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Sollen unsere Kinder studieren?

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Auf unsere Preisfrage, deren Beantwortwortung bis zum 31. Jänner verlängert war, haben wir so zahlreiche Antworten erhalten, daß die Sichtung und Auswertung noch nicht abgeschlossen werden konnte, zumal sich unter den Einsendungen Manuskripte von bedeutendem Inhalt und Umfang befinden. Wir bitten daher unsere Leser, insbesondere die Teilnehmer an der Preisfrage, noch um etwas Geduld. Wir hoffen, die Preisträger baldigst bekanntgebeh zu können.

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Auf unsere Preisfrage, deren Beantwortwortung bis zum 31. Jänner verlängert war, haben wir so zahlreiche Antworten erhalten, daß die Sichtung und Auswertung noch nicht abgeschlossen werden konnte, zumal sich unter den Einsendungen Manuskripte von bedeutendem Inhalt und Umfang befinden. Wir bitten daher unsere Leser, insbesondere die Teilnehmer an der Preisfrage, noch um etwas Geduld. Wir hoffen, die Preisträger baldigst bekanntgebeh zu können.

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Menschen" standen in ihrer Partei „links“, sehr links sogar. In einem seltsamen Paradoxon verbanden sie mit ihrem „Realismus“, der sie in Gegensatz zu ihrem letzten Idol, Otto Bauer und den Schulmarxismus, verwickelte, dennoch einen romantischen Glauben an „ihren“ kommenden Sozialismus, an „ihr“ Reich. Wann? Einmal.

Buttinger, den der Hauch der großen Enttäuschung dieser Ideale bald selbst anwehen sollte, stellt uns seine Generation, ihr Denken und Fühlen, plastisch vor:

Die in Rede stehende Schicht bestand in ihrer Mehrheit tatsächlich aus jener Auslese junger Menschen, die die politischen Organisationen der europäischen Arbeiterbewegung überall, wenn auch nirgends mit solchem zahlenmäßigen Erfolg wie in Oesterreich, aus der Arbeiterschaft getroffen hatten. Das unerschütterliche Selbstbewußtsein, das ihnen die soziale Philosophie der Partei gegeben hatte, erhob sie innerlich über die anderen Klassen der Gesellschaft … In Oesterreich war ihr Leben unzertrennlich mit der Partei und den Kulturbestrebungen der Arbeiterbewegung verknüpft… In Abendkursen und Sonntagschuien hörten sie . Einführungen in die Nationalökonomie und in die Geschichte der Weltliteratur… Durch jahrelange Zurückstellung materieller Lebensbedürfnisse hatten viele sich aus kärglichen Ersparnissen eine Bibliothek angeschafft, in der neben den wichtigsten Schriften von Marx, Engels, Kautsky, Bebel. Bernstein, Otto Bauer,

Max Adler, Karl Renner und anderen Führern des deutschen und internationalen Sozialismus nicht selten die der Darwin, Haeckel, Bölsche noch einen größeren Raum einnahmen als die Sigmund Freuds. Adam Smitts und David Ricardo waren ihnen nicht minder „ein Begriff" als Oswald Spengler, Otto Weiniger, Arnold Schönberg, Alfred Adler, George Groß oder Charly Chaplin, denn für das „Kulturstreben des Proletariats" gab es nach ihrer Meinung „keine Grenzen".

Sie waren Freidenker und Naturfreunde, Sportler und Abstinenzler, Anhänger der Psychoanalyse und Verteidiger aller Arten moderner Kunst. Für alles Neue waren sie voreingenommen „aus Prinzip". Als ihren schlimmsten Feind denunzierten sie in einem viel gesungenen Lied den „Unverstand der Massen". Noch im Tod führten sie gegen den „kulturfeindlichen Kleri- kalismus” einen letzten Schlag — indem sie durch ihre Mitgliedschaft beim Arbeiter-Feuerbestattungsverein „Die Flamme" schon zu Lebzeiten für die von der Katholischen Kirche und der christlichsozialen Partei bekämpfte Einäscherung ihres Körpers im Krematorium der Stadt Wien Vorsorge getroffen hatten. (Seite 128 ff.)

Josef Buttinger, in dessen Feder Stolz und Ironie über soviel Ueberschwang heute bei der Niederschrift seiner Erinnerung zusammenfließen, hat inzwischen Abschied von der Partei seiner Jugend genommen, in der er den „alten Geist“, gegen den sich die innere

Revolte der „neuen' Menschen“ gerichttet hatte, triumphieren sieht. Nicht Abschied nahm er aber von den Träumen seiner jungen Jahre. In einem pseudoreligiösen Heilsglauben aufgewachsen, späht er aus, ob sich nicht irgendwo am Horizont der Geschichte eine Hoffnung zeige.

Die Melodie, die einer aus der „nächsten Welle“ im Ablauf der Generationen schrieb, ' ist ihm wahrscheinlich unbekannt. Das kleine Gedicht Georg Selingens „Jahrgang 1921“ sagt vielleicht mehr als manche kluge lange Untersuchung über den Wandel im Denken und Fühlen der jungen Arbeiter innerhalb zweier Jahrzehnte.

Dieses Leben der Idee und der Partei. Zahnrad zum Explosiv, sei klug, sei stark, erwecke, was noch schlief! Du weißt: das Ziel, die Zeit, Egalit£!

Genosse, Kleinarbeit, Mitgliederstand,

Statistik, Reden, Altersfond, die Massen, Aufklärung, populäre Kunst und Gassenumzüge —, Münze du, in jeder Hand.

Schmalzbrote, unrasiert, Broschüre, Klischee: Textilgewerschaftssekretär mit dreißig, bebrillt, gereizt und müde, aber fleißig.

Die Glut verglomm, das Ziel so fern wie je.”

Bleibt die ernste Frage: War die gesteigerte Selbstsicherheit der „neuen Menschen“, ihr Kampf für die durch sie zu schaffende „neue Welt“ nichts anderes als ein schöner größer Traum, der, einmal verflogen, nie wiederkehrt? Darauf gibt es nur eine Antwort: Ja. Allein eine Alternative ; tut sich für jene — und ihrer sind viele — auf, die die kommunistische Lösung mit Abscheu verfolgen und auch von dem offiziellen Parteisozialismus unbefriedigt bleiben müssen. Wir wagen diese Alternative auch an die Enttäuschten aller sozialistischer Kirchen heranzutragen. Gerade an sie. Es ist die Begegnung mit Jenem, der von sich sagte: „Siehe Ich mache alles neu“.

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