6886176-1979_28_01.jpg
Digital In Arbeit

Keine starre Automatik

19451960198020002020

Wahl des Bundespräsidenten durch das Volk oder im Parlament, Lohnabgeltung der ölpreiserhöhungen und ÖVP-Fraktion im ÖGB: Brisante Themen der österreichischen Innenpolitik für ÖGB- und Nationalratspräsident Anton Benya. Mit ihm sprach der Chefredakteur der FURCHE.

19451960198020002020

Wahl des Bundespräsidenten durch das Volk oder im Parlament, Lohnabgeltung der ölpreiserhöhungen und ÖVP-Fraktion im ÖGB: Brisante Themen der österreichischen Innenpolitik für ÖGB- und Nationalratspräsident Anton Benya. Mit ihm sprach der Chefredakteur der FURCHE.

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Können Sie sich eine Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung, also National- und Bundesrat, vorstellen, wenn außer der ÖVP auch sonst keine Gruppe einen Gegenkandidaten zum amtierenden Bundespräsidenten aufstellt?

BENYA: Meine rein persönliche Auffassung ist, daß ich mir eine Wahl durch die Bundesversammlung in diesem Fall vorstellen kann.

FURCHE: Wenn aber von irgendeiner Seite irgendein Gegenkandidat kommt...

BENYA: ... dann muß die Volkswahl sein.

FURCHE: In Wien tagt derzeit die Brandt-Kommission zur Beratung der Neuen Weltwirtschaftsordnung. Sollten nicht Christen wie Gewerkschafter mehr internationale Solidarität mit den armen Völkern üben?

BENYA: Als Gewerkschafter leisten wir über den Internationalen Bund freier Gewerkschaften und die katholische Gewerkschaftsinternationale seit vielen Jahren unseren Beitrag dazu.

FURCHE: Wie wäre es mit einer Solidaritätssteuer zur Förderung der Entwicklungspolitik?

BENYA: Was erreicht werden sollte, ist die Erfüllung der von allen Industriestaaten übernommenen Verpflichtung, ein Prozent des Bruttona-tionalproduktes der Entwicklungshilfe zuzuwenden. Wenn es den Industrieländern nicht gelingt, die Entwicklungsländer zu Käuferländern zu machen, werden auch die westlichen Wirtschaften in Schwierigkeiten geraten. Die Entwicklungsländer brauchen Gelder für Investitionen, damit sie einen Teil ihrer Naturprodukte verarbeiten und mit einem ordentlichen Erlös daraus weitere Investitionsgüter anschaffen können.

FURCHE: Wenn sie aber zu wenig für ihre Naturprodukte erhalten? Müßten die Industrieländer auf internationalen Handelskonferenzen nicht endlich großzügiger werden?

BENYA: Die Rohstoffpreise sind in den letzten Jahren doch sehr stark gestiegen. Was man immer wieder zu hören bekommt, ist der Umstand, daß auch in den Entwicklungsländern sehr viel für militärische Rüstung ausgegeben wird.

FURCHE: Ist es gerecht, den rohölproduzierenden Ländern jetzt höhere Preise zu zahlen?

BENYA: Es fiele leichter, wenn in diesen Ländern eine gerechtere Um-

verteilung zugunsten der wirtschaftlich Schwächeren erfolgen würde.

FURCHE: Vizekanzler Androsch hat als Finanzminister erklärt, daß die Rohölverteuerung bei den kommenden Lohnrunden nicht abgegolten werden könne, weil der für das öl zu zahlende Mehrbetrag nicht ein zweites Mal zur Verfügung stünde. Dagegen gab es heftige Widerstände von sozialistischen und christlichen Gewerkschaften. Was ist Ihre Haltung dazu?

BENYA: Die Gewerkschaften werden an den bisherigen Prinzipien der Lohnpolitik festhalten und diese an der wirtschaftlichen Situation sowie an den Produktivitätssteigerungen in der jeweiligen Branche orientieren und auch die Inflationsrate dabei in Rechnung stellen.

FURCHE: Kann man die gesamte Inflationsrate abgelten?

BENYA: Hier gibt es keine starre Automatik. Nehmen wir theoretisch an, wir hätten eine Inflationsrate von 15%. Dann könnten die Gewerkschafter nicht 18% Lohnerhöhung fordern, weil die Inflation dann noch rascher galoppieren würde. Der Index spielt bei allen Verhandlungen eine Rolle, aber nicht die einzige. Im übrigen gibt es hier keine Meinungsverschiedenheiten. Wenn jemand in Kurzform etwas ausdrückt, dann bewirkt lediglich die Kurzform bisweilen ein Mißverständnis.

FURCHE: Vizekanzler Androsch hat in Kurzform gesagt, daß eine Abgeltung unmöglich sei. Neigen Sie eher der Meinung des Finanzministers als der seiner Kritiker zu?

BENYA: Der Finanzminister hat die Aufgabe, auf Gefahren der finanziellen Entwicklung aufmerksam zu machen. Gewerkschafter haben im abhängig Politik zu machen. Aber wenn wir die gesamte Wirtschaft sehen, müssen beide Komponenten in Rechnung gestellt werden. Wenn Vollbeschäftigung Vorrang hat und wir Gelder der öffentlichen Hand zu deren Sicherung verlangen, kann es uns nicht gleichgültig sein, woher die Gelder kommen.

FURCHE: Hat die jüngst vom Präsidium des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger beschlossene Gehaltserhöhung für länger dienende Generaldirektoren um 20%, die dem Generaldirektor der Wiener Gebietskrankenkasse jetzt monatlich über 80.000 Schilling brutto bringt, bei kleinen Gewerkschaftern Unmut ausgelöst?

BENYA: Nein. Erhöhtwurdejanur das Grundgehalt bei fünf oder sechs Spitzenleuten.

FURCHE: In der ÖVP-Reformde-batte wurde verschiedentlich eine schrittweise Integration von ÖAAB und Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) vorgeschlagen. FCG-Funktionäre wenden dagegen ein, sie würden in diesem Fall von den sozialistischen Gewerkschaftern nicht mehr so ernst wie bisher genommen. Ist das so?

BENYA: Es gibt nur drei Gründungsfraktionen des Gewerkschaftsbundes - die sozialistische, die christliche und die kommunistische. Aber im Bundesvorstand des ÖGB sitzt auch je ein Vertreter der Freiheitlichen, der Parteifreien, der Katholischen Arbeitnehmerbewegung und der Arbeitsgemeinschaft für Gewerkschaftliche Einheit.

FURCHE: Wenn sich die Fraktion Christlicher Gewerkschafter im ÖGB sinngemäß das gleiche Statut wie die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter gäbe, so daß die FCG zur ÖVP genau wie die FSG zur SPÖ stünde, würde das Schwierigkeiten bringen?

BENYA: Das kann ich mir schwerlich vorstellen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung