im Land von der steiri-schen ÖVP, in der Landeshauptstadt Graz von Bürgermeister Alfred Stingl und der SPÖ) und schließlich die von anderen Bundesländern deutlich abgehobene steirische Presselandschaft. Gerade in der Steiermark dominieren eben nicht jene Boulevardzeitungen, die Ausländerhatz auf ihre Fahnen geschrieben haben, sondern Blätter wie die „Kleine Zeitung” oder die „Neue Zeit”, die dieser Agitation seit langem ein wirksames Gegengewicht in der öffentlichen Meinung entgegenstellen.

Auf diese Weise hat sich in der

Steiermark zum Thema Ausländer ein ganz eigenes Klima herausgebildet. Daher war es mehr als ein Zufall, daß die seinerzeitigen provozierenden Diskussionsbeiträge der sozialdemokratischen Zentralsekretäre Cap und Marizzi unter dem Motto „Das Boot ist voll” gerade aus der Steiermark schärfsten Widerspruch innerhalb und außerhalb ihrer Partei fanden. Hervorzuheben ist auch, daß das Land Steiermark und die Stadt Graz modellhaft für andere Bundesländer und Städte gemeinsam mit der Arbeitsmarktverwaltung und der Caritas eine Integrationspolitik für die Ausländer im steirischen Raum betreiben.

Besonders hervorgetan hat sich mit ihrer Flüchtlingshilfe die Pfarre Hartberg, die sich in vorbildlicher Weise um die gerade in der Oststeiermark lange Zeit untergebrachten Flüchtlingslager kümmerte. Aber auch engagierte Mitarbeiter anderer steirischer Pfarren von Schladming bis Arnfels ließen vielfältige soziale Kontakte mit Ausländern entstehen. Nicht wenige Lehrer stellten sich zur Verfügung, um Ausländern gratis die deutsche Sprache beizubringen.

Gemeinsame Verpflichtung

Zu einem wichtigen aktiven Motor einer ausländerfreundlichen Politik wurde Franz Küberl, der Generalsekretär der Katholischen Aktion in der Steiermark, der auch hauptverantwortlich für die Organisation und Gestaltung des beispielhaften „Tages der Steiermark” Ende Juni war.

Dieser Tag, der von der katholischen und der evangelischen Kirche in der Steiermark gemeinsam veranstaltet wurde, stand unter dem Zeichen von Koreanern, Kroaten, Ungarn, Slowenen und Rumänen, die zu diesem Ereignis nach Graz eingeladen worden waren, und herzlich empfangen wurden.

Franz Küberl zählt zu den heftigsten Kritikern der österreichischen Ausländerpolitik, deren Ziel, die Grenzen dicht zu machen, er nicht selten mit Detailkenntnis und Sachargumenten zerzaust. Auch Bischof Johann Weber hat sich schon seit dem Bundesheereinsatz an der ungarischen Grenze immer wieder sehr kritisch zur Problematik der Ausländer zu Wort gemeldet, er nahm wiederholt gegen das Anti-Ausländer-Volksbegehren Stellung und wies auf die Verpflichtung der Christen gegenüber den Fremden hin. Diese Bemühungen von kirchlicher Seite werden durch Anstrengungen auf politischer Ebene ergänzt, die schon im Jahr 1990 zu einer aufsehenerregenden Resolution des Gemeinderates der Stadt Graz zugunsten der Ausländer führten. Als Folge dieser Resolution bestellte die Landeshauptstadt Graz eine eigene Flüchtlingsbeauftragte, die sich um die Probleme und Sorgen der Schutz suchenden Ausländer kümmert.

„Wir haben eine gemeinsame Verpflichtung für Ausländer, die bei uns Schutz suchen, oder Arbeit finden wollen”, mahnte einmal Bischof Johann Weber. Und er fügte hinzu: „Nächstenliebe gilt aber nicht allein für die Kirche, sondern sie ist eine ernste Gewissenspflicht für ganz Österreich”.

Der Autor ist Chefredakteur der „Kleinen Zeitung”.

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