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Es ist nicht nur Rücksicht

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ÖGB-Präsident Anton Benya geht auf Nummer sichen Zu unsicher scheint ihm — seine frühere Abneigung kann er kaum verbergen — offensichtlich die neue Regierungspartnerschaft, um ihretwegen den Sozialpartner vor den Kopf zu stoßen.

Deshalb setzt er Gesten. Er stellt sich etwa gegen den schon fast täglichen Vorstoß von Sozialminister Alfred Dallinger zur Einführung der 35-Stunden-Wo- che, verspricht der Wirtschaft Rücksichtnahme auf ihre Probleme und die internationale Wettbewerbsfähigkeit — selbst wenn der ÖGB-Bundeskongreß im Herbst just das zum Grundsatzbeschluß erheben sollte, was Dallinger unter Rügen nun fordert.

Das Bemühen Benyas, das Vertrauensklima zum Partner Wirtschaft nicht zu belasten, verdient Anerkennung. Doch es ist nicht nur verständnisvolle Rücksichtnahme, die ihn so handeln läßt.

Der gestandene Gewerkschafter Benya weiß um das ungebrochene Mißtrauen, das gerade auch Kollegen seiner eigenen Fraktion der rotblauen Zusammenarbeit entgegenbringen. Daher sucht er zum Kabinett Sinowatz/Steger Distanz.

Andererseits muß Benya vor dem Bundeskongreß, bei dem er zur Wiederwahl kandidieren wird, auch demonstrieren, daß er der Herr im ÖGB-Haus ist. Deshalb geht er zu Dallinger auf Distanz.

Schließlich ist Benya aber auch überzeugter und loyaler Sozialist, der kein Interesse daran hat, daß das Experiment der kleinen Koalition turbulenten Schiffbruch erleidet. Das heißt, daß er auch aus diesem Grund an einer funktionierenden Sozialpartnerschaft, die die Regierungspolitik samt den anstehenden unpopulären Maßnahmen mitträgt, interessiert ist.

Alle diese vier Motive wirken zusammen, keines sollte vom anderen isoliert betrachtet werden. Es sind durchaus einsichtige Beweggründe, die freilich auch die Schlüsselfunktion erkennen lassen, die Anton Benya zukommt. Und die Verantwortung.

Kanzler Fred Sinowatz hat in der Regierungserklärung ein Politikverständnis gefordert, das „Mensch und Gesellschaft, Wachstum und Lebensqualität, Technik und Natur, Ökonomie und Ökologie umfassen“ wie ganzheitlich betrachten muß.

So wichtig die Diskussion für und wider die 35-Stunden-Woche ist, bei der Anton Benya „auf der Bremse“ stehen will: Gibt es am kommenden ÖGB-Kongreß nicht ebenso konkrete Beschlüsse, die auch jene Gewerkschaftsfunktionäre einbindet, die beidbeinig noch auf der Umweltschutzbremse stehen, werden entscheidende Weichenstellungen verabsäumt.

Der ÖGB hat eine Grundsatzdiskussion nachzuholen. Auch dabei kommt Anton Benya eine Schlüsselfunktion zu. Und erst recht große Verantwortung.

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