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Basis:die ratholische soziallehre

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Immer wieder wird die Frage gestellt, woher die Kirche das Recht ableite, in politischen Fragen mitzureden, da sie doch in erster Linie für das Seelenheil der Menschen zuständig sei. Es ist aber im Hinblick auf den Heilsauftrag der Kirche nicht unbedeutend, wie die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse geordnet sind. Die Ordnungsgedanken des Schöpfers zu interpretieren und daraus Grundsätze für das gesellschaftliche Leben abzuleiten, ist ohne Zweifel Aufgabe der Kirche.

Die grundsätzliche Orientierung an der katholischen Soziallehre ist für jeden, der Politik aus christlicher Verantwortung zu verwirklichen versucht, unerläßlich. Manche Grundsätze der katholischen Soziallehre werden heute in Zweifel gezogen. Wer die gesellschaftlichen Belange entgegen den Normen der katholischen Soziallehre gestalten oder verändern will, wird zunächst bemüht sein, diese Normen und Grundsätze in Frage zu stellen und ihnen ihre Geltung abzusprechen. Trotzdem zeigt sich heute mehr denn je die Richtigkeit und Ausgewogenheit der Prinzipien der katholischen Soziallehre.

Jede Soziallehre ist geprägt vom Menschenbild, von dem sie bewußt oder unbewußt ausgeht. Für die katholische Soziallehre ist der Mensch ein Wesen aus Leib und Seele, das nicht in dieser Zeit seine Vollendung findet, sondern auf ein Weiterleben nach dem Tode angelegt ist. Damit nimmt die katholische Soziallehre auch zur Kenntnis, daß alles menschliche Tun mit menschlichen Schwächen behaftet ist und somit die Gesellschaft nie vollkommen sein wird.

In einer so gearteten Gesellschaft wird es immer Konflikte und gegensätzliche Interessenlagen geben. Die katholische Soziallehre ist schon zu einer Zeit für eine partnerschaftliche Lösung dieser Probleme eingetreten, als viele den Klassenkampf mit dem Ziel der Liquidierung der feindlichen Klassen für das einzige Mittel hielten, Interessengegensätze zu beseitigen.

Die katholische Soziallehre betont immer wieder, daß alles gesellschaftliche Tun den einzelnen Menschen und seine Selbstverwirklichung zum Ziele haben müsse. Gerade in unserer Zeit, da Organisationen und Institutionen den einzelnen Menschen zu erdrücken drohen, kommt dem vielgeschmähten Subsidiaritätsprin-zip erhöhte Aktualität zu: nur wo der einzelne oder die kleine Gemeinschaft nicht in der Lage ist, sich selbst zu helfen, soll die größere Gemeinschaft Hilfestellung leisten. Wo aber die Kräfte des einzelnen oder der kleinen Gemeinschaft überfordert werden, muß die übergeordnete Gemeinschaft helfend einspringen.

Gerade die katholische Soziallehre hat immer die Rechte des einzelnen verteidigt, hat den Menschen in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Geschehens gestellt, ihn aber nicht isoliert, sondern immer auch seine Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft betont. Dadurch hat sie zwischen den Extremen des Kollektivismus und des Liberalismus, die beide dem Menschen nicht gerecht zu werden vermögen, eine klare Position zugunsten des freien, seinem Gewissen verhafteten, verantwortungsbewußten Menschen bezogen.

Es wird eine besondere Aufgabe der FURCHE sein, die Grundsätze der katholischen Soziallehre besser bekannt zu machen und die politischen Maßnahmen auf ihre Ubereinstimmung mit diesen Grundsätzen kritisch zu überprüfen.

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