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Illegalität und Emigration

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Bauer kam nie mehr mit Kardinal Innitzer zusammen, nur P. Bichlmayer hielt den Kontakt aufrecht. In einem Gespräch mit Bauer versicherte der Jesuitenpater, jede Gegenwehr der Sozialisten sei vergeblich, „wir sind entschlossen, reinen Tisch zu machen“. Auf den Einwurf Bauers, der große Gegner sei doch Hitler, antwortete Bichlmayer mit dem bekannten Satz: „Gemessen am polltischen Marxismus mit seiner Zügellosigkeit, ist der Nationalsozialismus mit seinem Autaritätsgedanken das kleinere Übel.“ Als Bauer nun meinte, man dürfe doch den in Deutschland bereits herrschenden Nationalsozialismus nicht unterschätzen, sagte Bichlmayer: „Das kann doch nicht länger als zehn Jahre dauern. Die Kirche hat schon ärgere Sachen überlebt.“

Diese Unterredung mit P. Bichlmayer fand am 12. Jänner 1934 statt. Einen Monat später brach der Bürgerkrieg aus. Zu den ersten Organisationen, die im Anschluß an die Kämpfe behördlich verboten wurdeni, zählte der „Bund Religiöser Sozialisten“.

Mit P. Bichlmayer blieb Bauer auch nach dem Februar 1934 in Verbindung, obwohl es dem Jesuitenpater nicht verborgen bleiben konnte, daß sich Bauer in den Reihen der „Revolutionären Sozialisten“ betätigte. Als Bauer verhaftet wurde — das erste Mal 1936, das zweite Mal 1937 —, intervenierte Bichlmayer für Bauer. Doch im April 1938 mußte Bauer das zur „Ostmark“ gewordene Österreich verlassen. Uber die Schweiz und Frankreich kam er in die USA. Zunächst arbeitete er in einer Fabrik, seit 1944 ist er in der politischen Bibliothek Joseph Buttingers tätig.

Die enge Verbindung mit Buttinger ist einer der Gründe, warum Bauer nach 1945 Österreich nur einige kurze Besuche abstattete, seinen Wohnsitz aber nicht verlegte: Die Opposition des Buttinger-Kreises gegen die Parteiführung während der Emigration, vor allem die 1953 in Buchform publizierte Auseinandersetzung Buttingers mit seinen ehemaligen Parteifreunden machte auch den „kleinen“ Otto Bauer bei der eigenen Partei zur „persona non grata“.

Geänderte Voraussetzungen

Daß Kirche und Sozialismus in Österreich nach 1945 eine Gesprächsbasis gefunden haben, registriert Otto Bauer heute mit dem Verständnis dessen, der eine solche Basis schon unter bedeutend ungünstigeren Voraussetzungen für möglich gehalten hat, und der dafür auch als Katholik und als Sozialist sich voll und ganz eingesetzt hat. Heute sei eben alles anders; die gesellschaftlichen Strukturen, aber auch der Sozialismus. „Wie soll ein Bischof, der nichts dagegen hatte, daß Katholiken Mitglieder der NSDAP wurden, gegen eine Mitgliedschaft von Katholiken bei der SPÖ sein?“ Man ist nicht sicher, was aus diesen Worten des „kleinen“ Otto Bauer mehr herausklingt: Optimismus oder Resignation...

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