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Benyas Brief an Klaus
Das Lächeln verschwand beim Hinausgehen: An einem sonnigen Freitag trennten sich die Sozialpartner nach ihrer Unterschrift unter den Generalkollektivvertrag, der den Österreichern die 40-Stunden-Woche bescheren soll, mit Groll. Denn zur gleichen Zeit war bereits ein Brief des ÖGB an den Bundeskanzler unterwegs. Tenor dieses Schreibens: Entweder Bacher wird im ORF zur Räson gebracht oder die Sozialpartnerschaft wankt. (Siehe auch unseren Spitzenquerschnitt auf Seite 2.)
Das Lächeln verschwand beim Hinausgehen: An einem sonnigen Freitag trennten sich die Sozialpartner nach ihrer Unterschrift unter den Generalkollektivvertrag, der den Österreichern die 40-Stunden-Woche bescheren soll, mit Groll. Denn zur gleichen Zeit war bereits ein Brief des ÖGB an den Bundeskanzler unterwegs. Tenor dieses Schreibens: Entweder Bacher wird im ORF zur Räson gebracht oder die Sozialpartnerschaft wankt. (Siehe auch unseren Spitzenquerschnitt auf Seite 2.)
Denn Gewerkschaftsbundpräsident Benya drohte (nur wenige Tage nach der Arbeiterkammerwahl) in seinem Brief massiv:
„Der ÖGB übt seit 1945 eine bisher von allen Bundeskanzlern anerkannte und bedankte Politik der Verständigung und Zusammenarbeit.” Und weiters: „Der ÖGB sieht sich daher veranlaßt, Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, davon in Kenntnis zu setzen, daß er, solange Herr Generalintendant Bacher als Geschäftsführer einer Einrichtung der Republik Österreich nicht bereit ist, den Weg der Zusammenarbeit und auf überbetrieblicher Ebene zu gehen, außerstande, in Organisationen mitzuwirken, die in der Öffentlichkeit als Instrument der Wirtschafts- und Sozialpartner angesehen werden.”
Kreiskys „Lob”
Freilich, mehr noch, als in den Worten festgehalten ist, scheint hinter den Buchstaben zu stehen. Längst ist es kein Geheimnis mehr, daß die SPÖ Bacher noch vor den nächsten Nationalratswahlen „feuern” möchte. Man kennt in der Löwelstraße ein Meinungsforschungsergebnis, demzufolge Bacher zu den unbeliebtesten Persönlichkeiten des Landes zählt. Den Unbequemen herauszuschießen und damit die ÖVP zu treffen, scheint die erklärte Politik führender Spitzenpolitiker der SPÖ zu sein. Und zumindest für sich hat Parteivorsitzender Kreisky eine „Überprüfung” Bachers für den Fall angekündigt, daß die SPÖ die Wahlen gewinnt.
Aber Kreiskys damit verbundenes Lob für Benyas Schritt deuten politische Beobachter eher als das Wort des Fuchses, dem die Trauben zu sauer sind.
Denn jeder Kraftakt — und die Aufkündigung der Sozialpartnerschaft gehört dazu — stört das Kreisky- Konzept eines „Humanwahlkampfes”, der die SPÖ als gediegene, bürgerfreundliche Partei der Mitte präsentieren will.
Mag sein, daß Benya auch in gewissem Sinn ein Gefangener seiner eigenen Mannschaft ist. Linke Gewerkschafter drängen ihn sowohl in der ÖIG-Frage als auch in der für den ÖGB grundsätzlichen Frage der Rundfumkbetriebsräte in eine Offen- sivstellung. Die „Absetzung” von der Parteilinie in der ÖIG-F-rage war bereits deutlich. Vielleicht auch zieht Benya schon jetzt vorsorglich einen Strich gegenüber einer möglichen SPÖ-Regierung, mit der ein unabhängiger ÖGB ja auch irgendwann in Konflikt kommen müßte.
Erpressung?
Freilich, der nunmehr eingeschlagene Weg des ÖGB scheint kaum sonderlich zielführend. Immerhin muß Benya wissen, daß der Bundeskanzler dem ORF-Geschäftsführer keine Weisungen geben kann. Das Rundfunkgesetz macht Bacher sowohl in Programm- als auch in Personalangelegenheiten unabhängig.
Aber auch dem Aufsichtsrat der Rundfunk GmbH, gibt das Gesetz nur indirekte Zwangsmaßnahmen: dort würde jedoch eine Abberufung Bachers keine notwendige Mehrheit finden; abgesehen davon, daß die SPÖ-Aufsichtsratfraktion unter Kreisky bisher fast durchwegs loyal zu Bacher stand und sich weder durch Obstruktion noch entsprechende Anträge das gute Klima verdarb, das die SPÖ im Vorwahlkampf in den aktuellen Diensten des Rundfunks und Fernsehens braucht.
So ist es vorläufig leicht für die ÖVP, den Ball weiterzugeben. Was Bundeskanzler Klaus mit „Erstaunen” qualifiziert, erklärte Vizekanzler Witbalm zur „Erpressung”. Und in der Tat hat es gewisse (zeitbedingte) Parallelen, wenn Österreichs Regierung den sowjetischen und tschechischen Angriffen auf die Massenmedien derzeit entgegenhält, daß sie keine Kompetenz für den Rundfunk habe, weil dieser unabhängig sei. Der Eingriff in den Rundfunk und sogar in ein schwebendes Verfahren vor dem Einigungsamt wäre ein arges Präjudiz gewesen.
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