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Am Zug ist Bruno Kreisky

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Aus dem Urlaub auf Mallorca zurückgekehrt, wird Bundeskanzler Bruno Kreisky anfangs nichts anderes übrigbleiben, als sich einmal gründlich mit innenpolitischen Fragen zu beschäftigen. Da wird sein liebstes Stek-kenpferd, die große Weltpolitik, eine Weile ungesattelt im Stall bleiben müssen.

Und es wird nicht zuletzt die Medienpolitik des Kanzlers Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Hat doch bereits dieser Tage die Bestellung von 20 Mitgliedern der ORF-Hörer- und -Seher-Vertretung (HSV) durch den Bundeskanzler zu erfolgen, worauf sich dieses Gremium und in weiterer Folge auch das ORF-Kuratorium neu konstituieren werden. Und wird doch überdies die von Kreisky angeregte Diskussion über ein drittes Fernsehprogramm, das von den Zeitungsherausgebern betrieben werden soll („Verleger-TV") in eine heiße Phase eintreten, wenn die entsprechenden Vorschläge auf dem Tisch liegen.

Zur im September fälligen Neubestellung der ORF-Gremien konstatierte ÖVP-Mediensprecher Heribert Steinbauer bereits im Frühsommer Bestrebungen der SPÖ, durch Auswechseln bestimmter Personen im Kuratorium eine verläßlichere, nach den Anweisungen von SPÖ-Zentralsekretär und „Mediencharly" Karl Blecha, operierende SPÖ-Mannschaft auf die Beine zu stellen.

Daß die deutliche Klimaverschlechterung zwischen den beiden Parteien diese Bestrebungen nicht gerade gedämpft hat, liegt auf der Hand. Der Schlammschlacht in den Medien folgt konsequent ein neuer Machtkampf um das wichtigste Medium des Landes.

Den Sozialisten liegen dabei vor allem noch die Abstimmungsniederlage bei der Wahl Generalintendant Gerd Bachers 1978 und jüngste Vorfälle im ORF (Zusammenlegung der Programmabteilungen wie vor 1974, Anwerben mehrerer prominenter nichtsozialistischer Journalisten, Auftreten von Franz Josef Strauß in der „Pressestunde") im Magen. Ihnen geht es jetzt um die Wiederherstellung der einst so klaglos zu ihren Gunsten funktionierenden 16:14-Abstimmungsmaschine-rie im 30köpfigen Kuratorium (vgl. FURCHE Nr. 27/1980, S. 1).

Dabei spielt die Ablöse des oberösterreichischen Sozialisten Max Lot-teraner durch den Juristen und Ex-ORF-Generalsekretär Heinrich Keller noch nicht einmal die Hauptrolle. Auch wenn Keller im obersten ORF-Geschoß tätig sein wird, muß das nicht bedeuten, daß deswegen der ganze ORF Kopf steht.

Gravierender ist das Auswechseln des bisherigen Kuratoriumsvorsitzenden und dortigen Vertreters des Bundeskanzlers, OthmarSlunsky.gegen den Beamten des Verfassungsdienstes Hans Knitel, gegenwärtig Sekretär bei Außenminister Willibald Pahr.

Slunsky hat zwar bei der geheimen Wahl im September 1978 kaum für Bacher gestimmt, sich aber im Juni 1979 bei der offenen Abstimmung über Bachers Vertrag, den die SPÖ ablehnte, nur der Stimme enthalten (wie übrigens auch der Sportvertreter Rudolf Spiola vom sozialistischen ASKÖ). Für den Vertrag votierten neben den 14 der ÖVP und FPÖ nahestehenden Kuratoren auch die drei sozialistischen Zentralbetriebsräte und der Künstler Prof. Adolf Frohner.

In diesem Kreis vermuten nun Blecha und seine Getreuen die Schwachstellen bei geheimen Abstimmungen. (Wiewohl auch der Verdacht gegenüber dem Vertreter des Finanzministers durch die jüngste gemeinsame Mittelmeer-Kreuzfahrt von Hannes Androsch und Gerd Bacher auf der Jacht des Innsbrucker ORF-Wirtschaftsprüfers Helmut Marsoner neue Nahrung erhalten hat.)

Daher auch der Wunsch, den Betriebsräten bei Intendantenbestellungen das Stimmrecht zu entziehen, denn letztlich geht es ja um die nächste Generalintendantenwahl und um den Kopf Bachers. Daß Betriebsrat Franz Baumann aus Gesundheitsgründen im Kuratorium Ignaz Prikosovich Platz macht, bedeutet für die SPÖ nicht unbedingt leichteres Spiel.

Zum Zünglein an der Waage könnten in jedem Fall die sechs von der HSV ins Kuratorium entsandten Virilisten werden. Unter ihnen sind neben Keller, Knitel und Prikosovich die einzigen neuen Leute im Kuratorium zu erwarten. Daher bedeutet Kreiskys Bestellung von 20 HSV-Mitgliedern unter Umständen eine wichtige Vorentscheidung und wird mit Spannung erwartet.

Unter den 15 direkt von diversen Institutionen bestellten HSV-Mitgliedern sind nur zwei neue: Holger Bauer statt Tassilo Broesigke für die Politische Akademie der FPÖ und ÖAAB-Gene-ralsekretär Walter Heinzinger statt Heribert Steinbauer, der sich auf das Kuratorium konzentriert, als Führer der ÖVP-Fraktion in der HSV.

Die für die 20 weiteren Plätze von diversen Stellen vorgeschlagenen Personen wurden in der „Wiener Zeitung" vom 15. Juli 1980 angeführt. Bis auf Fritz Pesendorfer, statt dem die österreichische Hochschülerschaft nun den neuen Vorsitzenden Fritz Lennkh favorisiert, sind alle bisherigen HSV-Mitglieder wieder vorgeschlagen worden, wenn auch nicht immer mit dem gleichen Gewicht wie zuletzt.

Dies gilt etwa für den Bereich Jugend, wo der bisherige Vertreter, Friedrich Verzetnitsch von der Gewerkschaftsjugend, nur an dritter Stelle des Vorschlages des Bundesjugendringes aufscheint. Das gilt aber noch mehr für den Bereich Wissenschaft, wo die bisherigen Vertreter, Univ.-Prof. Rudolf Wohlgenannt und Gerhard Windischbauer, nur von weniger bedeutenden Institutionen vorgeschlagen werden, während etwa die Rektorenkonferenz Univ.-Prof. Kurt Komarek und die Bundeskonferenz des wissenschaftlichen Personals Univ.-Doz. Gerhard Jagschitz vorschlagen. Daran wird Kreisky bei seiner bekannten Korrektheit in diesen Fragen kaum vorbeigehen können.

Feststeht, daß von den sechs HSV-Virilisten im Kuratorium folgende Bereiche abgedeckt werden müssen: Kirchen und Religionsgemeinschaften (derzeit Franz Stauber), Kunst (Adolf Frohner), Wissenschaft (Gerhard Windischbauer), Volksbildung (Eduard Ploier), Sport (Rudolf Spiola). Den sechsten Platz nimmt momentan Eva Preiss als Konsumenten-Vertreterin (und einzige Frau im Kuratorium) ein.

Feststeht auch, daß durch den Zwang zur Zwei-Drittel-Mehrheit bei der Entsendung durch die HSV das politische Gleichgewicht gewahrt bleiben muß; und daß es unter den Vorgeschlagenen außer zu Windischbauer kaum eine ernsthafte Alternative gibt, will man nicht Frohner auf Biegen und Brechen auswechseln.

Schön wäre es nur, wenn Parteipolitik und Lagerdenken im unabhängigen ORF bald dauerhaft einem Klima der Sachlichkeit und der Vernunft Platz machten.

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