Die Autorität des Emeritus

Werbung
Werbung
Werbung

Wortgewalt ist eine seltene bischöfliche Eigenschaft - auch wenn die kraftvolle Verkündung des Wortes seit jeher zur Job Description eines Hirten gehört. Vielleicht Zufall, vielleicht Zeichen, dass dieser Tage das diesbezügliche Charisma zweier bischöflicher Emeriti ins Licht rückt. Der eine, Weihbischof Helmut Krätzl, räumt in einem Buch mit überkommenen Gottesbildern auf und scheut sich nicht, auch Mitbrüdern im Amt die Leviten zu lesen (vgl. FURCHE 44, Seite 12).

Der andere hat sich auch in der Vergangenheit nicht davor gedrückt, gar der obersten Kirchenleitung die Meinung zu sagen oder zu schreiben, wenn er wahrnahm, dass diese die Nöte ihrer Schäfchen nicht ernst nahm. Unglaubliche 89 Jahre wird Reinhold Stecher am 22. Dezember alt - und der Bischof von Innsbruck 1981-97 ist öffentlich nach wie vor präsent.

Mitte Oktober brachte der Tyrolia-Verlag die DVD "Mein Innsbruck" heraus, in der der Altvordere durch seine Bischofsstadt spaziert und nebenbei aus seiner Lausbubenzeit ebenso erzählt wie aus den Tagen im Gestapo-Gefängnis. Auch die österreichische Post schmückt sich heuer mit einem Werk des Gottesmannes: Die 65-Cent-Weihnachtsbriefmarke zeigt ein Aquarell Stechers mit einer Winteransicht des Goldenen Dachls samt Christbaum davor.

Am 17. November, dem evangelischen Buß- und Bettag, wurde Reinhold Stecher in Bonn der renommierte "Predigtpreis" für sein Lebenswerk verliehen. Die vom Verlag für Deutsche Wirtschaft gestiftete ökumenische Auszeichnung will eine "hervorragende Redekultur in Kirchen und kirchlichen Institutionen" würdigen und wird seit dem Jahr 2000 vergeben. Unter anderem wurden damit der Rhetoriker und katholische Schriftsteller Walter Jens (2002), der evangelische Pfarrer und Autor Jörg Zink (2004) oder der Schweizer reformierte Pfarrer und Dichter Kurt Marti (2005) bedacht. Reinhold Stecher gebührt diese Auszeichnung in ebensolchem Maße wie diesen Vorgängern. Denn die klare, mitunter schlichte, aber kraftvoll spirituelle Sprache gehört zum Besten, was katholische Wortmächtigkeit im deutschen Sprachraum zu bieten hat.

Glaubenskraft, Wortgewalt, Formulierungskunst gepaart mit Augenzwinkern und Humor sind nur einige der Talente, mit denen der Kirchenmann bis heute aufwartet. Die Predigt "Der Heilige Geist und das Auto", die auf der Homepage www.predigtpreis.de anstatt einer Jurybegründung nachzulesen ist, spricht da etwa für sich.

Wortkraft und Lebenszeugnis: Weit über die Grenzen Tirols hinaus war und ist Reinhold Stecher dafür bekannt, dass das keine Gegensätze sind und sein dürfen. Geradlinigkeit, das haben Freund und Gegner diesem Christen im mittlerweile biblischen Alter immer wieder bescheinigt.

Dass dieser Bischof in den achtziger Jahren den unsäglichen, antijüdischen Anderl-von-Rinn-Kult verboten hat, verzeihen ihm ultrakonservative Kreise bis heute nicht.

Aber das ist Gott seiDank eine Minderheit. Das Volk - zumal im "heiligen Land Tirol" - achtet ihn bis zum heutigen Tag allemal. Wie weiland Kardinal König in hohem Alter - und jetzt noch Johann Weber in Graz, Maximilian Aichern in Linz, Paul Iby in Eisenstadt - und eben auch den oben angesprochenen Helmut Krätzl in Wien: Es sind die Emeriti, die als moralische Autoritäten und Zeugen einer Aufbruchszeit den Ruf der katholischen Kirche im Lande hochhalten. Auch Reinhold Stecher hat großen Anteil daran.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung