Ein Bischof mit besonderem Profil

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Am 22. Dezember wird Reinhold Stecher 80 Jahre alt: Innsbrucks Altbischof kommt einem Idealtypus für Bischöfe nahe.

Im Oktober 2001 beriet die Vollversammlung der Bischofssynode in Rom über das Amt des Bischofs. Dabei ging es auch um das heute notwendige "spirituelle Profil" eines Bischofs. Das Ergebnis wird man erst im postsynodalen Schreiben lesen, das der Papst nun selbst verfasst. Ich habe in meinem Buch "Im Sprung gehemmt" vor drei Jahren auch versucht, ein Anforderungsprofil für Bischofskandidaten zu entwerfen. Man entgegnete mir damals, da sei zu viel verlangt, solche Kandidaten wären kaum zu finden. Ich erinnerte mich dabei an ein Wort Karl Rahners, je höher einer in der kirchlichen Hierarchie steigt, umso größer wird meist der Abstand zwischen Erwartung und Wirklichkeit.

Am 22. Dezember feiert Reinhold Stecher, der Altbischof von Innsbruck, seinen 80. Geburtstag. Ich habe ihm 1981 bei seiner Weihe in Innsbruck die Hände mit aufgelegt, ich habe fast 20 Jahre mit ihm in der Bischofskonferenz zusammengearbeitet. Welches Profil habe ich da an Reinhold Stecher entdeckt? Ich will es mit den Anforderungen, wie ich sie in meinem Buch formuliert habe, vergleichen.

I. Ein Bischof muss hohe menschliche Qualitäten haben und ein Charisma der Leitung.

Stecher ist vieles davon schon in die Wiege gelegt worden. Durch seine vielfachen Tätigkeiten in der Seelsorge, vor allem aber durch seine fast 25-jährige Arbeit in der Lehrerausbildung ist noch vieles dazugereift. Was er den künftigen Lehrern in Theorie beibringen wollte, hat er ihnen vorgelebt. Wer immer ihn im Fernsehen sah merkte, welche tiefe Menschlichkeit er ausstrahlte, die ihn absolut glaubwürdig machte. Dazu kam, dass er sich in fünf lebenden Sprachen ausdrücken konnte, genauso eindrucksvoll aber mit Malerpinsel und Zeichenstift. Und sein Leitungscharisma bestand darin, den Menschen zu vertrauen, viel von ihnen zu verlangen, sie aber doch in ihrer Mitverantwortung völlig ernst zu nehmen.

II. Ein Bischof muss heute überdurchschnittlich theologisch gebildet sein.

Das erfordert die ihm aufgetragene Verkündigung, aber auch seine Aufsichtspflicht über die "rechte Lehre". Ich habe Bischof Stecher in der Bischofskonferenz immer wieder erlebt, wie er gerade in den heiklen Fragen ein profundes, der legitimen Weiterentwicklung nach dem Konzil entsprechendes theologische Wissen an den Tag legte und in hervorragender Rhetorik diese Positionen verteidigte.

III. Von einem Bischof erwartet man eine tiefe Spiritualität.

Stecher ist sicher stark von der ignatianischen Spiritualität der Jesuiten geprägt. Das führte ihn zu einer tiefen Verankerung in der Christusliebe, lehrte ihn die "Unterscheidung der Geister", aber auch, "Gott in allen Dingen zu finden". Das machte ihn so lebensnah, auch als Beichtvater so gesucht. Er erahnte die Nähe Gottes in den Mitmenschen, besonders den Armen (er war auch Caritasbischof!), er führte so viele Menschen auch dazu, Gottes Herrlichkeit in der Natur zu finden und zu preisen. Seine Lehrgänge für Bergsteiger (wohl etwas seltsames für einen Bischof!) vermittelten viel mehr, als die Kunst des Kletterns und das Erkennen von Gefahren.

IV. Ein Bischof muss heute "politisch" sein und die rechte Balance zwischen einseitigem politischen Engagement und gesellschaftspolitischer Abstinenz halten.

Stecher hat politischen Mut schon in der Nazizeit gezeigt, was ihm fast zum Verhängnis geworden wäre. Stecher blieb auch später immer ein politischer Mensch, ohne Rücksicht auf eigenen Nachteil. Das zeigte er nach außen, aber auch in kirchenpolitischen Fragen. Eine historische Tat war zum Beispiel 1985 die endgültige Beseitigung des Kultes um das Anderl von Rinn, wodurch er das, was das Konzil so deutlich forderte, beispielhaft durchführte, auch gegen viele alteingewurzelte Widerstände. Das bewies er in seinem unbeugsamen Einsatz für Ungeborene und die demonstrative Unterstützung der "Aktion Leben", aber auch in der Förderung des Vereins "Frauen helfen Frauen". (Er war in der Bischofskonferenz auch "Frauenbischof")

V. Ein Diözesanbischof müsste die Verantwortung für seine Diözese unerschrocken wahrnehmen, aber auch die Möglichkeit zur Mitverantwortung je nach Sachbereich und Kompetenz gewähren.

Stecher hat die Last der Letztverantwortung nie gescheut. In seinem spirituell fundierten und in gereifter Menschlichkeit verwurzelten Selbstbewusstsein floh er nie vor letzten Entscheidungen. Und doch hat er so viele zur Mitverantwortung motiviert und diese auch respektiert. Für ihn war das Prinzip der Subsidiarität nicht nur ein Forderung christlicher Soziallehre in die Gesellschaft hinaus, sondern er hat es auch innerhalb der Kirche peinlich genau zu erfüllen gesucht.

VI. Rom gegenüber soll der Bischof durch die uneingeschränkte Ausübung seiner eigenen Vollmachten die ihm anvertraute Mitverantwortung beweisen.

Stecher hat genau danach gehandelt. Seine Papsttreue - die er nie in Zweifel zog - bestand darin, mit dem Bischofskollegium und seinem Oberhaupt Mitverantwortung zu tragen und dort weiterzudenken, wo neue Fragen aufgetaucht sind, die auch neue pastorale Lösungen erfordern. Er hat sich zu brisanten Fragen der Pastoral nach gewissenhafter Einarbeitung der neuen Erkenntnisse der Theologie und der Humanwissenschaften ein Urteil gebildet und dieses, wenn nötig, unerschrocken verteidigt.

*

Als mir manche Leser meines Konzilsbuches vorwarfen, mein Anforderungsprofil verlange zu viel, solche Kandidaten gäbe es nicht, habe ich schon damals insgeheim an einen gedacht, der diesem Profil jedenfalls sehr nahe kommt: Reinhold Stecher. Zu seinem 80. Geburtstag danke ich ihm im Namen vieler für die so lebendige Interpretation dessen, was ein Bischof heute zum Wohl der Kirche sein sollte.

Er hat dadurch viele in mancherlei Wirrnissen der Kirche aufgerichtet und gefestigt und tut dies hoffentlich auch weiterhin noch sehr lange.

Ich danke ihm aber auch für alles, was er mir persönlich gewesen ist. Er war mir immer ein Vorbild und möge das auch für viele andere sein.

Der Autor ist Weihbischof in Wien.

Tipp: Das Geburtstagsbuch

Stechers langjähriger Generalvikar Klaus Egger und der Jesuit und furche-Autor Andreas R. Batlogg haben zum 80er des Innsbrucker Altbischofs Beiträge gesammelt und in einem (wie könnte es anders sein?) mit Stecher-Aquarellen und -zeichungen bebilderten Band herausgebracht. Neben Persönlichem (etwa von Nachfolger Kothgasser oder vom Grazer Altbischof Weber) ist darin auch theologisch Gewichtiges zu finden - von Helmut Krätzls Analyse kirchlicher Erwachsenenbildung bis zum Aufsatz des Linzer Theologen Wilhelm Zauner über das Diakonat, der zu einer aktuellen innerkirchlichen Diskussion Fundiertes beisteuert. Ein Buch, bei weitem nicht nur von den und für die theologischen Freunde Bischof Stechers ofri

DANK AN REINHOLD STECHER. Perspektiven eines Lebens. Hg. von Andreas R. Batlogg und Klaus Egger. Tyrolia Verlag, Innsbruck 2001. 280,- Seiten, geb., öS 205,-/e 14,90

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