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Torpedo von links
Vor einigen Wochen meinte Dr. Heinz BrantI, Wahlkampfstratege der SPÖ, die Sozialisten neigten dazu, gerade vor entscheidenden Wahlen wahlentscheidende Fehler zu begehen. Trauer muß Heinz BrantI tragen. Denn er, eher im Unterspielen daheim, bekam recht, sicherlich deutlicher als ihm das lieb sein darf.
Vor einigen Wochen meinte Dr. Heinz BrantI, Wahlkampfstratege der SPÖ, die Sozialisten neigten dazu, gerade vor entscheidenden Wahlen wahlentscheidende Fehler zu begehen. Trauer muß Heinz BrantI tragen. Denn er, eher im Unterspielen daheim, bekam recht, sicherlich deutlicher als ihm das lieb sein darf.
ÖGB-Präsident Anton Benya, der den gewerkschaftlichen Widerstand gegen eine ÖIG-Gesetzesnovelle ohne Verfassungsgarantie des Eigentums den verstaatlichten Betrieben ausrief, Benya, der zuletzt damit drohte, daß er wegen eines arbeitsrechtlichen Konfliktes zwischen ORF-Boß Bacher und vier Betriebsräten der Bundesregierung den Exodus der Arbeitnehmerfunktionäre aus den Gremien der Sozialpartner antat, Benya, noch immer mitgenommen von einer Darminfektion, scheint trotzdem noch immer genug Nervenstarke zu besitzen, um seine Position in einem Spiel zu untermauern, das nur auf den ersten Blick undurchsichtig ist.
What makes Benya run? Was läßt ihn seine Torpedos so zielsicher in das SPÖ-Konzept schießen? Denn daß seine Extratouren schaden, die SPÖ als sozial-liberale Alternative zur österreichischen Volkspartei ins Gespräch zu bringen, ist wohl klar.
Ausländische Beispiele
Erstens ist Anton Benya ein guter Taktiker und zweitens weiß er, was er tut. Wer im Kampf um Lohnprozente mächtig bleiben will, der braucht diese beiden Eigenschaften. Denn kein politischer Thron in Österreich gerät leichter ins Wak- keln als der des ÖGB-Präsidenten. Seine Leistungen lassen sich Jahr für Jahr in Lohnprozente umsetzen. Stagnation oder gar Rückschläge rufen schneller als anderswo die radikalen Kräfte zur Tat: Funktionäre, die mehr, noch mehr, viel mehr versprechen und die Versprechungen mit Streikdrohungen begleiten.
Anton Benya fürchtet heute anscheinend zweierlei: eine sozialistische Alleinregierung unter Kreisky und eine große Koalition, in der SP-Funktionäre die ministeriellen Kommandostellen der Wirtschaft besetzten. Das englische Beispiel lehrt ihn, daß für Arbeitnehmer Lohnerhöhungen unter einer sozialistischen Regierung ebenso hoch hängen wie die Trauben dem Fuchs. Aus der Bundesrepublik Deutschland wiederum weiß er, daß in einer großen Koalition in der ein Sozialist das Wirtschaftsministerium verwaltet, für die Arbeitnehmer ebenfalls weit weniger herausschaut, als dies die graue Theorie und sozialistische Politiker meinen.
Denn die Beziehungen zwischen den westdeutschen Gewerkschaftsfunktionären und dem SPD-Wirtschafts- minister waren nie die besten. Wahrscheinlich trieben diese Störungen den DGB-Präsidenten Ludwig Rosenberg früher aus dem Amt als er das eigentlich wollte. Schillers Wirtschaftspolitik der sozialen Symmetrie verurteilte die westdeutschen Arbeitnehmer in der Rezessionsphase zum Abwarten, im Aufschwung zur Einsicht ins Zuwarten und in der Hochkonjunktur zu viel geringfügigeren Lohnerhöhungen, als dies Schiller und in seinem Troß auch die Gewerkschaftsfunktionäre immer wieder versprochen hatten. Benya kennt diese Malaise, er weiß auch, daß die Realisierung der vier sozialistischen Programme in den vier Jahren ab 1970 ungeheuer viel Geld kosten würde — man spricht von rund 500 Milliarden Schilling — Geld, das mit Versprechen auf eine noch bessere Zukunft nicht zuletzt auch die Arbeitnehiner aufzubringen hätten. Wie soll ein ÖGB-Präsident das verantworten, das verkraften, ohne von der Funktionärs-Crew nicht der Untüchtigkeit angeklagt zu werden?
ORF-Kampfpause
Anton Benya kämpft dagegen an. An seiner Seite und aus anderen Motiven stehen Wiener SP-Funktionäre, denen der Kurs der Parteispitze nie zu Gesicht stand. Sie fragen heute und unverblümt, was er denn eigentlich der Partei eingebracht hätte: Wählerstimmen in den Bundesländern? Darauf kontert Heinz Nittel, Wiens SPÖ-Landessekretär, in der „Neuen Zeitung”: „Die Wahlergebnisse in Wien haben die Legende zerstört, der politische Vormarsch der SPÖ erfolgte nur in den Bundesländern.” In der Tat: nach dem 6. März 1966 erzielte die SP ihre größten Wahlerfolge nirgendwo anders als in Wien, sowohl bei den Gemeinderats- als auch bei den Arbeiterkammerwahlen. Pittermann und Probst, Czernetz und Broda, politisch in der Bundeshauptstadt daheim, werden daraus sicherlich Genugtuung geschöpft haben. Denn sie alle waren die Geschlagenen des 6. März 1966. Gelegentliche Rückzieher wie jetzt eben Benyas Einlenken im ORF- Konflikt, dürften eher den Charakter von Kampfpausen als den von Friedensverhandlungen tragen.
Benyas letztes Wort (und erst recht nicht das der Wiener SPÖ) scheint noch lange nicht gesprochen zu sein.
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