6811679-1972_38_01.jpg
Digital In Arbeit

Der Knopfdruck

19451960198020002020

Ganz ohne Zweifel ist Anton Benya ein starker Mann; nach, manche sagen: nächst Kreisky der Stärkste in der SPÖ. Im ÖGB, dessen Präsident er ist, besitzt er eine gewaltige Hausmacht, die noch weit über die SPÖ hinausgreift; im Parlament, dessen Präsident er auch ist, besitzt er eine Stellung, die sich mit Hausmacht und Partei vorteilhaft verbindet und ergänzt. Mag man Kreisky zu den eher undogmatischen, brillanten politischen Köpfen zählen, die weitere Köpfe anziehen, so möchte map Benya jenen zurechnen, die es mehr mit den Knöpfen halten. Ein Druck genügt...

19451960198020002020

Ganz ohne Zweifel ist Anton Benya ein starker Mann; nach, manche sagen: nächst Kreisky der Stärkste in der SPÖ. Im ÖGB, dessen Präsident er ist, besitzt er eine gewaltige Hausmacht, die noch weit über die SPÖ hinausgreift; im Parlament, dessen Präsident er auch ist, besitzt er eine Stellung, die sich mit Hausmacht und Partei vorteilhaft verbindet und ergänzt. Mag man Kreisky zu den eher undogmatischen, brillanten politischen Köpfen zählen, die weitere Köpfe anziehen, so möchte map Benya jenen zurechnen, die es mehr mit den Knöpfen halten. Ein Druck genügt...

Werbung
Werbung
Werbung

Noch auf Gesundheitsmärschen rings um Kleinkirchheim drückte Anton Benya wieder einmal. Und es erschien ein Exklusivinterview in eben jener „Kronen-Zeitung“, von welcher der ÖGB so oft als von einem ihm geraubten Gut zu sprechen pflegte. Schon das allein und für sich betrachtet, wäre delikat; was Benya indessen sagte, ist mehr als interessant und jedenfalls von noch größerer, weittragender Bedeutung.

Benya urgierte „schon für diesen Herbst“ eine grundlegende Änderung des wirtschaftlichen „Gesellschaftsrechtes“. Nicht nur Aktiengesellschaften, sondern auch GmbH und solche anderen Rechtes sollten „ab einer gewissen Größe gesetzlich verpflichtet“ sein, einen Aufsichtsrat zu haben. In Recht und Ökonomie Geschulten leuchtet ein, daß diese zunächst eher harm-, ja belanglos klingende Forderung, einmal erfüllt, von außerordentlicher rechts- und gesellschaftsver-ändernder Wirkung sein muß, die nicht auf den ökonomischen Sozialbereich beschränkt bleiben kann. Dies wird durch eine weitere Forderung Benyas, sozusagen der harte

Kern der Sache, deutlich. Ein Drittel dieser Aufsichtsräte muß dem Korps der Betriebsräte entstammen.

Daß es sich nicht um den spontanen Einfall eines sommerlich erholten und daher tatendurstigen Politikers, sondern mehr um einen der berühmten Knopfdrücke handelt, mag man daran erkennen, daß, laut Benya, „die entsprechenden Gesetzesentwürfe im Sozial- und Justizministerium bereits vorbereitet wurden“.

Benyas Idee bietet viele Möglichkeiten. Beispielsweise die, der so oft gestellten Frage nach „Mitbestimmung durch Mitverantwortung und Mitbeteiligung“ vorerst einmal auszuweichen. Für „Mitbeteiligung“, eine .noch sehr unausgegorene Sache, konnten sich SPÖ und ÖGB — und auch der ÖVP-Wirtschaftsbund — ohnedies nie so recht begeistern. Mag sein, daß sie eine so individuelle Bindung von Person und Werk nicht begrüßen. Und bei der „Mitbestimmung“ suchten Benya, ÖGB und SPÖ immer schon nach einem Weg, der über gewerkschaftliche Zentralen führt. Sie wissen, warum!

Das wäre nun bei Betriebsräten immerhin der Regelfall, besonders, wenn diese zugleich auch Aufsichtsräte sind.

Aufsichtsräte haben aber eine auf die Interessen der Unternehmungen gerichtete Kontroll- und Leitfunktion. Bei entsprechender und auch gesetzlich leicht zu bewerkstelligender Schwächung derr Vorstandsverantwortlichkeit (Unternehmerverantwortlichkeit) nimmt diese Leitfunktion noch zu. Betriebsräte, denen durch ein wahrscheinlich viel zuwenig genutztes Recht Mitbestimmungsmöglichkeiten in großer Zahl bereits zustehen, haben eine auf die aktuellen Interessen der Beschäftigten gerichtete Deputierten-Funktion. Sie unterliegen zumeist auch einem anderen Wahlrhythmus und ihre Wahl erfolgt auf Grund oft sehr viel anderer Vorzüge als Aufsichtsräte haben sollen. Werden „abgewählte' Betriebsräte dennoch Aufsichtsräte bleiben?

Denkt man Benyas Gedanken weiter, kommt man unschwer zu jener „modifizierten Anwendung des jugoslawischen Modells in der EWG“, von welcher kürzlich (sehr entschieden) Mansholt und (ein wenig verschwommener) Pittermann schwärmten: zu einer Vermengung von Genossenschafts- und Rätedemokratie mit frei- und sozialmarktwirtschaftlichen Elementen.

Würde man auch nur „zunächst“, wie man Benya zu entnehmen glaubt, diese Mischform „in der Verstaatlichten“ installieren, so garantiert deren industriewirtschaftliche Vor- und Übermacht, die sich ja immer auch gesellschaftspolitisch auswirkt, ja auswirken muß, daß sich der (viel zu kleine) Rest privater oder anderer Betriebe dem nicht auf Dauer entziehen kann.

Gelegentlich trifft man ahnungslosen Kinderglauben, der augenzwinkernd sagt: „Der Benya tut ja nur so.“ Mit derlei Brisantem suche er einer Verlegenheit zu entkommen, die im zeitlich fatalen Zusammentreffen von anschwellender Inflation, sich wie Karnickel vermehrenden Preisauftriebstendenzen, Budgetnot — und turnusmäßigen Betriebsratswahlen liege.

Die so reden haben ihren Benya schlecht gelernt. Und selbst wenn er „nur so täte“, träte er damit eine Lawine los, die sich nicht mehr zurückrufen ließe.

Doch darf man ganz sicher sein: Benya, der ÖGB und die SPÖ „tun nicht nur so als ob“, sie tun wirklich! Und eigentlich tun sie nichts anderes, als sie, wenn vielleicht auch in milderen Worten, durch ihr Wahl-und Regierungsprogramm kundgemacht haben.

Deshalb ist es recht bestürzend, daß weder „der Sozialpartner“ noch „die Opposition“, was immer man unter beidem auch verstehen mag, zunächst mehr zu sagen wußten als „nicht jetzt“, „nicht gleich“ und „nicht so“, ohne eine ähnlich ausgereifte Alternative vorzubringen. Es kann nämlich für die Gesellschaft als Ganzes auf Dauer nicht gut sein, wenn immer nur die einen initiieren, inspirieren und inszenieren, indessen sich die anderen damit begnügen, zu reagieren. Dadurch nehmen Politik und Gesellschaft an unerwünschter Eintönigkeit zu, das unerläßliche Kräftespiel von These und Antithese aber erstirbt.

Das Ende davon ist, behält man Demokratie im Auge, regelmäßig ein Desaster für alle. Manche aber mögen's Fortschritt nennen ...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung