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ORF - Ohne Rechte Freude… ?

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„Was bedeuten die Buchstaben O, R, F?” fragt ein Angestellter im Funkhaus in der Wiener Argentinierstraße und gibt gleich selbst die Antwort: „Ohne rechte Freude.” Aber er weiß noch eine Version und die lautet: „Oberhammers Riesen- Fiasko.” Die angespannte Stimmung unter den Mitarbeitern ist einer Scheinfröhlichkeit gewichen. Niemand weiß, was die nächsten Wochen bringen.

Die definitive Bestellung Otto Oberhammers zum Generalintendanten am vergangenen Freitag wäre beinahe wirklich ein Fiasko geworden. Denn das 15 :15-Ergebnis hatte wirklich niemand erwartet, weder die ÖVP, die letztlich Exgeneralintendanten Bacher nominiert hatte, noch die Sozialisten, die nach dem Abstimmungsresultat vom Vortag mit einem Votum von 16 :14 für Oberhammer gerechnet hatten. Kuratoriumsvorsitzender und Kreisky-Vertrauensmann Slunsky wurde nach dem entscheidenden Wahlgang von Journalisten gefragt, ob er vor dem Gebrauch seines Dirimierungsrechtes mit dem Bundeskanzler Kontakt gehabt habe: er hatte nicht, denn er wisse selbst, was er in einem solchen Fall tun müsse. Daß er keinen Kontakt hatte, beweist also nicht zuletzt der aufgeregte Anruf aus dem Büro des Bundeskanzlers nach der Wahl im Generalsekretariat des ORF.

Der Amtsvorgänger Oberhammers, Bacher, der von der ÖVP ins Rennen geschickt worden war, hatte nach Bekanntwerden des Ergebnisses gleich eine seinem Stil entsprechende Grußadresse für seinen Nachfolger parat: „Ein Regierungsbeamter von einem Regierungskurator zum Chef des Regierungsrundfunks dirimiert.” Daß Bacher aber nunmehr bereits zum zweitenmal von der ÖVP als Spitzenkandidat für das Amt des Generalintendanten gekürt wurde, wird wohl Wasser auf die Propagandamühlen der SPÖ werden: denn sie kann jetzt sagen: „Seht her! Bacher, der immer von der Unabhängigkeit und Objektivität sprach, hat sich sonnenklar als Sympathisant der ÖVP erwiesen.”

Gar nicht zu denken an die Möglichkeit, daß Bacher wirklich einen Platz auf der Nationalratsabgeordnetenliste der ÖVP erhält, was besonders in westlichen VP-Zentra- len angeregt wird. In der SPÖ-Zen- trale hat man nämlich schon eifrig Zitate des redegewaltigen Reformrundfunkgenerals gesammelt, in denen er Österreich, die Parteien, das Parlament und die Bevölkerung — gelinde gesagt — nicht gerade höflich behandelt. Es würde daher in einem solchen Fall für die Sozialisten leicht sein, zu sagen: Ein Mann, der solche Aussprüche über das Land und seine Bevölkerung gemacht hat, soll als „Volksvertreter” in den Nationalrat einziehen?

Die ÖVP war übrigens nicht von Anfang an auf Bacher als Gegenkandidaten für Oberhammer eingeschworen. Zunächst galt der frühere Hörfunkprogrammdirektor Alfred Härtner als ÖVP-Favorit, bis Bacher selbst eine Definitivbewerbung abgegeben hatte.

Als Koordinator in der Generalintendanz mit ziemlich unbeschränkten Kompetenzen soll demnächst nunmehr der TV-Wirtschaftsredak- teur Adolf Aigner eingesetzt werden. Aigner gilt als linientreuer Sozialist, er kandidierte zuletzt für die Wiener Gemeinderatswahlen auf der SPÖ-Liste in Favoriten. ORF-intem gibt es bereits Stimmen, die sagen,

Aigner werde eine Rolle als „Aufpasser” für Oberhammer zukommen. Denn der neue General mache nicht immer genau das, was sich die SPÖ-Medienexperten vorstellen. Dies wird Oberhammer sogar im nicht gerade regierungsfreundlichen „Kurier” bescheinigt, wenn dort im Leitartikel am vergangenen Wochenende zu lesen steht, daß Oberhammer „sogar schon manch zaghaftes Zeichen unabhängiger Standfestigkeit von sich gegeben” habe.

Dem Zirkus um die definitive Bestellung des Generalintendanten und des Koordinators war aber vor allem beim Fernsehen schon so manches Ränkespiel um die Besetzung wichtiger Positionen vorausgegangen. Und nicht selten sollen auch der Ballhausplatz und die Villa des Bundeskanzlers in Wien-Heiligenstadt Schauplatz solcher Diskussionen gewesen sein. Einige Leute mußten nach Meinung der SPÖ in den Hintergrund treten: der Wirtschaftsressortleiter Emst-Wemer Nußbaum, dem man allzu gute Kontakte zur Bundeswirtschaftskammer und Industriellenvereinigung nachsagte, und Magazinchef Alfred Payrleitner. Für Nußbaum will man eine Art Koordinationsfunktion im Bereich der Wirtschaftsberichterstattung finden. Payrleitner will man neuerdings die Abteilung Öffent lichkeitsarbeit anbieten, die Gerhard Weis geleitet hatte, bevor er Femsehintendant wurde.

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